Neue Fachliche Weisungen zum AÜG
Die Bundesagentur für Arbeit hat am 15.10.2024 nach fünfjähriger Pause neue Fachliche Weisungen (FW) zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) veröffentlicht. Die Änderungen in den fachlichen Weisungen betreffen sehr viele Details. Einige wichtige Punkte haben wir nachfolgend herausgegriffen.
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Schriftform und Konkretisierung
Obwohl die gesetzlichen Änderungen im Hinblick auf die Schriftform von Arbeitnehmerüberlassungsverträgen bereits beschlossen sind, gehen die fachlichen Weisungen hierauf noch nicht ein.
AMETHYST-Kommentar
Da die Neuregelung erst am 01.01.2025 in Kraft treten wird, ist das auf der einen Seite verständlich; auf der anderen Seite hätte die Praxis sich hierzu schon etwas Orientierung gewünscht. Immerhin hat die Bundesagentur für Arbeit ihre bereits seit längerer Zeit geübte Praxis bestätigt, dass eine Konkretisierung der Arbeitnehmerüberlassung in Textform möglich ist, wenn diese sich nur auf die Nennung des einzelnen Arbeitnehmers bezieht und sämtliche in § 12 Abs. 1 AÜG genannten Inhalte bereits im Überlassungsvertrag enthalten sind, der seinerseits der Schriftform unterliegt (S. 24).
AN
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„Employer of Record“
Der Begriff „Employer of Record“ bezeichnet Sachverhalte, in denen ein Unternehmen mit Sitz im Ausland Arbeitnehmer beschäftigt, um deren Arbeitsleistung einem inländischen Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Dabei wird die Arbeitsleistung ausschließlich im Ausland erbracht — für ein inländisches Unternehmen als Kunden.
AMETHYST-Kommentar
Diese Vertragsmodelle geraten nun auch offiziell ins Visier der Bundesagentur und sollen zukünftig als Arbeitnehmerüberlassung eingestuft werden. Vom sog. Territorialitätsprinzip will die Bundesagentur also vorerst nichts mehr wissen. Dieses galt bislang sowohl in der Arbeitnehmerüberlassung als auch zum Beispiel im Recht der Sozialversicherung (§ 9 SGB IV). Danach gilt als Beschäftigungsort der Ort, an dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird. Zukünftig soll es jedoch genügen, wenn der Leistungserfolg auf „einem deutschen Server“ eintritt, auch wenn der Arbeitnehmer Deutschland niemals im Zusammenhang mit seiner Arbeitstätigkeit betritt.
Wörtlich heißt es in den FW in Ziffer 1.1.1. Abs. 3 [Hervorhebungen: AMETHYST]:
„Um den Schutz des Teilarbeitsmarkts Arbeitnehmerüberlassung zu wahren, kann bei Arbeitsleistungen, die ortsunabhängig ausschließlich im Homeoffice bzw. als ausschließliche Telearbeit erbracht werden, nicht allein darauf abgestellt werden, wo sich der Leiharbeitnehmer rein körperlich befindet. Erlaubnisrechtlich ist entscheidend, ob die Überlassung Inlandsbezug aufweist. Das ist bei ortsunabhängigen Arbeitsleistungen regelmäßig der Fall, wenn […] der Leiharbeitnehmer [Anm.: aus dem Ausland] virtuell für einen inländischen Entleiher tätig wird.“
Das dürfte insbesondere die IT–Branche brennend interessieren.
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Bitte beachten Sie: Unternehmen, auf die dieser Sachverhalt zutrifft, die aber noch keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung haben, sollten dies rasch ändern und entsprechende weitere Dienstleistungen und Handlungen vorerst unterlassen.
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Finanzielle Leistungsfähigkeit von Erlaubnisinhabern
Erhöht hat die Bundesagentur für Arbeit auch die Anforderungen an die finanzielle Leistungsfähigkeit. Nun heißt es [Hervorhebungen: AMETHYST]:
„Auf jeden Fall muss sichergestellt sein, dass der Verleiher in der Lage ist, seinen Verpflichtungen zur Zahlung von Arbeitsentgelt, Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern nachzukommen. In der Regel sind liquide Mittel in Höhe von 3.000,00 EUR je Leiharbeitnehmer, mindestens jedoch 15.000,00 EUR erforderlich.“ (S. 61)
AMETHYST-Kommentar
Nach diversen Lohnerhöhungen in den letzten Jahren ist diese Erhöhung zunächst sicherlich nachvollziehbar. Die Praxis steht aber meistens vor einem ganz anderen Problem, nämlich vor der Frage, ob auch für jede Teilzeitkraft 3.000,00 EUR an finanzieller Leistungsfähigkeit erforderlich sind. Unternehmen, die viel mit Minijobbern arbeiten, kommen so schon sehr schnell auf Beträge, die sie nicht mehr nachweisen können. Hier benötigt es in der Praxis immer erhebliche Überzeugungsarbeit, damit die BA die 3.000,00 EUR lediglich pro Vollzeitäquivalent und nicht für die absolute Zahl an Arbeitnehmern verlangt. Das gelingt oft nur unter großen Schwierigkeiten. In diesem Punkt wäre eine entsprechende Klarstellung wünschenswert gewesen.
JH