EuGH zur Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz

Entscheidung des EuGH zur möglichen Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz durch Tarifverträge am 15. Dezember erwartet

Per­sonal­dien­stleis­ter und Ver­lei­her aufgepasst: Am 15. Dezem­ber 2022 wird der EuGH über die Vere­in­barkeit der deutschen Vorschriften zur Abbe­din­gung des Gle­ich­stel­lungs­grund­satzes entschei­den (C‑311/21).

In seinen Schlus­santrä­gen vom 14. Juli 2022 bejahte der Gen­er­alan­walt beim EuGH die Möglichkeit zur Abwe­ichung vom Gle­ich­stel­lungs­grund­satz durch Tar­ifverträge grund­sät­zlich. Allerd­ings sei der Begriff „Gesamtschutz“, anders als es der eine oder andere deutsche Rechts­gelehrte ver­ste­he, nicht als unverbindlich­er Pro­gramm­satz, son­dern als ein vom Geset­zge­ber und den Tar­if­parteien zu beach­t­en­der Rechts­grund­satz zu ver­ste­hen. Eine neg­a­tive Abwe­ichung vom Equal-Pay-Grund­satz per Tar­ifver­trag sei somit zwar zuläs­sig, müsse jedoch durch andere gewichtige Vorteile aus­geglichen wer­den. Der Gen­er­alan­walt sieht die Tar­ifver­tragsparteien selb­st in der Pflicht, Kri­te­rien und Bedin­gun­gen für diesen „angemesse­nen Aus­gle­ich“ festzule­gen. Dafür spricht er ihnen auch einen weit­en Beurteilungsspiel­raum zu. Den­noch müsse der Aus­gle­ich in seinem Gewicht dem Arbeit­sent­gelt als fun­da­men­taler Beschäf­ti­gungs­be­din­gung entsprechen, während bloß sym­bol­is­che Zahlun­gen nicht aus­re­ichend für die Ein­hal­tung dieses Prinzips seien. Ob deutsche Tar­ifverträge diese Voraus­set­zung erfüllen, ist zu bezweifeln.

Das Ergeb­nis sein­er Über­legun­gen ließ der Gen­er­alan­walt offen – es kön­nte eine Unzuläs­sigkeit des Abwe­ichens vom Equal-Treat­ment-Grund­satz durch Tar­ifverträge sein.

 

AMETHYST-Kommentar

Die Branche wartet auf die Entschei­dung des EuGH zur Abwe­ichung vom Gle­ich­stel­lungs­grund­satz mit Sorge, denn die Anträge des Gen­er­alan­waltes kön­nten – kon­se­quent fort­ge­führt – zu nicht abse­hbaren Ver­w­er­fun­gen führen, ins­beson­dere zu Nachzahlungsverpflich­tun­gen gegenüber Arbeit­nehmern und Sozialver­sicherungsträgern. Diese Prob­leme sind vie­len Arbeit­ge­bern noch aus CGZP-Zeit­en bekan­nt. Allerd­ings sind die Lohn­dif­feren­ziale zwis­chen eigen­em und Kun­den­lohn heute bedeu­tend geringer, wohinge­gen die Lob­by der Branche deut­lich größer ist und die bish­erige Tar­i­fan­wen­dung­sprax­is von den DGB-Gew­erkschaften sowie dem Geset­zge­ber durch die AÜG-Reform 2017 sog­ar aus­drück­lich gestützt wird. Es bleibt also die dop­pelte Hoff­nung, dass der EuGH oder die deutschen Gerichte in der Umset­zung anders entschei­den und dass selb­st eine neg­a­tive Entschei­dung des EuGH finanziell ohne Fol­gen wäre.