26. Mai 2025

Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung

Deutliche Worte aus Berlin zur Versagung der AÜ-Erlaubnis

Das Lan­dessozial­gericht Berlin-Bran­den­burg hat am 13.03.2025 (L 32 AL 5/25 B ER) in einem durch unsere Kan­zlei geführten Ver­fahren eine zunächst ver­sagte Erlaub­nis zur Arbeit­nehmerüber­las­sung zurück­gewährt. Dabei hat sich das Gericht in erfreulich­er Klarheit zu einzel­nen Punk­ten geäußert, die mit der Bun­de­sagen­tur für Arbeit sehr häu­fig im Stre­it stehen.

 

Zum Sachverhalt

Unsere Man­dan­tin, die Antrag­stel­lerin, ist ein Bewachung­sun­ternehmen, betreibt in diesem Zusam­men­hang aber gele­gentlich Arbeit­nehmerüber­las­sung, wobei der Anteil beschäftigter Lei­har­beit­nehmer deut­lich unter 10 % liegt. Die von ihr im Juli 2024 beantragte Ver­längerung ihrer AÜ-Erlaub­nis lehnte die Bun­de­sagen­tur für Arbeit ab, da zahlre­iche Ver­sagen­statbestände nach § 3 AÜG — wieder­holt — vorlägen.

Bei ein­er Betrieb­sprü­fung seien zahlre­iche Ver­stöße fest­gestellt wor­den, u.a. eine sehr unvoll­ständi­ge Gestal­tung der Arbeitsverträge (fehlende Angaben zum Ort der Erlaub­nis­be­hörde), der Arbeit­nehmerüber­las­sungsverträge (fehlende Orig­i­nale, unzure­ichende Konkretisierung, fehlende Tätigkeits­beschrei­bung und Qual­i­fika­tion und zum Equal Pay – Wieder­hol­ungsver­stöße), fehlende/mangelhafte Arbeit­szeit­nach­weise, Nichtein­hal­tung der Kündi­gungs­frist, Über­schre­itung der täglich max­i­malen Arbeit­szeit, fehlende Ruhep­ausen – Wieder­hol­ungsver­stöße. Weit­er gerügt wurde, dass ein Ket­ten­ver­leih auf­grund unzure­ichen­der Infor­ma­tio­nen nicht habe aus­geschlossen wer­den kön­nen, zudem wur­den man­gel­hafte Betriebsorganisation/fehlendes Fach­wis­sen, falsche Auskün­fte gegenüber der Erlaub­nis­be­hörde als Wieder­hol­ungsver­stoß bean­standet. Ein bunter Strauß also….

Die Erteilung ein­er Auflage komme angesichts der vor­liegen­den Umstände und der Vielzahl der Ver­stöße nicht in Betra­cht, so die Bundesagentur.

Durch die Antrag­stel­lerin wurde dage­gen einge­wandt, es han­dele sich nicht um Ver­stöße im „Kern­bere­ich“ des AÜG. Sie wolle an der Aus­räu­mung der Bean­stan­dun­gen mitwirken. Für eine pos­i­tive Prog­nose sprächen ins­beson­dere die von ihr zwis­chen­zeitlich gebucht­en Fort­bil­dun­gen zum The­ma Arbeit­nehmerüber­las­sung.

Das LSG Berlin-Bran­den­burg fol­gte der Argu­men­ta­tion der Antrag­stel­lerin: Ver­stöße im Kern­bere­ich lägen nicht vor, da ins­beson­dere die Löhne immer kor­rekt bezahlt wor­den seien. In Betra­cht komme allen­falls eine Unzu­ver­läs­sigkeit auf­grund ein­er Sum­mierung kleiner­er Ver­stöße gegen arbeit­srechtliche Vorschriften. Auch hier­auf lasse sich eine Unzu­ver­läs­sigkeit jedoch nicht stützen.

Dabei werde nicht verkan­nt, dass die Antrag­stel­lerin wieder­holt und mehrfach gegen arbeit­srechtliche Vorschriften ver­stoßen habe. Miteinzubeziehen in die zum jet­zi­gen Zeit­punkt zu tre­f­fende Prog­noseentschei­dung seien jedoch auch die zwis­chen­zeitlich durch die Antrag­stel­lerin absolvierten Fort­bil­dun­gen zur Arbeit­nehmerüber­las­sung. Die Teil­nahme an diesen Fort­bil­dungsver­anstal­tun­gen zeuge von ihrem Bemühen, kün­fti­gen Bean­stan­dun­gen ent­ge­gen­zuwirken. Durch die Fort­bil­dun­gen dürfte die Antrag­stel­lerin darüber hin­aus ihr Fach­wis­sen hin­sichtlich der Arbeit­nehmerüber­las­sung erweit­ert haben. Insofern sei zu erwarten, dass es kün­ftig jeden­falls zu deut­lich weniger Ver­stößen gegen arbeit­srechtliche Pflicht­en kom­men werde.

Die Frage, weshalb die Antrag­stel­lerin dieses Bemühen nicht bere­its früher gezeigt habe, möge berechtigt sein. Mit der Ver­sa­gung der Erlaub­nis dürfe indes kein in der Ver­gan­gen­heit liegen­des Tun oder Unter­lassen des Ver­lei­hers geah­n­det wer­den. Denn die hin­sichtlich der Zuver­läs­sigkeit zu tre­f­fende Prog­noseentschei­dung sei, auch wenn sie an Umstände der Ver­gan­gen­heit anknüpfe, zukun­fts­gerichtet.

Im Übri­gen sei nicht ersichtlich, weshalb — als milderes, aber gle­ich geeignetes Mit­tel — nicht die Ver­längerung der Erlaub­nis mit Aufla­gen in Betra­cht komme.

Die Inter­essen der Lei­har­beit­nehmer recht­fer­tigten kein anderes Ergeb­nis. Denn es spreche einiges dafür, dass es der Antrag­stel­lerin kün­ftig gelin­gen werde, ihre Pflicht­en im Zusam­men­hang mit der Arbeit­nehmerüber­las­sung im Wesentlichen zu erfüllen.

Der Umstand, dass von den Arbeit­nehmern der Antrag­stel­lerin nur ein klein­er Teil „in der Ver­lei­hung“ sei, ändere an diesem Ergeb­nis nichts. Zugun­sten der Antrag­stel­lerin sei näm­lich auch hier der mit einem Sofortvol­lzug ver­bun­dene Ein­griff in ihre grun­drechtlich geschützte Berufs- und Gewer­be­frei­heit zu berück­sichti­gen. Demge­genüber fie­len die eben­falls grun­drechtlich geschützten Inter­essen der Lei­har­beit­nehmer weniger ins Gewicht.

 

AMETHYST-Kommentar:

Der Beschluss nimmt in erfreulich­er Klarheit zu vie­len strit­ti­gen Rechts­fra­gen Stel­lung, die auch für andere Ver­fahren von Bedeu­tung sind.

 

Kernbereich

Nach der Recht­sprechung des Bun­dessozial­gerichts kommt es für die Ver­sa­gung der Erlaub­nis im Wesentlichen darauf an, dass Ver­stöße im Kern­bere­ich der Arbeit­nehmerüber­las­sung vor­liegen. Damit sind alle ent­gel­trel­e­van­ten Bere­iche gemeint (Lohn inkl. Ent­gelt­fortzahlung, Garantielohn etc.). Obwohl hier zahlre­iche Einzelver­stöße vor­la­gen, gab es keine Bean­stan­dun­gen im Ent­gelt­bere­ich. Zwar kön­nen nach der Recht­sprechung auch viele Einzelver­stöße die Zuläs­sigkeit infrage stellen; das wäre aber detail­liert durch die Erlaub­nis­be­hörde darzulegen.

 

Zukunftsprognose

Zutr­e­f­fend weist das Gericht (wieder ein­mal) darauf hin, dass für die Zuver­läs­sigkeit allein eine Zukun­ft­sprog­nose zu tre­f­fen sei und dass die Ver­sa­gung keinen Bestra­fungscharak­ter für die Ver­gan­gen­heit hat. Ein Umstand, der in der Prü­fung­sprax­is lei­der allzu leicht und allzu oft überse­hen wird. Sehr hil­fre­ich für eine pos­i­tive Zukun­ft­sprog­nose ist es, wenn sich die ver­ant­wortlichen Per­so­n­en betrof­fen­er Erlaub­nis­in­hab­er zusät­zlich schulen und berat­en lassen.

 

Auflage

Deut­lich sagt das Gericht auch, dass die Erlaub­nis­be­hörde stets prüfen müsse, ob nicht eine Aufla­gen­erteilung als milderes Mit­tel vor ein­er Erlaub­nisver­sa­gung in Betra­cht komme.

Die Behör­den­prax­is ver­mei­det die Erteilung von Aufla­gen oft, weil es nicht ein­fach ist, diese recht­skon­form zu for­mulieren. Da der Ver­hält­nis­mäßigkeits­grund­satz die vorherige Aufla­gen­erteilung den­noch ver­langt, wird das zukün­ftig häu­figer erfol­gen müssen.

 

Mischbetrieb

Häu­fig wird in ver­gle­ich­baren Fällen einge­wandt, dass Mis­ch­be­triebe bei ein­er Ver­sa­gung der Erlaub­nis nicht in ihrer Exis­tenz gefährdet seien, weshalb keine unzu­mut­bare Benachteili­gung vor­liege. Somit könne auch ein gerichtlich­er Eilantrag nicht erfol­gre­ich sein. Dem hat das Gericht eine Absage erteilt und klargestellt, dass diese Grund­sätze auch für Mis­ch­be­triebe wie den der Antrag­stel­lerin gelten.

Jörg Hen­nig