Verfassungsbeschwerden der Fleischindustrie unzulässig
Im Dezember 2020 wurde durch das Arbeitsschutzkontrollgesetz auch das Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (kurz: GSA Fleisch) geändert. Der neu eingefügte § 6a GSA Fleisch war Gegenstand der Verfassungsbeschwerden der Fleischindustrie. Dabei wurde ein Fremdpersonalverbot eingeführt, welches u.a. den Einsatz von Zeitarbeitnehmern zunächst einschränkt und ab April 2024 vollständig verbietet. Dagegen wendeten sich ein Wursthersteller und mehrere Zeitarbeitsunternehmen, die mit ihren Verfassungsbeschwerden eine Verletzung ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) rügten. Zusätzlich beanstandete der Wursthersteller eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung mit anderen Branchen durch das Verbot.
Antragsteller brachten Selbstbetroffenheit nicht hinreichend vor
Die Verfassungsbeschwerden scheiterten aufgrund nicht ausreichender Begründung an der Hürde der Zulässigkeit, das Bundesverfassungsgericht nahm die Beschwerden also nicht zur Entscheidung an (01.06.2022 – 1 BvR 2888/20). In der Begründung bezieht sich das Gericht auf das Erfordernis der Selbstbetroffenheit. Selbstbetroffenheit läge vor, wenn die Beschwerdeführer und deren Zusammenarbeit mit ihren Kunden den angegriffenen Reglungen tatsächlich unterfallen würden. Schon einfachrechtlich lasse sich dies nur auf Grundlage konkreter Angaben zu durchgeführten Tätigkeiten, Arbeitszeitanteilen und Betriebsstruktur sowie zu Geschäftszwecken der jeweiligen Betriebe oder als Kunden der Zeitarbeitsunternehmen feststellen. Eine solche Darstellung sei aber weder erfolgt noch den Beschwerdeführern unmöglich.
Weiterhin seien die angegriffenen Reglungen auf die Unternehmen gem. § 2 Abs. 2 GSA Fleisch nur anwendbar, wenn das Fremdpersonal nicht in Handwerksbetrieben mit bis zu 49 Arbeitskräften eingesetzt wird. Nicht für alle beschwerdeführenden Zeitarbeitsunternehmen sei erkennbar, inwieweit dies der Fall ist. Auch bemängelte das BVerfG die Wahrung des Grundsatzes der Subsidiarität. Diese Ausschöpfung aller verfügbaren rechtliche Mittel könne jedoch aufgrund der fehlenden Selbstbetroffenheit dahinstehen.
Ferner sei die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung nicht ausreichend begründet. Zwar ziehe der Wursthersteller den Vergleich zur Buchbranche, Logistikzentren und der Landwirtschaft. Es fehle jedoch die Auseinandersetzung mit naheliegenden Argumenten zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung. Insbesondere fänden keine Ausführung zu den Arbeitsbedingungen sowie dem Anteil und Einsatz von Fremdpersonal statt, auf welche der Gesetzgeber abgestellt habe.
AMETHYST-Kommentar zu Verfassungsbeschwerden der Fleischindustrie
Es entsteht der Eindruck, dass die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts kein besonderes Interesse an der Beschäftigung mit dem Thema hatten und für ihre „Nichtentscheidung“ in der Sache formelle Gründe vorgeschoben haben. Dass die betroffenen Personaldienstleister juristisch vertreten nicht in der Lage gewesen sein sollen, zu ihrer Betroffenheit vorzutragen, kann wohl ausgeschlossen werden. Dass der Rechtsweg vor der Verfassungsbeschwerde nicht erschöpft worden ist, stimmt zwar sicherlich, aber was sollen die Beschwerdeführenden machen? Sollen sie so lange warten, bis dies der Fall ist, um dann nicht mehr zu existieren? Auch das macht den Beschluss des BVerfG fragwürdig.
Die GSA Fleisch ist nun rechtskonform und von allen Anwendern zu beachten. Immerhin hat das Gericht zur Zulässigkeit sektoraler Verbote, die mit der Verordnung verbunden sind, keine Stellung genommen, sodass es für das befürchtete Verbot der Arbeitnehmerüberlassung in der Pflege keine neuen Argumente gibt.