10. Juni 2020

Antrag auf Kurzarbeitergeld: Was bei Falschangaben droht

Das Kurzarbeit­ergeld (Kug) soll Unternehmen und Betriebe unter­stützen, die auf­grund der COVID-19-Pan­demie gezwun­gen sind, die Arbeit­szeit ihrer Arbeit­nehmer (vorüberge­hend) zu ver­ringern. Es soll den Arbeit­sent­geltaus­fall zum Teil aus­gle­ichen und Ent­las­sun­gen ver­hin­dern. Dazu muss der Arbeit­ge­ber lediglich entsprechende Vor­drucke von der Bun­de­sagen­tur für Arbeit aus­füllen. Darin sind beispiel­sweise Angaben zu Beschäftigten­zahlen, Ent­geltaus­fällen und den Grün­den hier­für zu machen. Doch was passiert, wenn die gemacht­en Angaben nicht der Wahrheit entsprechen? AMETHYST Recht­san­wälte hat die Fol­gen zusammengefasst.

1. Erleichterte Bedingungen für Kug-Antrag

Grund­sät­zlich haben Arbeit­nehmer Anspruch auf Kurzarbeit­ergeld, wenn in einem Betrieb, in dem min­destens ein Arbeit­nehmer beschäftigt ist, ein erhe­blich­er Arbeit­saus­fall mit Ent­geltaus­fall vor­liegt, die Anspruchsvo­raus­set­zun­gen vor­liegen (§§ 95 ff. SGB III) und der Arbeit­saus­fall vom Arbeit­ge­ber unverzüglich der Agen­tur für Arbeit mit­geteilt wird. Inner­halb ein­er Drei­monats­frist kann der Arbeit­ge­ber dann einen Antrag auf Erstat­tung des von ihm ver­aus­lagten Kurzarbeit­ergeldes bei der Agen­tur für Arbeit einreichen.

Wegen der Coro­na-Krise gel­ten nun­mehr erle­ichterte Bedin­gun­gen für die Beantra­gung. So müssen die Arbeit­nehmer keine „Minusstun­den“ vor­weisen und es müssen ins­ge­samt nur 10 Prozent der Beschäftigten im Betrieb vom Arbeit­saus­fall betrof­fen sein. Außer­dem kön­nen auch Lei­har­beit­nehmer in Kurzarbeit gehen. Das Kug bet­rifft also auch die Branche der Arbeit­nehmerüber­las­sung (ANÜ) und der Per­sonal­dien­stleis­ter (nach dem AÜG).

2. Unberechtigte Gewährung von Kurzarbeitergeld

Durch die her­abge­set­zten Anforderun­gen kann es bei der Antrag­stel­lung schnell zu leicht­fer­ti­gen Angaben durch den Arbeit­ge­ber kom­men. Das kann zur Folge haben, dass Kug aus­gezahlt wird, obwohl die Anspruchsvo­raus­set­zun­gen tat­säch­lich nicht vorliegen.

Zum Beispiel, wenn zwar Kurzarbeit angemeldet wird, die Arbeit­nehmer tat­säch­lich aber länger arbeit­en als angegeben oder sog­ar ihre „nor­male“ Arbeit­sleis­tung erbrin­gen. Ähn­lich ist es, wenn Kurzarbeit­ergeld für Zeit­en bezo­gen wird, in denen der Arbeit­nehmer auf­grund der Inanspruch­nahme von Urlaub oder wegen Krankheit nicht gear­beit­et hat. Unberechtigt ist die Auszahlung von Kurzarbeit­ergeld aber auch, wenn der erhe­bliche Arbeit­saus­fall – ent­ge­gen den Angaben – gar nicht auf ein unab­wend­bares Ereig­nis, wie die Coro­na-Pan­demie, zurück­zuführen ist, son­dern andere, hier­von unab­hängige Gründe hat.

Daraus fol­gt: Immer dann, wenn der Arbeit­ge­ber seine Informations‑, Aufk­lärungs- oder Erkundi­gungspflicht­en ver­let­zt, kann es für ihn riskant wer­den. Das kann sich aber nicht nur auf ihn, son­dern auch die Arbeit­nehmer und das Unternehmen selb­st auswirken.

2.1. Rückzahlungsansprüche

Zum einen kann die Bun­de­sagen­tur für Arbeit den zu Unrecht aus­gezahlten Betrag vom Arbeit­ge­ber zurück­fordern (§ 108 Abs. 3 SGB III). Dabei ist es irrel­e­vant, ob der Arbeit­ge­ber vorsät­zlich oder fahrläs­sig Falschangaben macht. In jedem Fall ste­ht ihr ein öffentlich-rechtlich­er Schadenser­satzanspruch zu, der mit­tels Ver­wal­tungsak­tes gegen den Arbeit­ge­ber gel­tend gemacht wer­den kann.

„Fahrläs­sigkeit“, d.h. das Mis­sacht­en der erforder­lichen Sorgfalt, kann etwa schon angenom­men wer­den, wenn der Arbeit­ge­ber den angezeigten Arbeit­saus­fall nicht voll­ständig oder inko­r­rekt erfasst, obwohl ihm dies hätte auf­fall­en müssen. Ähn­lich­es gilt, wenn der Arbeit­ge­ber über­sieht, dass etwa noch Auf­gaben an die Arbeit­nehmer verteilt wer­den kön­nen, wie etwa Aufräum- oder Organ­i­sa­tion­sar­beit­en. Denn dann läge gar kein Arbeit­saus­fall im geset­zlichen Sinne vor.

Stellt die Bun­de­sagen­tur für Arbeit fest, dass strafrechtlich rel­e­vante Aspek­te zur Auszahlung geführt haben, erstat­tet sie zudem Strafanzeige bei der Staat­san­waltschaft. Hier­auf weist die Bun­de­sagen­tur für Arbeit auch selb­st im Antrags­blatt hin.

2.2. Strafrechtliche Konsequenzen

Der Arbeit­ge­ber kann sich zum Beispiel wegen (Subventions-)Betrug straf­bar machen (§§ 263 f. StGB). Dann ist mit ein­er Frei­heitsstrafe von bis zu 5 Jahren oder Geld­strafe zu rech­nen, wenn er Kug auf­grund unrichtiger oder unvoll­ständi­ger Angaben bezieht.

Arbeit­nehmer, die erk­lären, mit der Ver­rich­tung von Kurzarbeit ein­ver­standen zu sein, obwohl ihnen bekan­nt ist, dass sie tat­säch­lich nicht „kurz arbeit­en“ kön­nten sich wegen Bei­hil­fe straf­bar machen.

Sofern der Arbeit­ge­ber die Arbeit­nehmer zum „nor­malen“ Weit­er­ar­beit­en zwingt, indem er ihnen anderen­falls mit der Kündi­gung dro­ht, kön­nte er sich wegen Nöti­gung (§ 240 StGB) straf­bar machen.

Vere­in­baren Arbeit­ge­ber und Arbeit­nehmer, den gekürzten Lohn schwarz aufzu­s­tock­en, kann ihnen eine Bestra­fung wegen Lohn­s­teuer­hin­terziehung dro­hen (§ 266a StGB).

2.3. Steuerrechtliche Auswirkungen

Kurzarbeit­ergeld ist grund­sät­zlich steuer­frei, unter­liegt aber dem sog. Pro­gres­sionsvor­be­halt, wodurch fak­tisch doch Steuern gezahlt wer­den. Denn bei der späteren Einkom­menss­teuerver­an­la­gung wird ein bes­timmter Einkom­menss­teuer­satz ermit­telt und die Lohn­er­sat­zleis­tung zu dem zu ver­s­teuern­den Einkom­men hinzugerech­net. Aus dem erziel­ten Arbeit­slohn und etwaigen weit­eren Einkün­ften ergibt sich das zu ver­s­teuernde Einkom­men. Für das danach errech­nete (fik­tive) Einkom­men wird der Steuer­satz ermit­telt und auf das tat­säch­lich zu ver­s­teuernde Einkom­men – ohne Lohn­er­sat­zleis­tung – angewendet.

Stockt der Arbeit­ge­ber das aus­bezahlte Kurzarbeit­ergeld wieder auf das ursprüngliche Voll­ge­halt auf, kommt es zu ein­er Verkürzung der Lohn­s­teuerzahlun­gen. Dann kann nicht nur eine strafrechtlichen Ver­fol­gung wegen Lohn­s­teuer­hin­terziehung (nach § 266a StGB), son­dern auch eine Straf­barkeit nach der Abgabenord­nung (§ 370 AO) dro­hen.

2.4. Bußgelder

Die Kon­se­quen­zen bei Falschangaben kön­nen aber nicht nur den Arbeit­ge­ber oder die Arbeit­nehmer, son­dern auch das Unternehmen selb­st tre­f­fen. So kön­nen etwa Bußgelder gegen das Unternehmen oder die Geschäft­sleitung ver­hängt wer­den, wenn die geset­zlichen Voraus­set­zun­gen vor­liegen (§ 30 OWiG).

3. Risikoeinschätzung

Auch wenn die Bun­de­sagen­tur für Arbeit die Antrag­stel­lung auf­grund der Vielzahl der Anträge derzeit ober­fläch­lich prüfen mag, kann man grund­sät­zlich davon aus­ge­hen, dass der Staat ger­ade staatliche Hil­fen oder För­der­maß­nah­men mit Argusaugen überwacht. Die Behör­den kön­nen sich außer­dem eine Nach­prü­fung vor­be­hal­ten und gemachte Angaben sowie ein­gere­ichte Unter­la­gen auch im Nach­hinein auf Plau­si­bil­ität prüfen.

Wenn die Staat­san­waltschaft hinzuge­zo­gen wird, kön­nen im Zuge von Ermit­tlungs- und Strafver­fahren auch Beschuldigte und (poten­tielle) Zeu­gen befragt, Räum­lichkeit­en oder Com­put­er durch­sucht werden.

Das Ent­deck­ungsrisiko bei Falschangaben ist also nicht zu unter­schätzen. Ins­beson­dere sind anonyme Hin­weise frus­tri­ert­er Arbeit­nehmer oder von konkur­ri­eren­den Unternehmen einzukalkulieren.

4. Praxistipps – Was ist zu tun?

Bevor Unternehmen den Arbeit­saus­fall anzeigen, sollte dieser und alle anderen Angaben, die gegenüber der Bun­de­sagen­tur für Arbeit zu machen sind, sorgfältig geprüft wer­den. Hil­fre­ich kann es sein, alle Infor­ma­tio­nen, d.h. die tat­säch­liche Beschäftigten­zahl, Arbeit­saus­fal­lzeit­en, Abrech­nungslis­ten, (Rest-)Urlaubsbestände etc. gewis­senhaft zu prüfen und exakt zu doku­men­tieren. Außer­dem sollte der Arbeit­ge­ber organ­isatorisch sich­er­stellen, dass die Arbeit­nehmer nicht „voll“ weit­er­ar­beit­en, wenn Kurzarbeit vere­in­bart wurde.

All das zeigt: Das Kurzarbeit­ergeld kann in Krisen­zeit­en zwar ein hil­fre­ich­es Instru­ment sein, sollte aber keines­falls leicht­fer­tig in Anspruch genom­men wer­den. Denn selb­st, wenn Falschangaben nicht beab­sichtigt wur­den, kann es für Arbeit­ge­ber und Arbeit­nehmer zu unschö­nen Kon­se­quen­zen kom­men – vom Imageschaden des Unternehmens ganz zu schweigen. Um sich abzu­sich­ern, kann es rat­sam sein, sich fundierte Recht­sauskun­ft einzu­holen. Wir von AMETHYST Recht­san­wälte unter­stützen Sie gern.