Einsatz von Plusstunden in überlassungsfreien Zeiten
Personaldienstleister dürfen eine Anrechnung angesammelter Plusstunden für eine überlassungsfreie Zeit nicht einseitig anordnen. Das verstoße gegen § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG, entschied das LAG Hamm mit seinem Urteil vom 22. Januar 2021 (Az. 6 Sa 1022/19). Wenn der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer angebotene Arbeitsleistung nicht annimmt, kann der Arbeitnehmer für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen (§ 615 S. 1 BGB). Ein Nichtannehmen der Arbeitsleistung i. d. S. durch den Arbeitgeber liegt auch dann vor, wenn dieser seine Arbeitnehmer im Rahmen einer Betriebsversammlung anweist, ihre Arbeit im Kundenbetrieb nicht mehr aufzunehmen, sie diesbezüglich freistellt und die Zuweisung eines anderen Einsatzes unterbleibt.
Aus der Begründung
Das Gericht stellte zudem klar: Grundsätzlich können Arbeits- und Tarifvertragsparteien über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeitsstunden auf einem Arbeitszeitkonto ansammeln und auch durch bezahlte Freizeit ausgleichen. Allerdings sei es grundsätzlich nicht möglich, das Vergütungsrecht des Leiharbeitnehmers bei Annahmeverzug des Arbeitgebers gem. § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG vertraglich einzuschränken oder aufzuheben. Die Regelung zum Annahmeverzug (§ 615 S. 1 BGB) sei unabdingbar. Der Verleiher müsse den Zeitarbeitnehmer also immer vergüten, auch wenn dieser bei dem Entleiher keine Arbeit habe oder nicht für einen solchen tätig sei, so das Gericht. Das vom Verleiher zu tragende Beschäftigungsrisiko dürfe auch nicht durch ein in der Zeitarbeit zulässiges Arbeitszeitkonto auf den Zeitarbeitnehmer abgewälzt werden – denn dies wäre eine Umgehung dieses Grundsatzes. Vereinbarungen, die es dem Personaldienstleister ermöglichen, das Arbeitszeitkonto in verleihfreien Zeiten – uneingeschränkt und einseitig – abzubauen, seien unwirksam. Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte sei nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig (§ 4 Abs. 4 S. 1 TVG).
AMETYHST-Kommentar
In der Praxis hatte sich die einseitige Anordnung von Freizeitausgleich bei Plusstunden über die Jahre weitgehend etabliert. Immer wieder haben Gerichte jedoch entschieden, dass es für die Gewährung von Freizeitausgleich einer Vereinbarung bzw. eines Antrages durch den Arbeitnehmer bedürfe. Fehlt es hieran, dürfen die Zeiten dem Arbeitszeitkonto nicht entnommen werden. Wer auf der sicheren Seite sein möchte, behält die gute alte Antragspraxis daher mindestens so lange bei, bis das BAG irgendwann einmal das Gegenteil entscheiden sollte.