Steuerschulden als Versagungsgrund?
Die Beschäftigtenzahlen in der Arbeitnehmerüberlassung gehen zurück, und auch sonst hat es die Wirtschaft derzeit eher schwer. Es verwundert daher nicht, dass die Beanstandungen der Bundesagentur für Arbeit im Hinblick auf Steuerrückstände bei Finanzämtern zunehmen. Nicht selten steht im Zusammenhang damit auch die Versagung der Erlaubnis gemäß § 3 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) im Raum.
Die Schwierigkeiten beginnen oft bereits damit, dass die Auskünfte des Finanzamts ungenau sind. Zwar wird meistens korrekt zu einem Stichtag der Rückstand genannt. Auskünfte dazu, für wie lange und wie häufig solche Rückstände bestanden haben, fehlen jedoch oft oder werden nur sehr allgemein beantwortet („Der Antragsteller kommt der Zahlungspflicht überwiegend / nicht überwiegend nach“ etc.).
Es ist allerdings keinesfalls so, dass Steuerrückstände immer eine Versagung der Erlaubnis rechtfertigen. Denn nicht selten gibt es neben der Möglichkeit fehlerhafter Buchungen auch inhaltliche Auseinandersetzungen über das Bestehen bestimmter Steuerpflichten. Doch selbst reine Zahlungsverzögerungen müssen nicht zu Erlaubnisversagung führen.
Rückstände bei der Umsatzsteuer sind kein Versagungstatbestand
So stellen nicht alle Steuerrückstände einen besonderen Versagungsgrund dar. Denn § 3 AÜG nimmt eine mangelnde Zuverlässigkeit ausdrücklich nur bei der Verletzung von Arbeitnehmerschutznormen an. Wie sich dem Gesetzeswortlaut selbst entnehmen lässt, zählt der Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG die Lohnsteuer dazu, nicht jedoch die Umsatzsteuer:
„Die Erlaubnis oder ihre Verlängerung ist zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller
- die für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere weil er die Vorschriften des Sozialversicherungsrechts, über die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer [Hervorhebung AMETHYST], über die Arbeitsvermittlung, über die Anwerbung im Ausland oder über die Ausländerbeschäftigung, über die Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1b, die Vorschriften des Arbeitsschutzrechts oder die arbeitsrechtlichen Pflichten nicht einhält;“
Von besonderer Bedeutung ist also, dass Rückstände bei der Umsatzsteuer zu keinem Zeitpunkt Arbeitnehmerinteressen berühren. Deshalb kann schon denklogisch nicht jeder Steuerrückstand gleich zur Unzuverlässigkeit eines Antragstellers führen. Im Gegenteil: Auseinandersetzungen mit dem Finanzamt über den Umfang steuerlicher Verpflichtungen gehören für viele Unternehmen zur Tagesordnung. Vor diesem Hintergrund stellt selbst die Bundesagentur für Arbeit auf S. 62 der Fachlichen Weisungen Arbeitnehmerüberlassungsgesetz für die Zuverlässigkeit eines Antragstellers nur darauf ab, ob Rückstände bei der Lohnsteuer bestehen:
„Der Verleiher muss nachweisen, dass er über die zur Erfüllung seiner Arbeitgeberpflichten erforderliche Betriebsorganisation verfügt. […] Auf jeden Fall muss die ordnungsgemäße Abrechnung des Arbeitsentgelts, die Abführung der Lohnsteuer [Hervorhebung AMETHYST] und der Sozialversicherungsbeiträge, die Einhaltung der entsprechenden Melde‑, Anzeige- und Auskunftspflichten und die Überwachung des Arbeitsschutzes in den Entleihbetrieben gewährleistet sein.“ (FW S. 62, 3.1.4)
Über weitere Steuerarten steht dort aus guten Gründen: nichts.
Kommentar
Diese Rechtsauffassung wird in der Praxis nicht immer von der Bundesagentur für Arbeit geteilt. Dennoch zahlt sich beharrliches Argumentieren hier regelmäßig aus. Noch wichtiger ist aber etwas anderes: zum Streitzeitpunkt, also im Widerspruchsverfahren oder im Eilverfahren, ist eine formal und rechtlich saubere Unbedenklichkeitsbescheinigung vorzulegen. Wer dies kann, hat gute Aussichten, dass seine Erlaubnis fortbesteht. So wurde kürzlich durch die BA eine Erlaubnis in einem von uns betreuten Eilverfahren vor dem SG Gelsenkirchen (wieder) erteilt (S 27 AL 237/24), nachdem unsere Mandantin diese Bescheinigung vorlegen konnte.
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