TV BZ ME: doch noch der Tarifabschluss

Am 13.06.2023 hat­te die IG-Met­all die Tar­ifver­hand­lun­gen noch für gescheit­ert erk­lärt, um den Druck auf die Arbeit­ge­ber­seite zu erhöhen. Es sah so aus, als müsse man sich über die Frage Gedanken machen, ob der vorherige Tar­i­fab­schluss qua „Nach­wirkung“ auch über den 30.06.2023 hin­aus gelte – doch das ist jet­zt vom Tisch: Am 16.06.2023 wurde eine Eini­gung erzielt.

Vere­in­bart wurde, dass vol­lzeitbeschäftigte Zeitar­beit­nehmer für Zeit­en des Ein­satzes in Betrieben der Met­all- und Elek­troin­dus­trie zusät­zlich zum Arbeit­slohn eine gemäß § 3 Nr. 11c EStG steuer- und sozialver­sicherungs­freie Infla­tion­saus­gle­ich­sprämie von bis zu 2.300 Euro erhal­ten. Darauf einigten sich jet­zt die Ver­hand­lungs­ge­mein­schaft Zeitar­beit (VGZ), die aus dem Bun­de­sar­beit­ge­berver­band der Per­sonal­dien­stleis­ter (BAP) und dem Inter­essen­ver­band Deutsch­er Zeitar­beit­sun­ternehmen (iGZ) beste­ht, und die IG Met­all.
„Mit diesem Tar­i­fab­schluss sind wir als Arbeit­ge­ber an das absolute Lim­it des Mach­baren gegan­gen. Der Sozial­part­ner sollte sich bewusst sein, dass die Arbeit­ge­ber auch wirtschaftlich arbeit­en und denken müssen, um ihre und die Exis­tenz ihrer Mitar­beit­er­schaft gewährleis­ten zu kön­nen“, kom­men­tierte VGZ-Ver­hand­lungs­führer Sven Kramer, stel­lvertre­tender Bun­desvor­sitzen­der des iGZ, das Ergebnis.

Sven Schwu­chow, (BAP), stel­lvertre­tender VGZ-Ver­hand­lungs­führer, beurteilt den Abschluss als „schmerzhaft, aber notwendig, denn er ermöglicht den Zeitar­beit­sun­ternehmen eine rechtssichere Plan­barkeit der Ent­gelte und den dafür nöti­gen zeitlichen Vor­lauf bis 2024. Genau dafür wur­den Branchen­zuschlagstar­ifverträge einge­führt: Für einen ver­lässlichen tar­if­poli­tis­chen Kurs.“

Die Infla­tion­saus­gle­ich­sprämie wird gestaffelt und mit den jew­eili­gen Monatsabrech­nun­gen gezahlt: 300 Euro im Jan­u­ar 2024 sowie weit­ere jew­eils 200 Euro in den Monat­en Feb­ru­ar bis Novem­ber 2024. Anspruchsvo­raus­set­zun­gen sind eine Betrieb­szuge­hörigkeit von fünf Monat­en und eine Ein­satzzeit von min­destens einem Monat in Betrieben des Gel­tungs­bere­ichs des TV BZ ME. Die Höhe des max­i­malen Anspruchs von 2.300 Euro ist dabei auf die Infla­tion­saus­gle­ich­sprämie gedeck­elt, die einem ver­gle­ich­baren Arbeit­nehmer des Kun­den­be­triebes im Zeitraum Dezem­ber 2022 bis Dezem­ber 2024 gewährt wird. Teilzeitbeschäftigte und Beschäftigte, die aus dem jew­eili­gen Arbeitsver­hält­nis auss­chei­den, erhal­ten eine anteilige Monat­sauszahlung. Wenn der Arbeit­ge­ber eine Infla­tion­saus­gle­ich­sprämie neben dieser tar­i­flichen Regelung bere­its geleis­tet hat oder leis­tet, kann diese angerech­net wer­den.
Mit Wirkung zum 1. Sep­tem­ber 2023 wird die erste Stufe des Branchen­zuschlags vorge­zo­gen. Der Branchen­zuschlag beträgt dann bere­its ab Ein­satzbe­ginn 15 %. Die übri­gen Stufen bleiben unverän­dert. Der TV BZ ME kann mit ein­er Frist von drei Monat­en zum Jahre­sende, erst­mals zum 31. Dezem­ber 2024, gekündigt wer­den. Die Tar­ifver­tragsparteien haben sich auf eine Erk­lärungs­frist bis zum 6. Juli 2023 geeinigt.

Kündi­gung weit­er­er Tarifverträge

Zusät­zlich informiert der iGZ darüber, dass die IGBCE die mit dem iGZ abgeschlosse­nen Tarifverträge

  • Tar­ifver­trag über Branchen­zuschläge für Arbeit­nehmerüber­las­sun­gen in der Chemis­chen Indus­trie (TV BZ Chemie)
  • Tar­ifver­trag über Branchen­zuschläge für Arbeit­nehmerüber­las­sun­gen in der Kun­st­stoff ver­ar­bei­t­en­den Indus­trie (TV BZ Kunststoff)
  • Tar­ifver­trag über Branchen­zuschläge für Arbeit­nehmerüber­las­sun­gen in der Kautschukin­dus­trie (TV BZ Kautschuk)
  • Tar­ifver­trag über Branchen­zuschläge für Arbeit­nehmerüber­las­sun­gen in den Kali- und Stein­salzberg­bau (TV BZ KS)
  • Tar­ifver­trag über Branchen­zuschläge für Über­las­sun­gen von gewerblichen Arbeit­nehmern in der Papi­er erzeu­gen­den Indus­trie (TV BZ PE — gewerblich)

jew­eils zum 30. Sep­tem­ber 2023 gekündigt hat.

Auch hier dürften sich zukün­ftig ver­gle­ich­bare Kon­flik­te ergeben.

Quelle (z.T.): iGZ

AMETHYST-Kommentar:

Auch wenn es im Fall der IG Met­all zu ein­er Eini­gung gekom­men ist, lohnt der Blick auf die Fol­gen des Aus­laufens solch­er Tar­ifverträge oder ein­er Gew­erkschaft­serk­lärung, wonach die Ver­hand­lun­gen gescheit­ert seien — sind entsprechende Szenar­ien doch für die anderen gekündigten Tar­ifverträge weit­er­hin denkbar.

Ohne Branchen­zuschlagstar­ifverträge gibt es kein Equal Pay, so viel ist klar. Die Frage ist jedoch, ab wann diese Tar­ifverträge im Falle ein­er Kündi­gung tat­säch­lich nicht mehr gel­ten. Denn rechtlich gibt es die sog. Nach­wirkung, die besagt, dass auch gekündigte Tar­ifverträge weit­ergel­ten, bis ein neuer Tar­ifver­trag abgeschlossen wird.

Auch nach Auf­fas­sung der Bun­de­sagen­tur für Arbeit kön­nen solche „tar­i­flosen“ Zustände über län­gere Zeiträume als tar­ifgemäß gel­ten (das ist dann halt die „Nach­wirkung“). Wie lange das der Fall ist, ist im Einzel­nen unklar, die Agen­tur geht in ihren fach­lichen Weisun­gen im Regelfall von ein­er Dauer von einem Jahr aus. (FW § 8.2. Abs. 5, S. 83). Zusät­zlich heißt es dort jedoch: „Aus tar­ifrechtlich­er Sicht kann die Nach­wirkung im Bere­ich des AÜG auch enden, sobald der Abschluss eines neuen Tar­ifver­trages nicht mehr in Aus­sicht ste­ht.“ (a.a.O.).

Genau diese Recht­sauf­fas­sung nutzte die IG Met­all mit ihrer Erk­lärung des Scheit­erns der Tar­ifver­hand­lun­gen und wollte damit den Druck auf die Arbeit­ge­ber­seite erhöhen. 

Schon dort stellte sich allerd­ings die Frage, ob Ver­hand­lun­gen gescheit­ert sind, wenn man das ein­fach erk­lärt, um gle­ichzeit­ig weit­er zu ver­han­deln, wie es die IG Met­all getan hat­te? Wir meinen: Nein. Solange tat­säch­lich ver­han­delt wird, kann von einem Scheit­ern der Ver­hand­lun­gen nicht die Rede sein. Das dürfte auch bei den zukün­fti­gen Tar­ifver­hand­lun­gen eine Rolle spielen.

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