20. Februar 2020
Equal-Pay: BAG zur ordnungsgemäßen Inbezugnahme von Tarifverträgen
Droht eine dritte Equal-Pay-Welle?
Bereits im Oktober 2019 entschied das BAG über einen Equal-Pay-Fall (Urt. v. 16.10.2019 – 4 AZR 66/18). Ein Arbeitnehmer, auf dessen Arbeitsverhältnis der iGZ-Tarifvertrag angewandt wurde, meinte, dass diese Anwendung nicht korrekt erfolgt sei, da der Vertrag zahlreiche Regelungen enthalte, die dem Tarifvertrag widersprächen. Das Gericht gab dem Arbeitnehmer recht, da der Gleichstellungsgrundsatz (Equal Treatment) durch ein Tarifwerk der Zeitarbeit nur abgelöst werden könne, wenn dieses vollständig angewendet werde – was hier nicht der Fall sei. Individuelle Vereinbarungen seien nur in Bezug auf Dinge möglich, die tariflich überhaupt nicht geregelt sind oder die zugunsten des Zeitarbeitnehmers von den tariflichen Bestimmungen abweichen.
Nachdem die Begründung dieser Entscheidung nun vorliegt, ergibt sich in Einzelfällen Handlungsbedarf bei der Vertragsgestaltung; die gleichzeitig in Kraft getretenen Tarifänderungen bieten dafür den richtigen Anlass. Dies bedeutet jedoch nicht, dass kein Stein mehr auf dem anderen bleibt. Denn schon bisher forderte die Vertragsgestaltung bei der Arbeitnehmerüberlassung viel Aufmerksamkeit. Wer hier eine klare Abgrenzung zwischen tariflichen und arbeitsvertraglichen Regelungen vorgenommen sowie auf eine rechtswirksame Formierung von Ausschlussfristen geachtet hat, dem dürfte relativ wenig drohen. Wer allerdings seine Arbeitsverträge frei und „drauflos“ gestaltet hat, kann relativ sicher davon ausgehen, dass diese den Anforderungen an die Tarifausnahmen des BAG nicht standhalten werden und jedenfalls grundsätzlich zu einer Equal-Pay-Verpflichtung führen.
Zum Sachverhalt: Worum ging es?
Der Fall war relativ unspektakulär. Ein Arbeitnehmer in der Zeitarbeit hatte seinen Arbeitgeber für Zeiträume in den Jahren 2014 und 2015 auf Equal-Pay-Vergütung in Anspruch genommen, obwohl die Parteien mit einer dynamischen Bezugnahmeklausel einen Tarifvertrag der Zeitarbeit zur Anwendung gebracht hatten. Bei den einzelnen Vertragsformulierungen war der Arbeitgeber nachlässig vorgegangen. So hatte er sich auf einen bei Vertragsunterzeichnung nicht mehr geltenden Tarifvertrag bezogen, rechtswidrige Ausschlussfristen vereinbart und einige Bestimmungen in Bereichen vorgesehen, die durch den Tarifvertrag schon geregelt werden, diese jedoch abgeändert.
So sah der Vertrag vor,
- dass Zuschläge nur gezahlt würden, „sofern der Arbeitgeber (nicht der Entleiher) diesen Arbeiten zugestimmt hätte“, obwohl sich die Arbeitszeitregelungen entsprechend Tarifbestimmung nach den Gegebenheiten im Einsatzbetrieb richten;
- die Vergütung entgegen der tariflichen Bestimmung (15. Bankarbeitstag) bis spätestens zum 20. des Folgemonats auszuzahlen;
- dass Abschlagszahlungen des Arbeitgebers nach § 8 Abs. 4 Satz 2 Arbeitsvertrag nur „auf freiwilliger Basis nach individueller Vereinbarung“ zu erfolgen haben, obwohl grundsätzlich auf Verlangen des Arbeitnehmers ein Abschlag am Ende des jeweiligen Abrechnungsmonats von bis zu 80 % des zu erwartenden Nettoeinkommens zu zahlen ist;
- für die Entgeltfortzahlung das Lohnausfallprinzip zu vereinbaren, während nach Tarifvertrag das Referenzprinzip anzuwenden ist. Zudem sollte eine Kürzung von Sondervergütungen nach § 4a EFZG auch für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit zulässig sein, obwohl die Tarifverträge diese Kürzungsmöglichkeit nicht kennen;
- durch eine (einseitig zulasten des Arbeitnehmers geltende) Ausschlussfrist mit lediglich einem Monat in zwei Stufen von der tariflichen Regelung abzuweichen.
Die Entscheidung
Diese Regelungen sind teilweise ambivalent, teilweise für den Arbeitnehmer klar nachteilig im Vergleich zu den Tarifregelungen. Hieraus leitete das BAG ab, dass eine den Anforderungen des § 9 Nr. 2 Halbs. 3 AÜG aF genügende vertragliche Inbezugnahme dieser Tarifverträge nicht vorliege. Denn § 9 Nr. 2 Halbs. 3 AÜG aF verlange für den Entleihzeitraum eine vollständige Inbezugnahme des zwischen den jeweiligen Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Tarifwerks für die Arbeitnehmerüberlassung.
Welche Regelungen bleiben noch zulässig?
Nach Ansicht des Gerichts sind Regelungen zu Gegenständen dann unschädlich, wenn diese
- tariflich nicht geregelt sind oder
- zugunsten des Arbeitnehmers von den tariflichen Bestimmungen abweichen und deshalb auch im Fall einer beiderseitigen Tarifgebundenheit nach § 4 Abs. 3 TVG zulässig wären.
Dennoch führen auch andere Vereinbarungen nicht zwingend zur Equal-Pay-Verpflichtung. Hierzu meint das Gericht:
- Es bedarf keiner absoluten Transparenz von Vertragsbedingungen und Tarifinhalten, wenn eindeutig ist, dass es sich um eine dynamische Klausel handelt. So sind zum Beispiel auch fehlerhafte Angaben beim Urlaubsanspruch dann unschädlich, wenn sich der tarifliche Anspruch zwischenzeitlich geändert hat.
- Kommt es dennoch im Einzelfall zu einem Widerspruch zwischen arbeitsvertraglicher und tariflicher Regelung, ist auch das unschädlich, wenn der Arbeitsvertrag eine eindeutige Kollisionsklausel enthält, welche Bestimmung bei einem Widerspruch zwischen tariflicher und vertraglicher Bestimmung vorgeht – in der Regel die tarifliche Bestimmung.
- Vertragsbestimmungen, die Dinge regeln, zu denen der Tarifvertrag keine Aussage enthält, sind bedenkenlos zulässig, beispielsweise Datenschutzklauseln.
- Vertragsbedingungen können mit tariflichen Bedingungen kollidieren, sofern sie günstiger sind. Hier sollte genau darauf geachtet werden, dass Regelungen nicht nur scheinbar dem Arbeitnehmer nutzen, sondern auch den entsprechenden Anforderungen der Rechtsprechung genügen.
- Letztlich kann auch ein Rettungsanker ausgeworfen werden, wenn wirksame Ausschlussfristen vereinbart worden sind. Denn diese können trotz unwirksamer Vertragsinhalte gelten, wenn sie für sich den gesetzlichen Anforderungen genügen.
AMETHYST-Kommentar
Ein „CGZP III“ wird es nach dieser Entscheidung mit Sicherheit nicht geben. Dennoch ist die Entscheidung Anlass genug, die bisherige Vertragsgestaltung genau zu überprüfen. Wir werden unseren Mandanten kurzfristig neue Vertragsmuster zur Verfügung stellen, die diese Entscheidung zur Inbezugnahme von Tarifverträgen sowie die Tarifänderungen vollständig berücksichtigen.