Equal-Pay-Entscheide mit Zündstoff

Im Rah­men der sog. Däubler-Kam­pagne hat­te das Bun­de­sar­beits­gericht am 16. Dezem­ber 2020 ins­ge­samt drei Ver­fahren zu entschei­den, in denen Arbeit­nehmer in ver­schiede­nen Kon­stel­la­tio­nen Ansprüche auf Equal Pay gel­tend gemacht hat­ten. Im Kern beriefen sich die Arbeit­nehmer darauf, dass der deutsche Geset­zge­ber die Vor­gaben der EU-Zeitar­beit­srichtlin­ie (RL 2008/104/EG) bei Neu­fas­sung des AÜG im Jahr 2017 (und davor) nicht kor­rekt umge­set­zt hätte. Daher seien die ange­wandten Tar­ifverträge von iGZ und BAP nicht geeignet, vom Regelfall des Equal Treat­ment abzuwe­ichen. Die Folge wäre ein Anspruch auf Equal Treat­ment mit allen unan­genehmen Begleiterscheinungen.

Die schriftlichen Urteils­be­grün­dun­gen liegen noch immer nicht vor, weshalb nach­fol­gende Aus­sagen anhand der Pressemel­dun­gen des BAG nur vor­läu­fig sind:

a) Abweichen durch Tarifverträge – Vorlage an den EuGH (5 AZR 143/19 (A))

Dieses Ver­fahren dürfte für die Zukun­ft der Zeitar­beit­star­ifverträge die größte Bedeu­tung haben. Denn das BAG legt dem EuGH Fra­gen zur Ausle­gung der EU-Zeitar­beit­srichtlin­ie vor, die im Ergeb­nis auf die Frage hin­aus­laufen, ob der „Gesamtschutz“ der Zeitar­beit­nehmer durch die Regelun­gen der Tar­ifverträge noch aus­re­ichend gewahrt ist. Wäre er dies nicht, kön­nte dies zur Unwirk­samkeit der gesamten Tar­ifregelun­gen führen (Link zum Ter­min­vor­bericht, Link zur Pressemit­teilung Nr. 48/20).

Da das BAG nicht in der Sache entsch­ieden, son­dern das Ver­fahren dem EuGH vorgelegt hat, ist der Aus­gang weit­er­hin offen. Mit ein­er Entschei­dung des EuGH wird in etwas mehr als einem Jahr gerech­net; im Anschluss hätte das BAG die Rechtssätze des EuGH in deutsches Recht umzusetzen.

Brisant ist der Rechtsstre­it vor allem, weil die Regelun­gen der in der Prax­is gel­tenden Tar­ifverträge im schlimm­sten Fall nicht mehr geeignet wären, vom Equal Treat­ment abzuwe­ichen. Die Fol­gen sind aus der CGZP-Ver­gan­gen­heit hin­länglich bekan­nt. Ob es so weit kommt, ist offen; den­noch schadet es sich­er nicht, als Per­sonal­dien­stleis­ter ein Worst-Case-Szenario zu durch­denken und möglichst hier­für Vor­sorge zu treffen.

b) Ansprüche wegen wirksamer Ausschlussfrist verfallen (5 AZR 22/19)

Von gerin­ger­er Bedeu­tung ist diese Entschei­dung, da sie allein auf der Basis deutschen Rechts entsch­ieden wor­den ist. Hier hat­te der Arbeit­nehmer eben­falls unter Beru­fung auf das Euro­parecht Equal-Ansprüche gel­tend gemacht. Das BAG wies seine Forderun­gen jedoch zurück, weil diese auf­grund ein­er wirk­samen Auss­chlussklausel ver­fall­en waren. Pos­i­tiv kön­nte daran sein, dass sich diesem Urteil Hin­weise zur ord­nungs­gemäßen Formierung ein­er Auss­chlussklausel ent­nehmen lassen. Dies bleibt abzuwarten.

 

Unzulässige Abweichung vom Tarifvertrag (5 AZR 131/19)

Obwohl es auch in diesem Ver­fahren wieder um euro­parechtliche Ansprüche ging, ist das Urteil wegen Aus­sagen zu einzel­nen Punk­ten der Ver­trags­gestal­tung von größer­er Bedeu­tung. Denn das BAG äußerte sich dazu, inwieweit Abwe­ichun­gen im Arbeitsver­trag von den Regelun­gen der Tar­ifverträge geeignet sind, die Tar­i­fan­wen­dung als Ganzes infrage zu stellen, was wieder zu einem Equal-Pay-Anspruch führen würde. Das soll nach der Pressemel­dung bere­its der Fall sein, wenn eine Arbeit­szeit von mehr als 35 Stun­den pro Woche vere­in­bart wird und fern­er Urlaub­sansprüche konkreter Verträge geregelt wer­den. Hier ist bemerkenswert, dass der 5. Sen­at sich damit der Recht­sprechung des 4. Sen­ats anschloss, der bere­its im Okto­ber 2019 entsch­ieden hat­te, dass jed­wede Abwe­ichung im Arbeitsver­trag vom Tar­ifver­trag unzuläs­sig sei und das geset­zliche Equal Treat­ment nach sich ziehe, sofern Abwe­ichun­gen nicht ein­deutig für den Arbeit­nehmer gün­stiger seien oder Dinge regel­ten, die nicht im Tar­ifver­trag selb­st geregelt seien (vgl. BAG, Urteil vom 16.10.2019 – 4 AZR 66/18). Damit wird diese bish­erige Recht­sprechung auch durch einen anderen Sen­at des BAG manifestiert.

 

AMETHYST-Kommentar zu den Equal-Pay-Entscheiden

Die Entschei­dun­gen dürften für Zünd­stoff sor­gen. Sollte der EuGH tat­säch­lich bestäti­gen, dass der Gesamtschutz der Mitar­beit­er in der derzeit­i­gen geset­zlichen und tar­i­flichen Kon­stel­la­tion nicht aus­re­ichend sei, kön­nte dies zu ein­er weit­eren Equal-Pay-Welle führen.

Die Entschei­dung 5 AZR 131/19 hat die bish­erige Entwick­lung der Recht­sprechung, dass Arbeitsverträge kaum mehr von Tar­ifverträ­gen abwe­ichen dür­fen, weit­er bestätigt. Die Entschei­dung 5 AZR 22/19 hält offen­bar immer­hin eine Auss­chlussfrist bere­it, die der 5. Sen­at als recht­mäßig akzep­tieren würde. Angesichts des entsch­iede­nen Sachver­haltes wäre diese Klausel wohl auch geeignet, Equal-Pay-Ansprüche auszuschließen, die sich für den Fall eines neg­a­tiv­en Verdik­ts des EuGH ergeben kön­nten – freilich nur auf der arbeit­srechtlichen, nicht jedoch auf der sozialver­sicherungsrechtlichen Schiene.

„Erste Bürg­erpflicht“ ist es nach unser­er Auf­fas­sung allerd­ings, Ruhe zu bewahren. Bevor die Entschei­dun­gen nicht im Voll­text vor­liegen, wäre die Änderung arbeitsver­traglich­er Bes­tim­mungen rein­er Aktion­is­mus, der nicht zu empfehlen ist. Wir wer­den unsere Man­dan­ten hin­sichtlich der weit­eren Entwick­lung und nöti­gen Ver­tragsän­derun­gen selb­stver­ständlich auf dem Laufend­en halten.