16. Dezember 2015
Steine statt Brot vom BSG in CGZP-Verfahren
Heute hat sich das Bundessozialgericht erstmals mit einem CGZP-Sachverhalt befasst. Die Entscheidung — B 12 R 11/14 R - stellt für alle Seiten eine Enttäuschung dar. Sie schafft weder Rechtsklarheit in den maßgeblichen Fragen noch erleichtert sie das zukünftige Betreiben der Prozesse, in denen es um Beitragsnachforderungen geht. Bei der Bewertung ist naturgemäß Vorsicht geboten, da das Urteil nicht im Volltext vorliegt und Basis des Bewertung allein die heutige Pressinformation des BSG ist.
Der 12. Senat hatte eine Sprungerivision gegen ein Urteil des SG Hannover nicht endgültig entschieden, sondern zur weiteren Sachaufklärung dorthin zurück verwiesen.
Zwar sei die Nachforderung von Beiträgen der Jahre 2005 bis 2010 grundsätzlich zulässig, so das BSG, zumal sich Personaldienstleister nicht erfolgreich auf Vertrauensschutz berufen könnten. Diese Sicht der Dinge überrascht nach dem gleich lautenden Beschluss des BVerG vom 25. Mai 2015 — 1 BvR 2314/12, nicht wirklich. Das dürfte der DRV noch gefallen.
Weder der DRV noch den Personaldienstleistern dürfte hingegen zusagen, dass vor einer abschließenden Entscheidung zukünftig alle betroffenen Beschäftigten und alle insoweit von den nachgeforderten Beiträgen begünstigten anderen Sozialversicherungsträger als notwendig Beigeladene am Rechtsstreit beteiligt werden müssen. Diese Beiladung ist auch in den meisten Verfahren, die unsere Kanzlei betreut, bisher unterblieben. Aus gutem Grund: denn schon bei kleineren Personaldienstleistern wären einige Hundert Arbeitnehmer zu beteiligen, bei größeren sind es gleich mehrere Tausend. Schon jetzt irritiert die gelegentliche Aufforderung der Sozialgerichte, Schriftsätze z.B. mit 456 Abschriften für die Beigeladenen einzureichen, was das eigene Sekretariat schon bisher ordentlich forderte. Die Beteiligten werden sich vor allem in größeren Verfahren nun weit erhöhen, wobei es nicht nur um die Zahl der kopierten Schriftsätze geht, sondern um die Dauer von Verfahren, die sich durch das Auseinandersetzen mit Einzelforderungen etc. deutlich erhöhen kann. Ökonomisch ist das jedenfalls nicht.
Darüber hinaus verlangt das Gericht, dass Tatsachenfeststellungen dazu erhoben werden müssten, welche Beiträge auf welche konkreten Entgeltansprüche einzelner Arbeitnehmer entfallen und welche Beitragsanteile darüber hinausgehend auf einer (an sich grundsätzlich zulässigen) Schätzung beruhen. auch diese genaue Festlegung ist bisher in den wenigsten Verfahren erfolgt. Sie könnte in vielen Fällen dazu führen, dass die DRV damit beginnt, ihre bereits abgeschlossenen Prüfungen wieder aufzurollen, um den strengeren Prüfunsanforderungen zu genügen. Auch dieser Aspekt nützt keiner der beiden Seiten wirklich, sondern schafft nur weitere Rechtsunsicherheit.
Leider hat sich das Gericht ebenfalls nicht genau zu den Voraussetzungen einer Anspruchsverjährung — vor allem für das Jahr 2006 — festgelegt. Dass es genauerer Feststellungen zum Vorsatz bei Beitragsansprüchen für das Jahr 2006 bedürfe, wie es in der Pressereklärung heißt, ist ein nichtssagender Allgemeinplatz. Viel interessanter (und praktisch wichtig) wäre dagegen die Antwort auf zwei andere Fragen gewesen:
1. Wer trägt die Beweislast für einen möglichen Vorsatz und was ist dazu im Prozess vorzubringen? Dies ist angesichts der einzelnen erstinstanzlich bereits durchgeführten Beweisaufnahmen von enormer Relevanz und kann allein über Erfolg oder Misserfolg einer Klage entscheiden.
2. Kann ein Vorsatz im Jahr 2010 (für das Jahr 2006) überhaupt entstanden sein, wenn das Ausgangsurteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010 dieTarifunfähigkeit der CGZP nur mit Gegenwartsbezug feststellte und zudem erst im Jahr 2011 dessen Begründung vorlag?
Zu beiden Fragen wäre es nicht zuviel verlangt gewesen, dass das BSG ein wenig mehr Rechtsklarheit schafft, was leider unterblieben ist.
Am Ende bleibt nur zu hoffen, dass die Begründung doch weitere Anhaltspunkte zur zukünftigen Behandlung von Konflikten enthält.