Arbeitsvertrag mit deutscher GmbH in englischem Konzern

Der Fall

Ein Vertriebsmitarbeiter soll einen Arbeitsvertrag mit einer deutschen GmbH als Arbeitgeberin abschließen, die zu einem englischen Konzern gehört. Der Mitarbeiter wird überwiegend in Deutschland tätig sein, erhält seine Weisungen jedoch ausschließlich von einer englischen Vetriebstochter seines Arbeitgebers, da der Arbeitgeber selbst in Deutschland keine Arbeitnehmer im Sales beschäftigt; dieser Bereich wird ausschließlich aus England gesteuert. Schwerpunkt der Tätigkeit des Mitarbeiters soll der Aufbau eines Vertriebsnetzes und eines Akquisitionssystems zur Gewinnung neuer Kunden in der D-A-CH-Region sein. Sein Grundgehalt sollte er von der deutschen GmbH, den Bonus jedoch von der englischen Vertriebstochter erhalten.

Prüfauftrag

  • Stellt die Eingliederung in die Vertriebsgesellschaft eine Arbeitnehmerüberlassung oder noch eine Matrixanbindung dar?
  • Welche Besonderheiten gelten in Bezug auf die Arbeitnehmerüberlassung nach deutschem und schweizerischem Recht?
  • Wie wirkt es sich steuer- und sozialversicherungsrechtlich aus, dass der Bonus teilweise aus England gezahlt wird?

Die Lösung

Unsere intensive Recherche ergab folgendes Ergebnis:

a) Deutsches Recht

Nach deutschem Recht gilt die Tätigkeit des Mitarbeiters als Arbeitnehmerüberlassung. Diese liegt vor, wenn der Arbeitgeber das Recht zur Erteilung von Weisungen an Dritte überträgt und bei der Vertriebstochter in England eingegliedert ist, was hier der Fall ist. Weder der Umstand, dass Weisungen lediglich grenzüberschreitend erteilt werden, noch die Ortsverschiedenheit ändern daran etwas. Auch die anderen Indizien für eine Arbeitnehmerüberlassung wie die Bereitstellung von Arbeitsmaterialien durch den Entleiher, Zusammenarbeit mit anderen Arbeitnehmern des Arbeitgebers etc. waren gegeben.

Folge wäre gewesen, dass die englische Vertriebstochter eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hätte beantragen müssen. Da der Einsatz jedoch länger als 18 Monate dauern und auch in der Schweiz stattfinden sollte, hätte dieser Schritt die Probleme dauerhaft nicht gelöst. Deshalb wurde die Konzernstruktur der Auftraggeberin verändert und der Mitarbeiter disziplinarrechtlich der deutschen Einheit unterstellt. Somit wurde aus einer Arbeitnehmerüberlassung eine erlaubnisfreie Einbindung in eine Konzernmatrix.

b) Schweizerisches Recht

Diese Lösung war umso mehr vor dem Hintergrund der strengen Rechtslage zur Arbeitnehmerüberlassung in der Schweiz zu favorisieren.

Nach Schweizer Recht wird der Einsatz ebenfalls als Arbeitnehmerüberlassung betrachtet, allein wegen der Übertragung des Weisungsrechts gegenüber dem Mitarbeiter auf die Vertriebstochter. Das war rechtlich nicht hinnehmbar, da die grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung sowohl aus Deutschland als auch aus England in die Schweiz ohne Einschränkungen unzulässig ist. Zwar bestand hier die Besonderheit, dass weder der Verleiher (Deutschland) noch der Entleiher (England) ihren Sitz in der Schweiz haben und somit der Ort, von dem aus die Arbeitsanweisungen kommen, auch in England sein wird. Dieser Fall, in dem das Vertragsverhältnis über die Vermittlungstätigkeit ausschließlich zwischen zwei Unternehmen außerhalb der Schweiz besteht und in dem der in England ansässige Kunde den Mitarbeiter zur Erfüllung von Aufgaben in der Schweiz einsetzt, stellt nach schweizerischem Recht jedoch einen Fall von "indirekter Vermittlungstätigkeit" dar und wird ebenfalls als Arbeitnehmerüberlassung qualifiziert, die in der grenzüberschreitenden Variante unzulässig ist.

Allerdings weist das Recht der Schweiz einen Ausweg in Konzernstrukturen. So ist nämlich  das Anbieten von Dienstleistungen aus Deutschland in die Schweiz innerhalb einer Gruppe von verbundenen Unternehmen erlaubt und auch nicht erlaubnispflichtig. Dieser Weg war daher auch aus Sicht der Überlassungsproblematik nach schweizerischem Recht zu empfehlen.

c) Steuer- und Sozialversicherungsrecht

Hier war nach einer Recherche klar, dass der Mitarbeiter der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt und dass auch sozialversicherungsrechtlich keine „Ausstrahlung“ aus England vorlag. Somit war der Bonus ausschließlich nach deutschem Recht zu besteuern und sozialversicherungspflichtig.

Unsere Empfehlung: Aufteilung des Direktionsrechts

Empfohlen wurde schließlich eine Aufteilung des Direktionsrechts zwischen der deutschen und der englischen Gesellschaft. Dafür wurde in der deutschen Gesellschaft ein operativ tätiger Geschäftsführer eingestellt, dem der Vertriebsmitarbeiter disziplinarisch und zum Teil fachlich unterstellt war. So konnte der Tatbestand der Arbeitnehmerüberlassung allein aus England zugunsten einer konzerninternen Matrixeinbindung (siehe Aufsatz zu Fremdpersonal in Matrixstrukturen) vermieden werden.

Er war damit im Hinblick auf das Verbot der grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassung in die Schweiz und auf die in Deutschland geltende Höchstüberlassungsdauer als rechtlich unproblematisch anzusehen. Zudem entfiel das Erfordernis für die englische Vertriebstochter, eine ANÜ-Erlaubnis zu beantragen, so dass auch die regelmäßig durch die Bundesagentur für Arbeit durchgeführten Kontrollen entfielen.


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