19. Januar 2012
Aussetzung von Equal-Pay-Verfahren ist nicht der Standard, sondern das letzte Mittel
LArbG Berlin-Brandenburg — 19.01.2012 — 24 Ta 2405/11 | Eine Aussetzung von Equal-Pay-Klagen gem. § 97 Abs. 5 ArbGG ist nur statthaft, wenn allein noch die Frage der Tariffähigkeit entscheidungserheblich ist. Kann eine Klage aus sonstigen Gründen abgewiesen werden, z.B. wegen Verjährung, unzureichender Begründung etc., darf der Rechtsstreit nicht ausgesetzt werden.
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 27.10.2011 – 23 Ca 10751/11 – aufgehoben.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Das Arbeitsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Rechtsstreit, in dem der Kläger Entgeltdifferenzen gem. § 9 Nr. 2 AÜG i.V.m. § 10 Abs. 4 AÜG begehrt, ausgesetzt, weil die Entscheidung des Rechtsstreits von der Vorfrage abhänge, ob die CGZP zum Entscheidungszeitraum tariffähig gewesen sei. Die Frage der Tariffähigkeit der CGZP sei entscheidungserheblich, weil dem Kläger der geltend gemachte Anspruch nur zustehe, wenn sein Arbeitsverhältnis nicht tariflichen Bestimmungen unterlegen habe, die eine Abweichung vom „equal pay“ — Grundsatz zuließen.
II.
Die Beschwerde ist begründet. Dem angefochtenen Beschluss lässt sich nicht entnehmen, dass die Entscheidung in dem Rechtsstreit allein noch von der Frage der Tariffähigkeit abhinge. Nur dann bestünde die Notwendigkeit einer Aussetzung des Rechtsstreits nach § 97 Abs. 5 ArbGG.
1. Nach § 97 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. ArbGG hat das Gericht einen Rechtsstreit bis zur Erledigung des in § 2 a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG vorgesehenen Beschlussverfahrens auszusetzen, wenn die Entscheidung davon abhängt, ob eine Vereinigung tariffähig ist. Diese Bestimmung stellt nach ihrem eindeutigen Wortlaut darauf ab, dass es auf die Frage der Tariffähigkeit tatsächlich ankommt, nicht darauf, ob es auf die Tariffähigkeit möglicherweise ankommen könnte. Dies entspricht auch dem besonderen arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgebot, das in § 9 Abs. 1 ArbGG vorgesehen ist. Ein Abwarten bis zur rechtskräftigen Erledigung des Beschlussverfahrens ist hiernach den Parteien des Ausgangsrechtsstreites nicht zuzumuten, wenn der Rechtsstreit auf einer anderen Basis – notfalls auch nach Beweisaufnahme – ohne Klärung der Tariffähigkeit einer Vereinigung entschieden werden kann (BAG 28.01.2008 – 3 AZB 30/07 – NZA 2008,489).
2. Nach diesen Grundsätzen durfte das Arbeitsgericht mit der von ihm gegebenen Begründung den Rechtsstreit (noch) nicht aussetzen.
Den Beschlussgründen kann nicht entnommen werden, dass es für eine Sachentscheidung allein noch auf die Frage der Tariffähigkeit der CGZP ankommt. Das Gericht hätte sich dazu verhalten müssen, dass der Klage im Falle der Tarifunfähigkeit der CGZP ohne weiteres stattgegeben werden müsste. In diesem Zusammenhang hätte sich das Arbeitsgericht mit allen im Zusammenhang mit den Auswirkungen einer Tarifunfähigkeit der CGZP aufgeworfenen Rechtsfragen (z. B. das Verbot der echten Rückwirkung, das Gebot des Vertrauensschutzes) sowie der Frage des etwaigen Erlöschens der Klageforderung durch Nichteinhaltung der arbeitsvertraglichen bzw. tariflichen Ausschlussfrist auseinandersetzen müssen. Es würde nämlich zu einer für den Kläger nicht hinnehmbaren Verzögerung einer Sachentscheidung führen, wenn das Gericht erst nach Eintritt der Rechtskraft der gerichtlichen Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP in dem Verfahren 24 TaBV 1285/11 u.a. damit begönne, die erforderlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen und die verbleibenden Rechtsfragen zu klären, die für den Erfolg der Klage erforderlich sind. Die Aussetzung des Rechtsstreites nach § 97 Abs. 5 ArbGG dient ausschließlich der einheitlichen Beurteilung der Vorfrage der Tariffähigkeit einer Vereinigung, nicht aber der Verzögerung einer Sachentscheidung.
III.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde waren nicht gegeben.