5. Januar 2016

Änderung im AÜG — Der Gesetzesentwurf

Der Geset­ze­sen­twurf zum AÜG  geht in wesentlichen Punk­ten der beab­sichtigten Geset­zesän­derung über die Vor­gaben der Koali­tionsvere­in­barung hin­aus. So bleibt – auch angesichts der jüng­sten Äußerun­gen von Angela Merkel – die Hoff­nung, dass es jeden­falls ein „Zurück zur Koali­tionsvere­in­barung“ gibt. Geplant ist, den Entwurf noch vor der Jahreswende zu ver­ab­schieden. Sollte dies nicht gelin­gen, kön­nte die gesamte Umset­zung gefährdet sein, denn es ste­hen Wahlkämpfe an und genau deshalb will die Koali­tion die Ver­ab­schiedung nicht ins kom­mende Jahr schieben. Hier die wesentlichen Änderun­gen im Arbeit­nehmerüber­las­sungs­ge­setz.

a.) Begrenzung der Überlassungsdauer auf 18 Monate

Nicht über­raschend ist die Absicht des BMAS, die Über­las­sung­shöch­st­dauer auf 18 Monate zu begren­zen. Vorherige Über­las­sungszeit­en bei dem­sel­ben oder einem anderen­Per­sonal­dien­stleis­ter wer­den angerech­net, wenn zwis­chen den Ein­sätzen nicht mehr als sechs Monate liegen. Der Geset­zge­ber entschei­det sich somit für die arbeit­nehmer­be­zo­gene Def­i­n­i­tion der Ein­satz­dauer. Der Arbeit­nehmer ist deshalb nach 18 Monat­en auszu­tauschen, während der Arbeit­splatz im Kun­de­nun­ternehmen weit­er­hin mit (anderen) Zeitar­beit­nehmern beset­zt wer­den darf. Diese Regelung war in dieser Form erwartet worden.

b.) Gesetzesentwurf zum AÜG ohne generelle Ausnahme zur 18-Monats-Frist

Nicht erwartet wor­den war allerd­ings die heftig umstrit­tene Aus­nah­meregelung, nach der die 18-Monats­frist ver­längert wer­den kann. Im Gesetz heißt es nun, dass nur in oder auf­grund von Tar­ifverträ­gen in den Kun­den­be­trieben eine Ver­längerung der Höch­stüber­las­sungs­dauer möglich ist. Das schließt natür­lich zwei wesentliche Grup­pen von Arbeit­ge­bern von dieser Ver­längerungsmöglichkeit aus: alle Per­sonal­dien­stleis­ter selb­st und auch alle Kun­de­nun­ternehmen, die nicht tar­ifge­bun­den, d. h. die nicht Mit­glied eines Arbeit­ge­berver­ban­des sind.
Mit Begrif­f­en wie „ver­fas­sungswidrig“ oder „Ver­stoß gegen die neg­a­tive Koali­tions­frei­heit“ ist man ja oft­mals und auch oft zu Unrecht schnell zur Hand. Hier dürften sie allerd­ings berechtigt sein, denn dass ein klein­er Teil von Arbeit­ge­bern sich durch die Tar­if­bindung der Aus­nahme einen entschei­den­den Wet­tbe­werb­svorteil ver­schafft, obwohl es sich bei der Über­las­sung­shöch­st­dauer nicht ein­mal um eine im Kern arbeit­srechtliche Frage han­delt, ist sach­lich durch nichts gerecht­fer­tigt. Ein Über­schre­it­en der Höch­stüber­las­sungs­dauer führt nach dem Entwurf kün­ftig automa­tisch zu einem direk­ten Arbeitsver­hält­nis  des Arbeit­nehmers zum Kun­den­be­trieb. Kun­den­be­treibe dürften deshalb auch stärk­er als bish­er (z. B. bei den Regelun­gen des TV LeiZ) auf die Ein­hal­tung dieser Vor­gabe acht­en, sollte sie tat­säch­lich so umge­set­zt werden.

c.) Equal Treatment

Eben­falls im Koali­tionsver­trag bere­its angekündigt wurde die Gel­tung des Gle­ich­stel­lungs­grund­satzes ab ein­er Über­las­sungs­dauer von neun Monat­en. War im Koali­tionsver­trag jedoch noch von Equal Pay die Rede, ist es nun ein Equal Treat­ment gewor­den, was die Arbeitsstun­den eben­falls grund­los ver­teuert – von dem mit der Ermit­tlung des Ver­gle­ich­sent­gelts ver­bun­de­nen Ver­wal­tungsaufwand ganz abge­se­hen. Die Möglichkeit, aus dem Entwurf Equal-Treat­ment-Leis­tun­gen zu kap­i­tal­isieren, ist dabei nur ein schwach­er Trost und ver­ringert den Aufwand zur Ermit­tlung des Ver­gle­ich­sent­gelts nicht. Selb­st bei Gel­tung der Branchen­zuschlagstar­ifverträge träte nach zwölf Monat­en das Equal Treat­ment in Kraft. Damit wären die in jed­er Hin­sicht erfol­gre­ichen und auch mit Gew­erkschafts­seite abges­timmten Branchen­zuschlagstar­ifverträge weit­ge­hend „erledigt“, da sich ihr Anwen­dungsrah­men erhe­blich ver­ringern würde.
Wie auch bei der Höch­stüber­las­sungs­dauer find­et eine Anrech­nung von vor­ange­gan­genen Ein­satzzeit­en beim sel­ben Kun­den erst nach ein­er Unter­brechungs­dauer von sechs Monat­en nicht mehr statt.

d.) Unzulässigkeit einer „Vorratserlaubnis”

Bis­lang ist es bei einem Fremd­per­son­alein­satz auf werkver­traglich­er Basis üblich, dass der Auf­trag­nehmer vor­sor­glich eine Arbeit­nehmerüber­las­sungser­laub­nis ein­holt. Das ist sin­nvoll. Ger­ade in Grenzbere­ichen ist die Abgren­zung der Ver­trags­for­men schwierig; der Per­sonal­dien­stleis­ter oder Werkun­ternehmer zahlt seinen Arbeit­nehmern ohne­hin densel­ben Lohn, und das einzige Ziel dieser Fir­men ist es, den Über­gang der Arbeitsver­hält­nisse auf das Kun­de­nun­ternehmen zu ver­hin­dern bzw. jede Form von Ille­gal­ität zu ver­mei­den. Das soll nun nicht mehr möglich sein, denn der Geset­zen­twurf sagt, dass nur die offen dargelegte Arbeit­nehmerüber­las­sung als solche gel­ten soll. Wer den Ver­trag nicht „Über­las­sungsver­trag“ nen­nt, riskiert somit, dass alle im Kun­de­nun­ternehmen einge­set­zten Arbeit­nehmer sich dort ein­kla­gen kön­nen, wenn sich ein Ver­trag im Grenzbere­ich – ggf. erst nach Jahren – als „Arbeit­nehmerüber­las­sung“ statt als „Werkver­trag“ her­ausstellt. Eine schw­er zu ver­ste­hende Vorschrift.

e.) Verbot von „Streikbrecher”-Einsätzen

Nach § 10a Abs. 5 AÜG‑E soll kün­ftig einem Kun­den der Ein­satz von Lei­har­beit­nehmern ver­boten wer­den, soweit sein Betrieb unmit­tel­bar durch einen Arbeit­skampf betrof­fen ist. Der Streikein­satz war auf­grund der Tar­ifregelun­gen von iGZ und BAP auch bish­er schon weit­ge­hend eingeschränkt. Anwen­der, die keinen dieser Tar­ifverträge anwen­de­ten, kon­nten Arbeit­nehmer mit ihrer Zus­tim­mung jedoch noch entsprechend beim Kun­den ein­set­zen. Auch die Bedeu­tung dieser Regelung ist nicht zu unter­schätzen. Denn hier­mit geht ein gravieren­der Ein­griff in die Kampf­par­ität bei Arbeit­skämpfen ein­her. So müsste eine Gew­erkschaft in einem Betrieb nur zu einem Streik aufrufen, ohne dass auch nur ein  Arbeit­nehmer dort wirk­lich streikt (z. B. weil es in dem Betrieb kaum Gew­erkschaftsmit­glieder gibt); dies mit der Folge, dass ein Unternehmen, das stark auf Zeitar­beit set­zt, dort alle Zeitar­beit­nehmer freis­tellen muss. Ergeb­nis: Die Gew­erkschaft kann zum Null­tarif streiken. Die Regierungskoali­tion sollte sich über­legen, ob sie das Kräfte­gle­ichgewicht bei Arbeit­skämpfen wirk­lich so mas­siv zulas­ten der Arbeit­ge­ber ver­schieben möchte.

f.) Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer bei Schwellenwerten

Der Entwurf sieht vor, dass Zeitar­beit­nehmer kün­ftig bei allen Schwellen­werten des Betrieb­sver­fas­sungs­ge­set­zes sowie bei den Schwellen­werten der Geset­ze zur unternehmerischen Mitbes­tim­mung mitzählen. Aus­nahme ist lediglich § 112a BetrVG, der Schwellen­werte für einen erzwing­baren Sozialplan bei einem Per­son­al­ab­bau vorsieht.

g.) Inkrafttreten

Das Inkraft­treten ist zum 1. Jan­u­ar 2017 geplant, sodass zumin­d­est ein wenig Zeit verbliebe, um sich mit den Neuregelun­gen auseinanderzusetzen.

AMETHYST-Fazit

Wenig sin­nvolle Regelun­gen, welche die aktuelle Entwick­lung der Recht­sprechung nicht beacht­en (so dürfte die Kop­pelung von Höch­stüber­las­sungs­dauer und Equal Pay mit­tler­weile rechtswidrig sein), praxis­er­probte Regelun­gen grund­los ein­schränken (Regelun­gen über Branchen­zuschläge) und dann noch wesentlich in Tar­i­fau­tonomie und Kampf­par­ität ein­greifen. Etwas Sin­nvolleres hätte man sich aus dem Hause Nahles schon gewün­scht. Bleibt nur zu hof­fen, dass es sich nicht um das zukün­ftige Gesetz handelt.