9. Dezember 2011

Pflicht zur Sozialauswahl auch bei Arbeitnehmerüberlassung

Hes­sis­ches Lan­desar­beits­gericht — 09.12.2011 — 10 Sa 438/11 | Ein Arbeit­nehmer, der über eine Zeitar­beits­fir­ma zulet­zt einem Kun­den als Flugzeugreini­ger über­lassen wurde, wurde dort nicht mehr benötigt. Der AG ver­suchte, den Mann einem anderen Kun­den zu ver­mit­teln – ohne Erfolg. Darauf folge die betrieb­s­be­d­ingte Kündi­gung, gegen die der Arbeit­nehmer Ein­spruch erhob. Vor allem sah er die Kündi­gung als unwirk­sam an, weil keine Sozialauswahl mit noch bei dem Kun­den beschäftigten Arbeit­nehmern durchge­führt wor­den sei. Das LAG nahm eine Pflicht zur Sozialauswahl an; der Kunden­wunsch nach Tren­nung von einem bes­timmten Mitar­beit­er sei irrelevant.

Tenor

Die Beru­fung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeits­gerichts Frank­furt am Main vom 09. Feb­ru­ar 2011 – 9 Ca 7012/10 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revi­sion wird zugelassen.

Tatbe­stand

Die Parteien stre­it­en darüber, ob das Arbeitsver­hält­nis zwis­chen ihnen auf­grund ordentlich­er Kündi­gung der Beklagten been­det wurde, sowie über die Weit­erbeschäf­ti­gung des Klägers.

Der am 01. Jan­u­ar 1969 geborene, ver­heiratete Kläger ist seit dem 01. Okto­ber 2004 zunächst bei der Rechtsvorgän­gerin der Beklagten und mit Arbeitsver­trag vom 17. Juni 2010 (Blatt 5 bis 9 d. A.) bei der Beklagten zu ein­er durch­schnit­tlichen Brut­tomonatsvergü­tung in Höhe von Euro 1.500,00 beschäftigt. Mit Schreiben vom 29. Juni 2010 bestätigte die Beklagte die Anrech­nung des Vorar­beitsver­hält­niss­es des Klägers (Blatt 10 d. A.). Der Kläger ist für die Beklagte gemäß § 2 des Arbeitsver­trages als männliche Hil­f­skraft und ausweis­lich des Tatbe­standes des erstin­stan­zlichen Urteils als Flugzeu­greiniger tätig. Der Kläger war zulet­zt als Flugzeu­greiniger am Flughafen A. und seit dem 01. Juli 2010 als Vorar­beit­er einge­set­zt (vgl. Blatt 80 d. A.).

Die Beklagte betreibt gewerbliche Arbeit­nehmerüber­las­sung und ver­fügt über ver­schiedene Nieder­las­sun­gen in Deutsch­land. In der Nieder­las­sung in A. waren zum Zeit­punkt des Kündi­gungszu­gangs 144 Arbeit­nehmer beschäftigt. Die Beklagte hat am B. 2 Kun­den, näm­lich die C. und die D.. Die Fir­ma C. ist eine Schwest­erge­sellschaft der Beklagten. Im Arbeit­nehmerüber­las­sungsver­trag zwis­chen der Beklagten und der C., wegen dessen Inhalt auf Blatt 35 bis 36 d. A. Bezug genom­men wird, ist unter Zif­fer 2. geregelt, dass der Ver­lei­her dem Entlei­her bis zu 150 Arbeit­nehmer zur Tätigkeit als Hil­f­skraft begin­nend mit dem 01. Juli 2010 über­lässt. In der Rah­men­vere­in­barung Arbeit­nehmerüber­las­sung zwis­chen der Beklagten und der Fir­ma D., wegen dessen Inhalt auf Blatt 27 bis 34 d. A. Bezug genom­men wird, ist unter § 12 unter anderem geregelt, dass ein Aus­tausch von Mitar­beit­ern nur im Ein­vernehmen mit der Fir­ma D. vorgenom­men wer­den kann. Die Beklagte hat keine weit­eren Kunden.

Der Kläger war zulet­zt der Fir­ma C. als Flugzeu­greiniger am Flughafen A. überlassen.

Am 27. und am 29. Sep­tem­ber 2010 erk­lärte ein Mitar­beit­er der Fir­ma C. gegenüber dem Nieder­las­sungsleit­er der Beklagten, dass man unter anderem den Kläger nicht mehr benötige und zum 08. Okto­ber 2011 abmelde. Mit E-?Mail vom 07. Okto­ber 2011 wurde das schriftlich bestätigt (Blatt 71 d. A.).

In der Fol­gezeit fragte die Beklagte bei der Fir­ma D. nach, ob ein Ein­satz der bei der Fir­ma C. abgemelde­ten Arbeit­nehmer bei ihr in Frage käme. Mit Schreiben ohne Datum (Blatt 72 d. A.) teilte die Fir­ma D. der Beklagten mit, dass eine Umset­zung nicht durch­führbar sei.

Mit Schreiben vom 30. Sep­tem­ber 2010 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger beste­hende Arbeitsver­hält­nis ordentlich, betrieb­s­be­d­ingt zum 31. Dezem­ber 2010.

Mit sein­er am 12. Okto­ber 2010 beim Arbeits­gericht einge­gan­genen, der Beklagten am 30. Okto­ber 2010 zugestell­ten Klageschrift hat sich der Kläger gegen die Kündi­gung gewandt und in der Fol­gezeit seine Weit­erbeschäf­ti­gung begehrt.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündi­gung sei unwirk­sam. Er hat behauptet, die Beklagte habe nur die Arbeitsver­hält­nisse der­jeni­gen Arbeit­nehmer gekündigt, die mit Hil­fe der Gew­erkschaft E. eine Betrieb­sratswahl ini­ti­iert hät­ten. Der Beklagten seien die Ini­tia­toren der Betrieb­sratswahl namentlich bekan­nt gewe­sen. Der Kläger hat behauptet, sein Arbeit­splatz sei nicht dauer­haft wegge­fall­en, da die C. zum 01. Jan­u­ar 2011 Neuaufträge unter anderem von den Fir­men F. und der Fir­ma G. gewon­nen habe. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündi­gung sei auch deshalb unwirk­sam, da die Beklagte keine Sozialauswahl vorgenom­men habe. Gründe, warum eine Sozialauswahl im Hin­blick auf die bei der Fir­ma C. einge­set­zten Arbeit­nehmer nicht hätte durchge­führt wer­den kön­nen, seien nicht erkennbar.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwis­chen den Parteien beste­hende Arbeitsver­hält­nis nicht durch die Kündi­gung vom 30. Sep­tem­ber 2010 aufgelöst wor­den ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum recht­skräfti­gen Abschluss des Kündi­gungss­chutzver­fahrens zu unverän­derten arbeitsver­traglichen Bedin­gun­gen als Flugzeu­greiniger im Betrieb B. weit­er zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Kündi­gung sei durch drin­gende betriebliche Erfordernisse sozial gerecht­fer­tigt. Die Geschäfts­führerin der Beklagten habe im Sep­tem­ber 2010 die unternehmerische Entschei­dung getrof­fen, die Arbeitsver­hält­nisse der von der Fir­ma C. namentlich abgemelde­ten Arbeit­nehmer, so auch das Arbeitsver­hält­nis des Klägers, zu kündi­gen. Eine Sozialauswahl sei nicht durchzuführen, da die Beklagte an den Kun­den­wun­sch der Fir­ma C. gebun­den sei und andern­falls ein Auf­tragsver­lust dro­he. Die Beklagte hat behauptet, die Kündi­gung stünde in keinem Zusam­men­hang mit der beab­sichtigten Betrieb­sratswahl. Auf kein­er der Ein­ladun­gen von E. zur Wahlver­samm­lung seien Arbeit­nehmer der Beklagten namentlich benan­nt wor­den, weshalb die Beklagte nicht gewusst habe, wer für die Wahl kan­di­dieren werde.

Mit Urteil vom 09. Feb­ru­ar 2011 – 9 Ca 7012/10 – hat das Arbeits­gericht Frank­furt am Main der Klage stattgegeben. Es hat unter anderem aus­ge­führt, dass offen gelassen werde, ob die Kündi­gung gemäß § 20 BetrVG i. V. m. § 134 BGB wegen Behin­derung der Betrieb­sratswahl oder gemäß § 612 a BGB wegen Maßregelung unwirk­sam sei. Die von der Beklagten aus­ge­sproch­ene Kündi­gung sei jeden­falls deshalb unwirk­sam, da keine ord­nungs­gemäße Sozialauswahl durchge­führt wor­den sei. Die Beklagte hätte eine Sozialauswahl unter den an die Fir­ma C. über­lasse­nen Arbeit­nehmern durch­führen müssen, da der Arbeit­nehmerüber­las­sungsver­trag zwis­chen der Beklagten und der Fir­ma C. nicht vorse­he, dass ein Aus­tausch der Mitar­beit­er nur im Ein­vernehmen erfol­gen könne. Es seien zudem die Voraus­set­zun­gen ein­er soge­nan­nten Druck­kündi­gung nicht erfüllt, da die Beklagte nicht behaupte, dass die Fir­ma C. die Kündi­gung des Arbeitsver­hält­niss­es des Klägers ver­langt habe und die Beklagte sich zudem nicht schützend vor den Kläger gestellt habe. Da die Kündi­gung unwirk­sam sei, sei der Kläger weit­er zu beschäftigen.

Dieses Urteil ist der Beklagten am 28. Feb­ru­ar 2011 zugestellt wor­den. Die Beru­fung der Beklagten ist am 25. März 2011 und die Beru­fungs­be­grün­dung nach rechtzeit­iger Ver­längerung der Beru­fungs­be­grün­dungs­frist bis zum 30. Mai 2011 am sel­ben Tag bei Gericht eingegangen.

Die Beklagte wen­det sich gegen das erstin­stan­zliche Urteil und ist der Ansicht, dass das Arbeitsver­hält­nis der Parteien durch die Kündi­gung der Beklagten aufgelöst wor­den sei. Nach der Recht­sprechung des Bun­de­sar­beits­gerichts reicht­en zwar kurzfristige Auf­tragslück­en nicht aus, um eine betrieb­s­be­d­ingte Kündi­gung zu recht­fer­ti­gen. Im vor­liegen­den Fall läge jedoch keine kurzfristige Auf­tragslücke vor, vielmehr habe die Beklagte bis­lang keine Neue­in­stel­lung von Arbeit­nehmern vorgenom­men und auch keine neuen Kun­den anwer­ben kön­nen, weshalb sich die Kündi­gungsentschei­dung ex post als richtig erweise. Die Beklagte behauptet, die Fir­ma C. habe den Kläger abgemeldet, weil kein Beschäf­ti­gungs­be­darf mehr für ihn vorhan­den gewe­sen sei und die Fir­ma C. im Rah­men der Fusion von ver­schiede­nen Air­lines selb­st Per­son­al eingestellt habe. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewe­sen, gegenüber dem Kläger eine Änderungskündi­gung an andere Stan­dorte auszus­prechen, da an anderen Stan­dorten kein Arbeit­splatz frei gewe­sen sei. Im Rah­men der Sozialauswahl sei zu berück­sichti­gen, dass die Fir­ma C. keinen Aus­tausch der beschäftigten Lei­har­beit­nehmer gewün­scht habe und die Fir­ma C. ger­ade den Kläger namentlich abgemeldet habe. Im Übri­gen seien 9 mit dem Kläger ver­gle­ich­bare Arbeit­nehmer (ohne die eigen-?/gekündigten Arbeit­nehmer) nach dem 02. Juli 2008 eingestellt wor­den. Wegen der Sozial­dat­en dieser Arbeit­nehmer sowie der Sozial­dat­en gekündigter Arbeit­nehmer wird auf Seite 12 des Schrift­satzes der Beklagten vom 30. Mai 2011 (Blatt 145 d. A.) Bezug genom­men. Der tit­ulierte Weit­erbeschäf­ti­gungsanspruch bestünde nicht, da der Kläger wed­er bei der Fir­ma D. noch bei der Fir­ma C. einge­set­zt wer­den könne und zumin­d­est eine einsatzfreie/verleihfreie Zeit bestünde.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeits­gerichts Frank­furt am Main vom 09.02.2011 (9 Ca 7012/10) abzuän­dern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Beru­fung zurückzuweisen.

Der Kläger vertei­digt das erstin­stan­zliche Urteil und ist der Ansicht, betriebliche Gründe, die die Kündi­gung recht­fer­ti­gen kön­nten, bestün­den nicht, da ein Arbeit­srück­gang nicht dar­ge­tan sei. Der Auf­trag mit der Fir­ma C. beste­he nach wie vor, wonach die Beklagte 150 Arbeit­nehmer über­lassen könne. Die Wirk­samkeit der Kündi­gung scheit­ere auch an der nicht durchge­führten Sozialauswahl. Aus der von der Beklagten vor­ge­tra­ge­nen Arbeit­nehmerüber­sicht ergäbe sich, dass der Kläger schutzwürdi­ger sei als alle anderen ungekündigten Arbeit­nehmer. Die Voraus­set­zun­gen ein­er Druck­kündi­gung habe die Beklagte nicht dar­ge­tan, da allein die Abmel­dung des Klägers durch die Fir­ma C. insoweit nicht aus­re­ichend sei. Da die Beklagte verpflichtet und berechtigt sei, bis zu 150 Arbeit­nehmer an die Fir­ma C. zu über­lassen, könne sie auch den Kläger wie beantragt entsprechend weit­er beschäftigen.

Wegen der weit­eren Einzel­heit­en des Beru­fungsvor­brin­gens der Parteien wird auf den Inhalt der Beru­fungss­chrift­sätze Bezug genommen.

Entschei­dungs­gründe

Die Beru­fung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeits­gerichts Frank­furt am Main ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft. Die Beklagte hat sie auch form- und frist­gerecht ein­gelegt und begrün­det, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519 ZPO.

In der Sache hat die Beru­fung der Beklagten keinen Erfolg, denn das Arbeitsver­hält­nis der Parteien ist durch die ordentliche Kündi­gung der Beklagten vom 30. Sep­tem­ber 2010 nicht zum 31. Dezem­ber 2010 been­det wor­den. Diese Kündi­gung ist sozial nicht gerecht­fer­tigt. Das hat bere­its das Arbeits­gericht zutr­e­f­fend festgestellt.

Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündi­gung unter anderem dann sozial gerecht­fer­tigt, wenn sie durch drin­gende betriebliche Erfordernisse, die ein­er Weit­erbeschäf­ti­gung des Arbeit­nehmers in diesem Betrieb ent­ge­gen ste­hen, bed­ingt ist. Der Weg­fall des Arbeit­splatzes kann ein solch­er drin­gen­der betrieb­s­be­d­ingter Grund sein. Es erscheint fraglich, ob die Beklagte hin­re­ichend dargelegt hat, dass im Zeit­punkt des Zugangs der Kündi­gung ein Arbeit­splatz für den Kläger nicht zur Ver­fü­gung stand. Die Beklagte beruft sich insoweit darauf, dass die Fir­ma C. am 27. und 29. Sep­tem­ber 2010 mit­geteilt habe, dass sie den Kläger zum 08. Okto­ber 2010 abmelde. Es sind jedoch keine Fak­ten ersichtlich, auf­grund der­er die Beklagte schließen kon­nte, dass die Fir­ma C. den Kläger auf Dauer nicht mehr ein­set­zen wollte bzw. kon­nte. Von daher hätte sie den Kläger zunächst in die ver­lei­h­freie Zeit übernehmen und ver­suchen müssen, entwed­er bei der Fir­ma C. oder bei neu anzuwer­ben­den Kun­den Ein­satzmöglichkeit­en für den Kläger zu schaf­fen. Es ist darüber hin­aus auch nicht ersichtlich, wann die Beklagte ver­sucht hat, mit der Fir­ma D. wegen ein­er Beschäf­ti­gungsmöglichkeit des Klägers Kon­takt aufzunehmen und wann diese Beschäf­ti­gungsmöglichkeit endgültig gescheit­ert ist. Die Beklagte wäre jedoch zunächst verpflichtet gewe­sen, alle Beschäf­ti­gungsmöglichkeit­en auszu­loten, bevor sie das Arbeitsver­hält­nis kündigt. Die bere­its am 30. Sep­tem­ber 2010, mithin 3 Tage nach der Ankündi­gung der Fir­ma H., den Kläger abmelden zu wollen, aus­ge­sproch­ene Kündi­gung ist vor­eilig aus­ge­sprochen worden.

Doch auch wenn man das anders sehen wollte und davon aus­gin­ge, dass sich bei Ex-?Post-?Betrachtung die von der Beklagten am 30. Sep­tem­ber 2010 angestellte Prog­nose, dass sich für den Kläger keine Beschäf­ti­gungsmöglichkeit find­en wird, als zutr­e­f­fend her­aus­gestellt hat, ergibt sich im Ergeb­nis nichts anderes. Die Beklagte hat näm­lich soziale Gesicht­spunk­te im Sinn des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht hin­re­ichend berück­sichtigt. Danach ist die Kündi­gung eines Arbeit­nehmers aus drin­gen­den betrieblichen Grün­den auch dann sozial ungerecht­fer­tigt, wenn der Arbeit­ge­ber bei der Auswahl des Arbeit­nehmers die Dauer der Betrieb­szuge­hörigkeit, das Leben­salter, die Unter­halt­spflicht­en und die Schwer­be­hin­derung des Arbeit­nehmers nicht oder nicht aus­re­ichend berück­sichtigt hat; auf Ver­lan­gen des Arbeit­nehmers hat der Arbeit­ge­ber dem Arbeit­nehmer die Gründe anzugeben, die zu der getrof­fe­nen sozialen Auswahl geführt haben.

Die Beklagte geht davon aus, dass eine Sozialauswahl nicht durchzuführen gewe­sen sei, da sie die Arbeitsver­hält­nisse sämtlich­er Arbeit­nehmer, die von der Fir­ma H. „abgemeldet“ wur­den, gekündigt habe. Eine Ver­gle­ich­barkeit mit den bei der Fir­ma D. einge­set­zten Arbeit­nehmern bestünde nicht, da insoweit auf­grund des Über­las­sungsver­trages ein Aus­tausch nur ein­vernehm­lich erfol­gen könne und ein solch­es Ein­vernehmen nicht erzielt wor­den sei. Ein Ver­gle­ich mit den bei der Fir­ma H. verbliebe­nen Arbeit­nehmern sei nicht möglich, da die Fir­ma H. ger­ade den Kläger zurück gegeben habe.

Dieser Ansicht der Beklagten fol­gt das Gericht nicht. Insoweit kann zu Gun­sten der Beklagten unter­stellt wer­den, dass eine Sozialauswahl hin­sichtlich der bei der Fir­ma D. beschäftigten Arbeit­nehmer jeden­falls nach der ablehnen­den Mit­teilung dieser Fir­ma (Blatt 72 d. A.) nicht in Betra­cht kommt.

Die Beklagte hätte allerd­ings eine Sozialauswahl hin­sichtlich der bei der Fir­ma H. beschäftigten Arbeit­nehmer durch­führen müssen. Mit dem Bun­de­sar­beits­gericht wird davon aus­ge­gan­gen, dass eine Ver­mu­tung dafür spricht, dass die sozialen Gesicht­spunk­te bei der Auswahl der zu kündi­gen­den Arbeit­nehmer nicht aus­re­ichend berück­sichtigt wor­den sind, wenn der Arbeit­ge­ber den über­wiegen­den Teil der Belegschaft aus betrieb­stech­nis­chen Grün­den generell von der Aus­tauschbarkeit aus­nimmt und die Sozialauswahl auf den verbliebe­nen Teil der Rest­belegschaft beschränkt (BAG 05.12.2002 – 2 AZR 697/01 – EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 52). Die Beklagte hat sämtliche nach wie vor bei der Fir­ma H. einge­set­zten Arbeit­nehmer, ins­beson­dere auch jene im Schrift­satz vom 30. Mai 2011 (Blatt 145 d. A.) aufge­führten 9 Arbeit­nehmer von der Sozialauswahl ausgenom­men, welche von den Sozial­dat­en her deut­lich weniger schutzwürdig sind als der Kläger. Der Ver­gle­ich­barkeit ste­ht nicht ent­ge­gen, dass diese Arbeit­nehmer bei der Fir­ma H. einge­set­zt sind, wohinge­gen der Kläger abgemeldet wurde. Würde man die bloße „Abmel­dung“ aus­re­ichen lassen, um eine betrieb­s­be­d­ingte Kündi­gung zu begrün­den, kön­nte ein Betrieb, der Arbeit­nehmerüber­las­sung betreibt und der sein Geschäftsmod­ell auf das Ver­lei­hen von Arbeit­nehmern an 1 oder 2 Kun­den beschränkt, die Voraus­set­zun­gen des Kündi­gungss­chutzge­set­zes ohne Weit­eres unter­laufen. Jeden­falls dann, wenn keine beson­deren ver­traglichen Vere­in­barun­gen zwis­chen Ver­lei­her und Entlei­her beste­hen, wie das vor­liegend zwis­chen der Beklagten und der Fir­ma H. der Fall ist, man­gelt es nicht an der Ver­gle­ich­barkeit der einge­set­zten und der nicht einge­set­zten Lei­har­beit­nehmer. Wie das Hes­sis­che LAG aus­ge­führt hat, ist es zwar bis zur Gren­ze der Geset­ze­sumge­hung oder des Rechtsmiss­brauchs rechtlich zuläs­sig, infolge einzelver­traglich­er Regelun­gen der ordentlichen Unkünd­barkeit den unkünd­baren Arbeit­nehmer aus der Sozialauswahl her­auszunehmen (Hess. LAG 29.04.2010 – 9 Sa 1830/09 – juris). Eine solche Regelung, mit der einzelne Arbeit­nehmer vor dem Ausspruch ein­er ordentlichen Kündi­gung geschützt wer­den sollen, ist vor­liegend jedoch nicht gegeben. Es geht vielmehr um die Frage, ob eine Ein­beziehung der einge­set­zten Lei­har­beit­nehmer daran scheit­ert, dass das Direk­tion­srecht der Beklagten infolge ver­traglich­er Bindun­gen der­art eingeschränkt ist, dass ein Ein­satz des Klägers anstelle eines ver­gle­ich­baren ver­liehenen Arbeit­nehmers aus­geschlossen ist. In der Lit­er­atur wird insoweit angenom­men, dass eine Aus­tauschbarkeit aus­geschlossen ist, wenn der Arbeit­ge­ber im Über­las­sungsver­trag vor­sieht, dass ein bes­timmter namentlich benan­nter Lei­har­beit­nehmer über­lassen wird, weil es dem Entlei­her auf per­sön­liche und fach­liche Gesicht­spunk­te beson­ders ankommt. Eine Aus­tauschbarkeit sei nur gegeben, wenn der Arbeit­nehmer im Über­las­sungsver­trag diesen Aus­tausch zulasse (Hess. LAG 29.04.2010 – 9 Sa 1830/09 – a. a. O.). Ein solch­er Auss­chluss des Ein­satzes ergibt sich aus dem Ver­trag mit der Fir­ma H. nicht. Der Beklagten ist es ver­wehrt, sich auf die bloße „Abmel­dung“ zu berufen. Die Beklagte muss sich vielmehr, um ihren Pflicht­en nach dem Kündi­gungss­chutzge­setz gerecht zu wer­den, bei ihrem Ver­tragspart­ner erkundi­gen, welche per­so­n­en-?, ver­hal­tens- oder betrieb­s­be­d­ingten Gründe ein­schließlich der Sozialauswahl der Abmel­dung des Klägers gegebe­nen­falls zugrunde liegen.

Der Kläger ist auch entsprechend dem Arbeitsver­trag weit­er zu beschäfti­gen. Dabei ist es der Beklagten unbenom­men, wenn ein Ein­satz als Flugzeu­greiniger nicht möglich ist, den Kläger entsprechend dem Arbeitsver­trag in eine einsatz-?/verleihfreie Zeit zu übernehmen.

Die Beklagte trägt die Kosten ihrer Beru­fung, da ihr Rechtsmit­tel keinen Erfolg hat, § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revi­sion wird gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.