Employer of record: Erlaubsnispflicht im Ausland?

Ist Arbeitnehmerüberlassung aus dem Ausland ohne Tätigkeit in Deutschland erlaubnispflichtig nach dem AÜG?

Immer häu­figer kommt es vor, dass ein aus­ländis­ches Unternehmen Arbeit­nehmer, etwa IT-Fachkräfte, aus dem Aus­land nach Deutsch­land „über­lässt“. Diese ver­richt­en ihre Arbeit allerd­ings auss­chließlich remote und betreten im Zusam­men­hang mit ihrer Arbeit nie deutschen Boden. Sie sind bei dem aus­ländis­chen Unternehmen angestellt und arbeit­en – wie bei IT-Kräften üblich – zwar weit­ge­hend weisungs­frei, jedoch gibt es min­destens regelmäßige Abstim­mungen mit dem deutschen Auf­tragge­ber. Daher ist im Regelfall von ein­er weisungs­ge­bun­de­nen Tätigkeit im Rechtssinne auszuge­hen, im Unter­schied zur Tätigkeit als Free­lancer. Unter­liegt das Unternehmen den­noch der Erlaub­nispflicht des AÜG?

 

Die rechtlichen Rahmenbedingungen

Nach dem Ter­ri­to­ri­al­ität­sprinzip kann ein Staat seine Staats­ge­walt und sein Recht grund­sät­zlich nur auf Per­so­n­en anwen­den, die sich auf seinem Staat­ster­ri­to­ri­um befind­en. Das Ter­ri­to­ri­al­ität­sprinzip gilt nach all­ge­mein­er Auf­fas­sung (siehe u. a. § 9 Abs. 1 SGB IV sowie FW 2019 1.1.1 (2)) für das Sozialver­sicherungsrecht sowie für das AÜG.

Das AÜG kommt also nur zur Anwen­dung, wenn Arbeit­nehmer zur Erbringung ihrer Arbeit­sleis­tung inner­halb bzw. nach Deutsch­land über­lassen wer­den. Maßge­blich­er Bezugspunkt ist dabei der Ort der Tätigkeit. Als Teil des Sozialver­sicherungsrechts bes­timmt sich der Arbeits- bzw. Beschäf­ti­gung­sort des AÜG nach dem Ort, an dem die Beschäf­ti­gung tat­säch­lich aus­geübt wird (vgl. § 9 Abs. 1 SGB IV).

 

Die Auffassung der Bundesagentur für Arbeit 

In den Fach­lichen Weisun­gen 2019 zum AÜG 1.1.1 (2) schreibt die Bun­de­sagen­tur für Arbeit zwar, dass der „Ver­leih durch einen aus­ländis­chen Ver­lei­her an einen inländis­chen Entlei­her, wenn der Lei­har­beit­nehmer auss­chließlich im Aus­land einge­set­zt wird“, nicht vom Gel­tungs­bere­ich des AÜG umfasst sei. Jedoch präzisiert die Bun­de­sagen­tur ihre Recht­sauf­fas­sung in Beschei­den, die uns vor­liegen, mit­tler­weile dahinge­hend, dass mit dieser Auf­fas­sung nur Fälle gemeint seien, in denen neben dem Arbeit­nehmer auch der Entlei­her im Aus­land tätig sein müsse, wie z. B. auf Mon­ta­gen, wenn das inländis­che Unternehmen im Aus­land nicht genug Stam­mar­beit­nehmer abstellen kann und diese Lück­en daher mit aus­ländis­chen Lei­har­beit­nehmern vor Ort gefüllt werden.

Davon unter­schei­det die Bun­de­sagen­tur für Arbeit die immer häu­figer auftre­tenden Kon­stel­la­tio­nen, in denen Arbeit­nehmer rein dig­i­tal aus dem Aus­land für einen Entlei­her in Deutsch­land tätig sind. Denn diese Arbeit­sleis­tun­gen kön­nten ort­sun­ab­hängig auf der ganzen Welt erbracht wer­den, hät­ten jedoch die Wirkung von in Deutsch­land erbracht­en Tätigkeit­en. Wür­den solche Fal­lkon­stel­la­tio­nen nicht dem Gel­tungs­bere­ich des AÜG unter­fall­en, kön­nten deutsche Unternehmen darauf umsteigen, nur noch aus­ländis­che Arbeit­skräfte erlaub­n­is­frei und zu deut­lich gerin­geren Lohnkosten zu beschäfti­gen. Die sozialver­sicherungsrechtlichen Vorschriften kön­nten so ein­fach und dauer­haft umgan­gen wer­den. Diese Fälle sollen daher nach Auf­fas­sung der Bun­de­sagen­tur für Arbeit dem AÜG unter­fall­en und somit erlaub­nispflichtig sein.

Ein neuer Trend: „Employer of Record“

Inter­es­sant in diesem Kon­text ist auch ein neuer Trend auf dem inter­na­tionalen Arbeits­markt. Mith­il­fe soge­nan­nter „Employ­er of Record“ (kurz EoR) wird das gesamte Anstel­lungsver­hält­nis in das Aus­land aus­ge­lagert. Die Employ­er of Record sind aus­ländis­che Agen­turen, die im jew­eili­gen Land ansäs­sig sind und im Auf­trag etwa eines deutschen Unternehmens gegen eine Gebühr die Anstel­lung von Arbeit­nehmern in diesem Land übernehmen. Dabei küm­mern sich diese Agen­turen um alle rechtlichen und formellen Anforderun­gen entsprechend der lokalen Geset­zes­lage. Die so angestell­ten Arbeit­nehmer wer­den jedoch auss­chließlich für das eigentliche, beispiel­sweise deutsche, Unternehmen tätig, sodass dieses die volle inhaltliche Kon­trolle behält. Auch wenn das nicht expliz­it gesagt wird, scheint die Bun­de­sagen­tur mit ihrer geän­derten Recht­sauf­fas­sung auch diese Fälle vor Augen zu haben.

 

AMETHYST-Kommentar

Die Furcht der Bun­de­sagen­tur für Arbeit vor den Fol­gen eines zunehmenden Out­sourcings mith­il­fe solch­er Kon­stel­la­tio­nen ist zwar, ger­ade im Bere­ich IT, ins­ge­samt nachvol­lziehbar. Doch so lässt die rechtliche Argu­men­ta­tion zu wün­schen übrig. Denn schon vom Wort­laut der eige­nen Fach­lichen Weisun­gen des Punk­tes 1.1.1 (2) ist die Ausle­gung der Bun­de­sagen­tur nicht gedeckt. Aber auch in der Sache zeigt die BA eher die Sorge vor Kon­trol­lver­lust, als dass sie überzeu­gende Argu­mente für ihre Auf­fas­sung liefert. Vor allem das Argu­ment der „Ver­fol­gung arbeits­mark­t­poli­tis­ch­er Ziele“ bringt ohne Ver­ankerung im Geset­zeswort­laut nichts. Für die Seite der Erlaub­n­is­frei­heit spricht dage­gen die klare sozialver­sicherungsrechtliche Regelung des § 9 SGB IV: Was im Aus­land ohne Bezug zu Deutsch­land stat­tfind­et, muss aus­ländis­chen Rechtsvorschriften unter­fall­en, allein weil in Deutsch­land gar keine Kon­trollmöglichkeit­en beste­hen. Oder möchte die BA zukün­ftig aus­ländis­che Tarif- und Beitragsregelun­gen anhand der Rechtsvorschriften ander­er Län­der überprüfen?

Nichts­destotrotz muss die Auf­fas­sung der Bun­de­sagen­tur für Arbeit in der Prax­is natür­lich beachtet wer­den. Es ist zukün­ftig mit mehr Kon­trollen zu rech­nen, die sich auch auf diese Sachver­halte beziehen. Unternehmen mit den oben geschilderten Kon­stel­la­tio­nen soll­ten sich über die Risiken ein­er Ein­stu­fung als erlaub­nispflichtige Arbeit­nehmerüber­las­sung deshalb bewusst sein und dafür Vor­sorge tre­f­fen, besten­falls also eine Erlaub­nis beantragen.