BAG zur Offenlegungs- und Konkretisierungspflicht nach § 1 Abs. 1 AÜG

Beim Abschluss eines Arbeit­nehmerüber­las­sungsver­trages (AÜV) sind zahlre­iche geset­zliche Anforderun­gen und Vorschriften zu beacht­en. Dazu gehören mit der Offen­le­gungs- und Konkretisierungspflicht auch For­mvorschriften, die mit Blick auf die „üblichen Verdächti­gen“ wie Über­las­sung­shöch­st­dauer und Equal-Pay-Grund­satz nicht ver­nach­läs­sigt wer­den dürfen.

Die Offen­le­gungspflicht aus § 1 Abs. 1 S. 5 AÜG ver­langt, dass die Über­las­sung von Lei­har­beit­nehmerin­nen und Lei­har­beit­nehmern im AÜV aus­drück­lich als „Arbeit­nehmerüber­las­sung“ beze­ich­net wird. Dies muss vor Beginn der Über­las­sung oder der Tätigkeit der Lei­har­beit­nehmerin oder des Lei­har­beit­nehmers geschehen. In § 1 Abs. 1 S. 6 AÜG ist die Konkretisierungspflicht normiert: Die Per­son, die als Lei­har­beit­nehmerin oder Lei­har­beit­nehmer über­lassen wird, muss unter Bezug­nahme auf den AÜV konkret benan­nt werden.

Das Bun­de­sar­beits­gericht (BAG) hat­te jüngst zu entschei­den, wann diese bei­den Pflicht­en als erfüllt gel­ten kön­nen (Urteil vom 05.03.2024 – Az. 9 AZR 204/23).

 

Der Sachver­halt

Der Kläger (Arbeit­nehmer) war bei einem Unternehmen (Beklagte) seit dem 16.02.2018 als Lei­har­beit­nehmer im Ein­satz. Der Ver­lei­her unter­schrieb den Über­las­sungsver­trag am 05.02.2018, der Kunde unter­schrieb den Ver­trag jedoch erst einige Tage nach Ein­satzbe­ginn des Klägers.

Der Kläger argu­men­tierte nun, dass die Beklagte auf­grund der zu Über­las­sungs­be­ginn fehlen­den Unterze­ich­nung des AÜV gegen die Offen­le­gungs- und Konkretisierungspflicht aus § 1 Abs. 1 AÜG ver­stoßen habe. In der Folge sei ein Arbeitsver­hält­nis zwis­chen dem Kläger und der Beklagten mit Wirkung ab dem 16.02.2018 entstanden.

Die Beklagte führte hinge­gen an, dass es nicht darauf ankomme, ob bere­its bei Beginn der Über­las­sung ein formwirk­samer AÜV vorgele­gen habe. Die geset­zlichen Pflicht­en – Unterze­ich­nung des AÜV – habe sie erfüllt, auch wenn dies erst im Nach­hinein erfol­gt sei.

Die Offen­le­gung gem. § 1 Abs. 1 S. 5 AÜG sei eben­falls erfol­gt, da der voll­ständi­ge Ver­trag bei Über­las­sungs­be­ginn bere­its vorgele­gen habe (nur eben ohne Unter­schrift). Auch sei die Konkretisierung bere­its einge­treten (§ 1 Abs. 1 S. 6 AÜG), denn der Kläger sei in ein­er Anlage zum Arbeit­nehmerüber­las­sungsver­trag bere­its namentlich aufge­führt gewesen.

 

BAG: Unterze­ich­nung erforderlich

Der Argu­men­ta­tion der Beklagten fol­gte das BAG nicht. Um die Offen­le­gungs- und Konkretisierungspflicht­en aus § 1 Abs. 1 S. 5 und S. 6 AÜG zu erfüllen, sei immer ein formwirk­samer Arbeit­nehmerüber­las­sungsver­trag erforder­lich, so das Gericht. Dem­nach müsse ein von Ver­lei­her und Entlei­her schriftlich (§ 12 Abs. 1 AÜG) unterze­ich­neter AÜV zum Zeit­punkt des Über­las­sungs­be­ginns vorliegen.

Vor ein­er solchen bei­d­seit­i­gen Ver­trag­sun­terze­ich­nung sei ein Arbeit­nehmerüber­las­sungsver­trag nichtig. Es trete auch keine nachträgliche Wirk­samkeit ein, wenn die Anforderun­gen aus § 1 Abs. 1 AÜG nach der tat­säch­lichen Tätigkeit­sauf­nahme der Lei­har­beit­nehmerin oder des Lei­har­beit­nehmers noch erfüllt wür­den. Ein unwirk­samer AÜV kann fol­glich die Offen­le­gungs- und Konkretisierungspflicht nicht erfüllen oder heilen.

Voll­textveröf­fentlichung des Urteils: hier.

 

Kommentar:

Die Fol­gen dieses Urteils für die Prax­is sind eher ger­ing. Denn dass ein Arbeit­nehmerüber­las­sungsver­trag unter­schrieben sein muss, ist all­ge­mein bekan­nt. Das hat das BAG nun erst­mals oberg­erichtlich bestätigt. Rechts­folge bei fehlen­der Unter­schrift: ein direk­tes Arbeitsver­hält­nis zum Kun­den (sofern das dann eingeklagt wird).

Beschränkt sich die fol­gende Konkretisierung auf die Nen­nung nur eines Namens, bedarf sie übri­gens schon jet­zt kein­er Unter­schrift [vgl. FW 1.1.6.7, Abs. (3)].

Ergänzend sei zudem auf die anste­hen­den Geset­zesän­derun­gen zur Schrift­form des AÜV ver­wiesen. Nach Inkraft­treten dieser Regelung hätte sich die Entschei­dung des BAG ohne­hin schon wieder erledigt.

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