9. Januar 2013

Dauerverleih — institutioneller Rechtsmissbrauch bei konzerninterner Arbeitnehmerüberlassung

Lan­desar­beits­gericht Berlin-Bran­den­burg — 09.01.2013 — 15 Sa 1635/12 | Im Bere­ich der Arbeit­nehmerüber­las­sung stellt es einen insti­tu­tionellen Rechtsmiss­brauch dar, wenn das ver­lei­hende Konz­er­nun­ternehmen nur an einen oder mehrere Konz­er­nun­ternehmen Arbeit­nehmer ver­lei­ht, nicht am Markt wer­bend tätig ist und die Ein­schal­tung dieses ver­lei­hen­den Unternehmens nur dazu dient, Lohnkosten zu senken oder kündi­gungss­chutzrechtliche Wer­tun­gen ins Leere laufen zu lassen. Dies hat zur Folge, dass dem Scheinentlei­her die Arbeit­ge­ber­stel­lung zukommt.

Tatbe­stand

Die Parteien stre­it­en darüber, ob zwis­chen ihnen ein Arbeitsver­hält­nis zu Stande gekom­men ist, über einen vor­läu­fi­gen Weit­erbeschäf­ti­gungsanspruch und im Rah­men ein­er Stufen­klage über Entgeltdifferenzansprüche.

Die Beklagte betreibt im Land Bran­den­burg in den Orten Lübben, Teupitz und Bran­den­burg an der Hav­el Kranken­häuser. Diese hat­te sie im Oktober/November 2006 vom Land Bran­den­burg über­nom­men. Die Beklagte ist nicht tar­ifge­bun­den. Die arbeitsver­traglichen Regelun­gen sehen vor, dass der BAT-?O bzw. TVL zur Anwen­dung kommt.Seit dem Jahre 2007 stellt die Beklagte im Bere­ich der Krankenpflege – mit Aus­nahme von eini­gen Aushil­fen – auss­chließlich Lei­har­beit­nehmer ein. Diese Arbeit­nehmer entlei­ht sie von den Unternehmen GFB m. GmbH und PGA GmbH. Diese bei­den Ver­lei­hunternehmen sind genau­so wie die Beklagte hun­dert­prozentige Töchter der A. Kliniken Ver­wal­tungs­ge­sellschaft mbH. Außer­halb des Konz­erns sind diese Ver­lei­hunternehmen nicht am Markt tätig. Sie besitzen die Erlaub­nis zur Arbeit­nehmerüber­las­sung. Die Beklagte beschäftigte am 31. Juli 2012 1.456 eigene Arbeit­nehmer und 401 Lei­har­beit­nehmer. Die Lohnabrech­nun­gen wer­den für alle Beschäftigten ein­heitlich von der zen­tralen Lohn­buch­hal­tung des A.-?Konzerns erstellt.

Die Klägerin hat­te sich bei der Beklagten bewor­ben. An dem Bewer­bungs­ge­spräch nah­men neben der Pflege­di­en­stleitung nur weit­ere Mitar­beit­er der Beklagten teil. Gegen Ende des Gesprächs wurde der Klägerin eröffnet, dass der Arbeitsver­trag mit ein­er so genan­nten Personalservice-?Gesellschaft zu schließen sei.

Mit Arbeitsver­trag vom 30. Sep­tem­ber 2009 begrün­dete die Klägerin mit der GFB m. ein Arbeitsver­hält­nis ab 1. Jan­u­ar 2010 als Gesund­heits- und Krankenpflegerin. Der Arbeitsver­trag sieht u. a. vor, dass die Klägerin für den Postleitzahlen­bere­ich bzw. den Klinik­stan­dort Bran­den­burg tätig wird (§ 1 Ziff. 6). Auf das Arbeitsver­hält­nis find­en die Tar­ifverträge des Inter­essen­ver­band deutsch­er Zeitar­beit­sun­ternehmen (iGZ e.V.) und den Mit­glieds­gew­erkschaften des DGB Anwen­dung (§ 2 Zif­fer 3). Es wird eine außer­tar­i­fliche Zulage gezahlt, wobei die Leis­tungs­beurteilung durch den Vorge­set­zten im Entlei­her­be­trieb erfol­gt (§ 5 Zif­fer 2). Darüber hin­aus ist die Klägerin in das Per­son­alen­twick­lung­spro­gramm des Entlei­hers eingegliedert (§ 8 Ziff. 3).

Seit Beginn des Arbeitsver­hält­niss­es war die Klägerin durchgängig auf der Sta­tion N 4 bei der Beklagten einge­set­zt. Unter dem 13. Juli 2011 hat die Klägerin mit der Beklagten eine Weit­er­bil­dungsver­trag geschlossen (Bl. 160 f. d. A.).

Die Klägerin hat behauptet, die Auss­chrei­bung für ihre Stelle sei extern erfol­gt. Sie hat die Ansicht vertreten, es liege eine rechtswidrige Strohmannkon­struk­tion vor. Jeden­falls seit dem 1. Dezem­ber 2011 dürfe die Arbeit­nehmerüber­las­sung nur noch „ vorüberge­hend“ erfol­gen. Andern­falls werde ein Arbeitsver­hält­nis mit dem Entlei­her begründet.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass zwis­chen ihr und der Beklagten seit dem 1. Jan­u­ar 2010 ein ungekündigtes Arbeitsver­hält­nis beste­ht, nach welchem sie bei der Beklagten als Gesund­heits- und Krankenpflegerin angestellt ist;

2. die Beklagte – für den Fall des Obsiegens in der ersten Instanz – zu verurteilen, sie bis zum recht­skräfti­gen Aus­gang des Rechtsstre­its tat­säch­lich als Gesund­heits- und Krankenpflegerin zu beschäftigen;

3. a) die Beklagte zu verurteilen, ihr in entsprechen­der Anwen­dung des § 13 AÜG Auskun­ft über die wesentlichen Arbeits­be­din­gun­gen ein­er ver­gle­ich­baren Arbeit­nehmerin zu erteilen, die in der Zeit seit Jan­u­ar 2010 als Gesund­heits- und Krankenpflegerin beschäftigt gewe­sen ist;

und

3. b) die Beklagte nach Erteilung der Auskun­ft zu 3a) zu verurteilen,

3. aa) die sich auf Grund der Auskun­ft ergebende, noch zu bes­tim­mende Dif­feren­zvergü­tung für die Zeit seit dem 1.1.2010 nachzuzahlen, welche sich berech­net aus dem regelmäßi­gen tar­i­flichen Ent­gelt ein­er Gesund­heits- und Krankenpflegerin abzüglich der bere­its bezo­ge­nen Vergü­tung; die nachzuzahlen­den Beträge sind mit fünf Prozent­punk­ten über dem Basiszinssatz jew­eils ab dem 31. Tage seit Fäl­ligkeit zu verzinsen;

und

3. bb) der Klägerin über die Dif­feren­zvergü­tung hin­aus begin­nend ab dem 1.1.2010 diejeni­gen son­sti­gen noch zu bes­tim­menden Arbeits­be­din­gun­gen zu gewähren, die eine Gesund­heits- und Krankenpflegerin der Beklagten im Jahr 2010 und 2011 bezo­gen hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, es habe nur eine interne Stel­lenauss­chrei­bung gegeben. Die Klägerin habe sich von sich aus beworben.

Mit Urteil vom 11. Juli 2012 hat das Arbeits­gericht Bran­den­burg an der Hav­el die Klage ins­ge­samt abgewiesen. Es hat dies im Wesentlichen damit begrün­det, dass über §§ 10 Abs. 1 Satz 1, 9 Ziff. 1 AÜG ein Arbeitsver­hält­nis nicht begrün­det wer­den könne, da die GFB m. über eine Erlaub­nis zur gewerb­smäßi­gen Arbeit­nehmerüber­las­sung ver­füge. Ein Arbeitsver­hält­nis zwis­chen den Parteien ließe sich auch nicht aus § 1 Abs. 2 AÜG her­leit­en. Insofern fehle eine entsprechende Sank­tion. Es liege auch kein Ver­stoß gegen das Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) vor. Es könne nicht fest­gestellt wer­den, dass nur eine so genan­nte Schein­lei­he vor­liege. Die Konz­ern­ver­bun­den­heit ändere nichts an dem Umstand, dass die GFB m. ein eigen­ständi­ges Unternehmen sei. Ein Ver­leih inner­halb eines Konz­erns sei zuläs­sig. Die Entschei­dung, Lei­har­beit­nehmer statt Stam­mar­beit­nehmer zu beschäfti­gen, stelle eine freie unternehmerische Entschei­dung dar. Dies sei durch das AÜG nicht ver­boten. Die zum 1. Dezem­ber 2011 erfol­gte Geset­zesän­derung führe zu keinem anderen Ergeb­nis. Auch wenn die Über­las­sung von Arbeit­nehmern an den Entlei­her nur vorüberge­hend erfol­gen dürfe, so habe der Geset­zge­ber bei einem Ver­stoß keine Regelung dahinge­hend vorge­se­hen, das ein Arbeitsver­hält­nis zwis­chen dem Entlei­her und dem Arbeit­nehmer zus­tande komme. Daher sei die Beklagte auch nicht zur Auskun­ft­serteilung verpflichtet.

Dieses Urteil ist der Klägerin am 27. August 2012 zugestellt wor­den. Die Beru­fung ging am 28. August 2012 und die entsprechende Begrün­dung 28. Okto­ber 2012 beim Lan­desar­beits­gericht ein.

Die Klägerin hält die Recht­san­wen­dung des Arbeits­gerichts für fehlerhaft.

Die Klägerin beantragt – so weit für dieses Teil­urteil rel­e­vant — sinngemäß,

das Urteil des Arbeits­gerichts Bran­den­burg an der Hav­el vom 11.7.2012 – 3 Ca 219/12 — abzuän­dern und

1. festzu­stellen, dass zwis­chen ihr und der Beklagten seit dem 01.01.2011 ein ungekün­digtes Arbeits­ver­hältnis beste­ht, nach welchem sie bei der Beklagten als Gesund­heits- und Kranken­pfle­gerin angestellt ist

2. die Beklagte für den Fall des Obsiegens zu verur­teilen, sie bis zum rechts­kräf­tigen Abschluss des Rechtss­treits tat­säch­lich als Gesund­heits- und Kranken­pfle­gerin zu beschäftigen

3. die Beklagte zu verur­teilen, ihr in entspre­chender Anwen­dung des §§ 13 AÜG Auskun­ft über die wesent­lichen Arbeits­be­din­gungen ein­er vergleich­baren Arbeit­nehmern zu erteilen, die in der Zeit seit Jan­u­ar 2010 als Gesund­heits-Kranken­pfle­gerin beschäftigt gewe­sen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Beru­fung zurückzuweisen.

Die Beklagte behauptet, mit der Klägerin sei irrtüm­lich ein Weit­er­bil­dungsver­trag geschlossen wor­den. Der zuständi­ge Mitar­beit­er habe überse­hen, dass die Klägerin Lei­har­beit­nehmerin gewe­sen war.

Entschei­dungs­gründe

I.

Die Beru­fung ist zuläs­sig. Die Klägerin hat die Beru­fung form- und frist­gerecht ein­gelegt und begründet.

II.

Die Beru­fung hat auch Erfolg. Zwis­chen den Parteien ist seit dem 1. Jan­u­ar 2010 ein Arbeitsver­hält­nis zu Stande gekom­men (1.). Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin vor­läu­fig weit­erzubeschäfti­gen (2.). Im Rah­men der Stufen­klage war die Beklagte fern­er zur Auskun­ft­serteilung zu verurteilen (3.). Insofern war das Urteil des Arbeits­gerichts Bran­den­burg an der Hav­el teil­weise abzuändern.

1. Zwis­chen den Parteien ist seit dem 1. Jan­u­ar 2010 ein Arbeitsver­hält­nis zu Stande gekom­men. Dies ergibt sich aus dem Rechtsin­sti­tut des insti­tu­tionellen Rechtsmiss­brauchs (1.1.). Für die Zeit seit dem 1. Dezem­ber 2011 fol­gt dies hil­f­sweise auch daraus, dass das ver­lei­hende Konz­er­nun­ternehmen die Klägerin nicht nur vorüberge­hend über­lassen hat und für diese Form der Arbeit­nehmerüber­las­sung eine Genehmi­gung nicht vor­lag (1.2.).

1.1. Im Bere­ich der Arbeit­nehmerüber­las­sung stellt es einen insti­tu­tionellen Rechtsmiss­brauch dar, wenn das ver­lei­hende Konz­er­nun­ternehmen nur an einen oder mehrere Konz­er­nun­ternehmen Arbeit­nehmer ver­lei­ht, nicht am Markt wer­bend tätig ist und die Ein­schal­tung dieses ver­lei­hen­den Unternehmens nur dazu dient, Lohnkosten zu senken oder kündi­gungss­chutzrechtliche Wer­tun­gen ins Leere laufen zu lassen. Dies hat zur Folge, dass dem Scheinentlei­her die Arbeit­ge­ber­stel­lung zukommt.

1.1.1. Der in § 242 BGB geregelte Grund­satz von Treu und Glauben beschränkt als Gebot der Redlichkeit und all­ge­meine Schranke der Recht­sausübung sowohl sub­jek­tive Rechte als auch Rechtsin­sti­tute und Nor­men. Rechtsmiss­brauch liegt insofern dann vor, wenn ein Ver­tragspart­ner eine an sich rechtlich mögliche Gestal­tung in ein­er mit Treu und Glauben unvere­in­baren Weise nur dazu ver­wen­det, sich zum Nachteil des anderen Ver­tragspart­ners Vorteile zu ver­schaf­fen, die nach dem Zweck der Norm und des Rechtsin­sti­tuts nicht vorge­se­hen sind. Die insti­tu­tionelle Rechtsmiss­brauch­skon­trolle ver­langt daher wed­er ein sub­jek­tives Ele­ment noch eine Umge­hungsab­sicht (BAG 18.07.2002 – 7 AZR 443/09 – NZA 2012, 1351 Rdnr. 38). Hier­bei ist auch zu prüfen, ob das Ergeb­nis ein­er rechtlichen Beurteilung mit dem Leit­bild der zu prüfend­en Norm in Ein­klang ste­ht (BAG, a. a. O. Rdnr. 41).

Im Bere­ich des Kündi­gungss­chutzes hat das BAG es für rechtsmiss­bräuch­lich ange­se­hen, wenn eine Klinik eine Service-?GmbH gegrün­det, die wirtschaftlich, finanziell und organ­isatorisch von ihr abhängig ist, und wenn ein unternehmerisches Konzept zur Kostenre­duzierung gewählt wird, das fak­tisch nicht zu Änderun­gen in den betrieblichen Abläufen führt, jedoch bei allen Arbeit­nehmern der betrof­fe­nen Abteilun­gen erk­lärter­maßen zum Ver­lust ihres Arbeit­splatzes führen sollte, um so die Arbeit in Zukun­ft von anderen, schlechter bezahlten Arbeit­nehmern ver­richt­en zu lassen (BAG 26.09. 2002 – 2 AZR 636/01 – NZA 2003,549 Rdnr. 24).

1.1.2. In Auf­sätzen, die die Grün­dung von Arbeit­nehmerüber­las­sungs­ge­sellschaften im Konz­ern als Maß­nahme zur Absenkung des Tar­ifniveaus und zum Per­son­al­ab­bau anregten, wurde zugle­ich davor gewarnt, diese Kon­struk­tion allein zu Unter­schre­itung des Tar­ifniveaus zu nutzen. Insofern bestünde die nicht uner­he­bliche Gefahr der Anwen­dung des Umge­hungsver­bot durch die Gerichte (Melms, Lip­in­s­ki BB 2004, 2409, 2415). Sicher­heit­shal­ber seien stets sämtliche Indizien zu ver­mei­den, die das rechtliche Risiko der Anwen­dung des Umge­hungsver­bots erhöhen kön­nten. Insofern wurde emp­fohlen, ins­beson­dere die Arbeit­nehmerüber­las­sungs­ge­sellschaft nicht als reine Tochterge­sellschaft zu kon­stru­ieren. Sie solle am Markt wer­bend auftreten und sich als eigen­ständi­ges Unternehmen darstellen (ebd. 2416).

Andere sehen in ein­er solchen Kon­struk­tion des rein konz­ern­in­ter­nen Ver­leihs ein rechtsmiss­bräuch­lich­es Vorge­hen (Brors/Schüren BB 2004, 2745; Schüren BB 2007, 2346 in Abgren­zung zu LAG Nieder­sach­sen 28.02.2006 – 13 TaBV 56/05 – BB 2007, 2352; Däubler AiB 2008, 524). Begrün­det wird dies damit, dass eine Abwe­ichung vom geset­zlichen Mod­ell der Lei­har­beit in zweier­lei Hin­sicht vor­liege. Der Ver­lei­her werde nur dazwis­chengeschal­tet, um gün­stigere Tar­if­be­din­gun­gen für Lei­har­beit­nehmer zu nutzen und den Bestand­schutz aufheben zu kön­nen. Bei dem konz­ern­in­ter­nen Ver­leih ent­falle jedoch das typ­is­che Arbeit­ge­ber­risiko. Arbeit­nehmerüber­las­sung im Sinne des AÜG sei das Anbi­eten ein­er speziellen Dien­stleis­tung am Markt. Wer über­haupt nicht ern­sthaft am Markt auftrete, son­dern nur in sym­bi­o­tis­ch­er Beziehung zu anderen Unternehmen existiere, sei kein gewerb­smäßiger Ver­lei­her, son­dern gewerb­smäßiger Strohmann. Die Möglichkeit, als Ver­lei­her durch eigene Tar­ifverträge das beim Entlei­her herrschende Vergü­tungsniveau zu unter­schre­it­en, werde nach dem geset­zlichen Mod­ell dadurch gerecht­fer­tigt, dass der Ver­lei­her üblicher­weise das Risiko zu tra­gen hat, auch in Nichtbeschäf­ti­gungszeit­en den Lei­har­beit­nehmer zu vergüten. Auch kündi­gungss­chutzrechtliche Bes­tim­mungen wür­den umgan­gen. Das Ver­lei­hunternehmen ver­füge über keine eige­nen Arbeit­splätze. Das Risiko, dass die Konz­ern­schwest­er als einzige Kundin ihre Aufträge zurück­fahre, werde voll auf die Lei­har­beit­nehmer ver­lagert. Ger­ade weil das Ver­lei­hunternehmen über keine anderen Auf­tragge­ber ver­füge, sei im Hin­blick auf die Recht­sprechung des BAG (18. 5.2006 – 2 AZR 412/05 – DB 2006, 1962) eine betrieb­s­be­d­ingte Kündi­gung unter vere­in­facht­en Bedin­gun­gen möglich. Auch hierin liege eine entschei­dende Abwe­ichung vom geset­zlichen Mod­ell, denn üblicher­weise müsse ein Ver­lei­hunternehmen nach­weisen, warum der Ein­satz des Arbeit­nehmers bei einem anderen Kun­den bzw. in einem anderen Auf­trag nicht möglich sei.

1.1.3. Das LAG Nieder­sach­sen hat im Rah­men eines Ver­fahrens nach § 99 BetrVG die Rel­e­vanz ein­er Strohmannkon­struk­tion verneint. Der Geset­zge­ber habe die Nutzungs- und Gestal­tungsmöglichkeit­en für Lei­har­beit­nehmer zu Gun­sten der Arbeit­ge­ber aus­geweit­et. Dem Entlei­her könne nicht vorge­hal­ten wer­den, dass er unter Inanspruch­nahme und Auss­chöp­fung dieser geset­zlichen Möglichkeit­en Lei­har­beit­nehmer zur Senkung von Lohnkosten beschäftige (LAG Nieder­sach­sen 26.11.2007 – 6 TaBV 32/07 – Juris Rdnr. 52f).

Das LAG Bre­men hat ein rechtswidriges Umge­hungs­geschäft angenom­men, wenn sich ein Bun­des­land Lehrkräfte von einem gemein­nützi­gen Vere­in zur Ver­fü­gung stellen lasse, da diesen Lehrern der im öffentlichen Dienst zuge­bil­ligte geset­zliche und tar­i­fliche Schutz ent­zo­gen werde (11.06.2008 – 2 Sa 111/07 – Juris Rdnr. 181). Das BAG hat in aufheben­den Entschei­dung Anhalt­spunk­te für einen Miss­brauch der ver­traglichen Gestal­tungs­frei­heit nicht bejaht, da das Arbeitsver­hält­nis dem Kündi­gungss­chutz und dem Gel­tungs­bere­ich des TzBfG unter­liege (02.06.2010 – 7 AZR 946/08 – NZA 2011, 351 Rdnr. 43).

Dem beim Deutschen R. K. beste­hen­den Betrieb­srat ste­he ein Zus­tim­mungsver­weigerungsrecht nach § 99 BetrVG selb­st dann nicht zu, wenn das ein­stel­lende Unternehmen zu 100 Prozent die Geschäft­san­teile an dem ver­lei­hen­den Unternehmen halte und dieser Weg gewählt werde, um Per­son­alkosten zu reduzieren. Ab 1. Jan­u­ar 2004 kön­nten Arbeit­nehmer nun­mehr auf unbe­gren­zte Zeit über­lassen wer­den (BAG 25.01. 2005 – 1 ABR 61/03 – NZA 2005, 1199, 1200).

Das LAG Schleswig-?Holstein hat eine rechtsmiss­bräuch­liche Gestal­tung der arbeit­srechtlichen und gesellschaft­srechtlichen Beziehun­gen angenom­men, wenn im Rah­men ein­er konz­ern­in­ter­nen Arbeit­nehmerüber­las­sung der konz­erneigene Ver­lei­her nur seinen Namen für die Arbeit­nehmerüber­las­sung hergibt, er im übri­gen wed­er konz­ern­in­tern noch am Markt selb­st han­delt, wobei er über kein­er­lei eigene Betrieb­smit­tel und kein­er­lei eigenes Ver­wal­tungsper­son­al ver­fügt und er darüber hin­aus noch die Ein­stel­lungs­ge­spräche mit den Arbeit­nehmern von der konz­ern­in­ter­nen Entlei­herin führen lässt und dieser die Ent­las­sungs- und Abmah­nungs­befug­nis über­lässt (18.6.2008 – 3 TaBV 8/08 – Juris Rdnr. 64).

Ver­fol­gt die Ein­stel­lung von Lei­har­beit­nehmern einen dem sozialen Schutzz­weck der Lei­har­beit­srichtlin­ie ent­ge­gen­ste­hen­den Zweck, so ist dies rechtsmiss­bräuch­lich. Dies ist zu beja­hen, wenn Lei­har­beit­nehmer nur noch eingestellt wer­den, um eine Senkung der Per­son­alkosten zu erre­ichen (LAG Nieder­sach­sen 19.9.2012 – 17 TaBV 124/11 – Juris Rn 38)

Das LAG Berlin-?Brandenburg hat ein Umge­hungs- oder Strohman­ngeschäft mit dem Argu­ment abgelehnt, dass jeden­falls bei Abschluss des Arbeitsver­trages für die Arbeit­nehmerüber­las­sung noch keine zeitliche Begren­zung vorge­se­hen war. Ob ein nicht gebil­ligtes Umge­hungs­geschäft vor­liege, lasse sich jedoch nur nach der bei Abschluss des Ver­trages gülti­gen Recht­slage beurteilen (16.10.2012 — 7 Sa 1182/12 – Juris Rdnr. 45f).

1.1.4. Nach Auf­fas­sung der hiesi­gen Kam­mer ist ein insti­tu­tioneller Rechtsmiss­brauch anzunehmen. Insofern schließt sie sich der Recht­sauf­fas­sung von Brors, Schüren und Däubler an.

Selb­st wenn mit dem BAG davon auszuge­hen ist, dass ab dem 1. Jan­u­ar 2004 eine dauer­hafte Arbeit­nehmerüber­las­sung zuläs­sig gewor­den war, so ergibt sich die Rechtsmiss­bräuch­lichkeit unab­hängig von einem Zeit­mo­ment. Umgekehrt kann die Rechtsmiss­bräuch­lichkeit nicht schon mit dem Argu­ment verneint wer­den, bes­timmte Arbeit­nehmer­schutzge­set­ze kämen zur Anwen­dung. Nach den vom BAG aufgestell­ten Kri­te­rien ver­wen­det ein Ver­tragspart­ner ger­ade eine an sich rechtlich mögliche Gestal­tung (18.07.2002 – 7 AZR 443/09 – NZA 2012, 1351 Rdnr. 38). So ver­hält es sich auch hier. § 9 Ziff. 2 AÜG ermöglicht eine Abwe­ichung von den beim Entlei­her gel­tenden wesentlichen Arbeits­be­din­gun­gen durch Tar­ifver­trag. Rechtsmiss­bräuch­lich wird dies erst dann, wenn eine Seite sich zum Nachteil des anderen Ver­tragspart­ners Vorteile ver­schafft, die nach dem Zweck der Norm nicht vorge­se­hen sind (BAG a. a. O.). Diese Voraus­set­zung ist eben­falls erfüllt. Die vom Gesetz vorge­se­hene Abwe­ichung stellt eine Kom­pen­sa­tion für diejeni­gen Ver­lei­her dar, die wegen der Beschäf­ti­gung der Lei­har­beit­nehmer auch das Risiko dafür tra­gen, dass wegen der schwank­enden Aufträge nicht immer eine Beschäf­ti­gungsmöglichkeit gegeben ist, sie aber trotz­dem das vere­in­barte Ent­gelt zahlen müssen. Ein solch­es Risiko beste­ht beim konz­ern­in­ter­nen Ver­leih nicht. Auf­grund der wirtschaftlichen Abhängigkeit­en wer­den entlei­hende Unternehmen in einem Konz­ern bemüht sein, eine Verän­derung im Arbeit­skräftebe­darf der­art frühzeit­ig mit dem Ver­lei­hunternehmen zu koor­dinieren, dass dieses rechtzeit­ig die entsprechen­den Arbeitsver­hält­nisse aufkündi­gen kann. Das Konz­ern­ver­hält­nis ermöglicht es, die Arbeit­ge­ber­stel­lung ein­er­seits aufzus­pal­ten, ander­er­seits weit­er­hin die jew­eili­gen Arbeitsver­hält­nisse kom­plett zu steuern. Der Arbeit­nehmer hat von dieser kün­stlichen Auf­s­pal­tung demge­genüber nichts. Als Nachteil muss er vielmehr schlechtere Arbeits­be­din­gun­gen hinnehmen.

Dies bet­rifft auch die hiesige Kon­stel­la­tion. In der Beru­fungsver­hand­lung hat die Beklagte erk­lärt, dass sie deswe­gen den Weg der Arbeit­nehmerüber­las­sung für frei wer­dende Arbeit­splätze eingeschla­gen habe, weil sie anderen­falls befürchtete, eine Vergü­tung nach dem BAT-?O und zwar jew­eils mit der höch­sten Leben­saltersstufe zahlen zu müssen.

Auch in kündi­gungsrechtlich­er Hin­sicht liegt ein Rechtsmiss­brauch vor. Hätte die Beklagte die Arbeit­nehmer selb­st eingestellt, müsste sie bei ein­er betrieb­s­be­d­ingten Kündi­gung im Einzel­nen dar­legen, inwiefern der Arbeit­skräftebe­darf ent­fall­en ist. Jeden­falls die Durch­führbarkeit des unternehmerischen Konzepts auf Dauer wäre gerichtlich über­prüf­bar. Diese ent­fällt bei der hier gewählten Kon­struk­tion. Wenn die Beklagte für die Zukun­ft eine gerin­gere Zahl von Arbeit­nehmern bei dem Ver­lei­hunternehmen abfordert, stellt dies für das Ver­lei­hunternehmen einen betrieb­s­be­d­ingten Kündi­gungs­grund dar, weil man­gels eigen­er Arbeit­splätze und ander­er Aufträge die Möglichkeit zu Beschäf­ti­gung dieser Arbeit­nehmer ent­fällt. Vor­liegend wird dies auch deswe­gen beson­ders rel­e­vant, weil die Klägerin gem. § 1 Ziff. 6 des Arbeitsver­trages nur für den Stan­dort Bran­den­burg eingestellt wurde. Eine Ver­set­zungsmöglichkeit in örtlich­er Hin­sicht sieht § 4 des Arbeitsver­trages nicht vor.

Nach der hier vertrete­nen Konzep­tion wird nicht jeglich­er konz­ern­in­tern­er Ein­satz von Lei­har­beit­nehmern unwirk­sam. Soweit konz­ern­in­terne Ver­lei­hge­sellschaften z. B. die Funk­tio­nen eines konz­ern­in­ter­nen Arbeit­samtes oder ein­er Beschäf­ti­gungs- und Qual­i­fizierungs­ge­sellschaft übernehmen (Lem­bke BB 2012 2497, 2498), mag dies auch mit ein­er Absenkung arbeit­srechtlich­er Stan­dards ein­herge­hen. Umgekehrt erlangt der Arbeit­nehmer jedoch Vorteile, näm­lich die (vorüberge­hende) Sicherung seines Arbeit­splatzes, so dass die Rechtsmiss­bräuch­lichkeit zu verneinen ist.

1.2. Für die Zeit seit dem 1. Dezem­ber 2011 fol­gt die Arbeit­ge­ber­stel­lung der Beklagten hil­f­sweise auch daraus, dass das ver­lei­hende Konz­er­nun­ternehmen die Klägerin nicht nur vorüberge­hend über­lassen hat und für diese Form der Arbeit­nehmerüber­las­sung eine Genehmi­gung nicht vorlag.

1.2.1. Für die Zeit ab dem 1. Dezem­ber 2011 ist eine schon erteilte Erlaub­nis nach § 1 AÜG auf die vorüberge­hende Über­las­sung von Arbeit­nehmern beschränkt. Die Über­las­sung auf Dauer ist nicht (mehr) erlaub­n­is­fähig. Erfol­gt die Über­las­sung eines Arbeit­nehmers an den Entlei­her nicht nur vorüberge­hend, kommt nach §§ 10 I 1 2. Alt, 9 Nr. 1 AÜG ein Arbeitsver­hält­nis mit dem Entlei­her zu Stande.

Nach § 9 Ziff. 1 AÜG sind Verträge zwis­chen Ver­lei­h­ern und Lei­har­beit­nehmern unwirk­sam, wenn der Ver­lei­her nicht die nach § 1 erforder­liche Erlaub­nis besitzt. Somit erstreckt sich die Sank­tion nicht nur auf § 1 I 1 AÜG, son­dern auf den gesamten § 1 AÜG. Diese Norm regelt entsprechend ihrer Über­schrift die Erlaub­nispflicht, bein­hal­tet darüber hin­aus aber auch geset­zliche Aus­nah­men (§ 1 I 3, 4, III AÜG).

Ab dem 1. Dezem­ber 2011 ist § 1 I 2 AÜG neu einge­fügt wor­den, wonach die Über­las­sung von Arbeit­nehmern an Entlei­her vorüberge­hend erfol­gt. Vere­inzelt wird angenom­men, das neue Recht erfasse lediglich die vorüberge­hende Arbeit­nehmerüber­las­sung mit der Folge, dass die auf Dauer angelegte Über­las­sung uneingeschränkt zuläs­sig sei (Thüsing/Siebert DB 2012, 632, 634). Dies über­sieht jedoch, dass das AÜG ein präven­tives Ver­bot der Arbeit­nehmerüber­las­sung mit Erlaub­nisvor­be­halt enthält (Ulber – Jür­gen Ulber § 1 AÜG Rdnr. 12; Schüren/Hamann § 1 AÜG Rdnr. 4; Düwell DB 2011, 1520, 1520). Insofern gilt ger­ade nicht die Regel, dass alles erlaubt ist, was nicht ver­boten ist. Deshalb kann in § 1 I 2 AÜG auch keine reine Pro­gramm­norm gese­hen wer­den, die nichts näher regelt (Giesen FA 2012, 66, 68; a. A. Lem­bke BB 2012, 2497, 2500; Teusch/Verstege NZA 2012, 1326, 1328f). Dies fol­gt auch daraus, dass mit dieser geset­zlichen Änderung die euro­parechtliche Richtlin­ie 2008/104/EG vom 19. Novem­ber 2008 (kün­ftig: Lei­har­beit­srichtlin­ie) umge­set­zt wer­den sollte. Eine dauer­hafte Über­las­sung ist damit unzuläs­sig gewor­den, denn die Richtlin­ie geht davon aus, dass eine Dauerüber­las­sung unzuläs­sig ist (Schüren/Wank RdA 2011, 1, 3; Hamann NZA 2011, 70, 72; Düwell ZESAR, 2011, 449, 450; San­sone, Gle­ich­stel­lung von Lei­har­beit­nehmern nach deutschem und Union­srecht, S. 462; Zim­mer AuR 2012, 422, 424; Bartl/Romanowski NZA 2012, 845; Böhm DB 2012, 918, 919; ArbG Cot­tbus 25.04.2012 – 2 BV 8/12 – Juris Rdnr. 30 mit Anm. Hamann jurisPR-?ArbR 40/2012 Anm.1; ArbG Cot­tbus 22.08.2012 – 4 BV 2/12 – Juris Rdnr. 45; LAG Nieder­sach­sen 19.09.2012 – 17 TaBV 124/11 – Juris Rdnr. 30; zulet­zt LAG Berlin-?Brandenburg 19.12.2012 – 4 TaBV 1163/12 zu B I 1a, bb mit aus­führlich­er Begrün­dung; a. A. ArbG Leipzig 15.02.2012 – 11 BV 79/11 – Juris Rdnr. 46f).

Geset­zestech­nisch ist die Umset­zung der Lei­har­beit­srichtlin­ie hin­sichtlich des Merk­mals „vorüberge­hend“ dadurch erfol­gt, dass diese Voraus­set­zung im Bere­ich der Erlaub­nispflicht fest­geschrieben wurde. Die nicht vorüberge­hende Arbeit­nehmerüber­las­sung ist nicht erlaub­n­is­fähig ( Böhm DB 2012, 918, 919; Düwell dbr 7/2011, 10, 12). Einem Unternehmen, das erk­lärter­maßen auss­chließlich Dauerver­leih betreiben will, kann somit ab dem 1. Dezem­ber 2011 für dies Art der Gewer­beausübung keine Erlaub­nis erteilt werden.

Ist — wie hier – schon vor den obi­gen Stich­tag ein­er Erlaub­nis zur Arbeit­nehmerüber­las­sung erteilt wor­den, so ist im Hin­blick auf die Sank­tio­nen gem. §§ 9 Ziff. 1, 10 I AÜG nicht nur zu prüfen, ob eine Erlaub­nis vor­liegt (so LAG Berlin-?Brandenburg 16.10.2012 – 7 Sa 1182/12 – Juris Rdnr. 27), son­dern es ist auch festzustellen, welchen Inhalt sie nun­mehr hat. Im Rah­men des geset­zge­berischen Han­delns kann sowohl die Erlaub­nispflichtigkeit aus­gedehnt als auch die Erlaub­n­is­fähigkeit eingeschränkt wer­den. Let­zteres ist mit dem 1. Dezem­ber 2011 hin­sichtlich des Merk­mals „vorüberge­hend“ erfol­gt. Die geset­zliche Neuregelung hat daher zur Folge, dass schon erteilte Genehmi­gun­gen im Umfang beschränkt wer­den, näm­lich auf die nur vorüberge­hende Arbeit­nehmerüber­las­sung. Dies ergibt sich unmit­tel­bar aus dem Gesetz. Ein Han­deln der Erlaub­nis­be­hörde ist nicht erforderlich.

Diese Regelung­stech­nik find­et sich auch in anderen Bere­ichen, in denen ein geset­zlich­es Ver­bot mit Erlaub­nisvor­be­halt anzutr­e­f­fen ist. So hat der Geset­zge­ber zum Beispiel in der jün­geren Ver­gan­gen­heit das Recht der Fahrerlaub­nisse neu geregelt mit der Folge, dass ab Vol­len­dung des 50. Leben­s­jahres Per­so­n­en mit der Fahrerlaub­nis der alten Klassen 2 und 3 bes­timmte Kraft­fahrzeuge und Fahrzeugkom­bi­na­tio­nen nicht mehr führen dür­fen. Diese Wirkun­gen wer­den auch nicht durch entziehende Ver­wal­tungsak­te hergestellt. Diese Änderun­gen und der (teil­weise) Ver­lust ein­er Fahrerlaub­nis trat vielmehr durch das Gesetz selb­st ein (anschaulich VG Mün­ster 04.02. 2005 – 10 K 3931/03 – Juris Rdnr. 18).

Über­wiegend wird in der Lit­er­atur bemän­gelt, dass der Geset­zge­ber zwar ein neues Tatbe­standsmerk­mal einge­führt hat, dieses aber nicht mit der Schaf­fung ein­er (geson­derten) Sank­tion­snorm begleit­et war. Dem ist zuzugeben, dass der Geset­zge­ber zu früheren Zeit­en bei der Über­schre­itung ein­er bes­timmten Höch­stüber­las­sungs­dauer in § 1 II AÜG a. F. ver­mutet hat­te, dass Arbeitsver­mit­tlung vor­liegt. Aus der Regelung des § 13 AÜG a. F., der nach Auf­fas­sung des BAG vom Wort­laut her nur den Ent­geltschutz gegenüber dem Entlei­her regelte, hat die Recht­sprechung abgeleit­et, dass in den Fällen der ver­muteten Arbeitsver­mit­tlung ein Arbeitsver­hält­nis auss­chließlich mit dem Entlei­her zus­tande kommt (BAG 10.02.1977 – 2 ABR 80/76 – NJW 1977, 1413 zu II 2b der Gründe). Im Laufe des hiesi­gen Geset­zge­bungsver­fahrens zur Umset­zung der Lei­har­beit­srichtlin­ie hat­te der Geset­zge­ber hin­sichtlich des Merk­mals „vorüberge­hend“ ursprünglich nur in § 1 II AÜG eine Ergänzung vorge­se­hen, wonach Arbeitsver­mit­tlung ver­mutet wird, wenn die Über­las­sung nicht nur vorüberge­hend erfol­gt (vgl. zu diesem Sta­di­um Hamann, NZA 2011, 70, 74). Wäre es hier­bei verblieben, dann wäre in der Tat als Sank­tion wahrschein­lich nur in Betra­cht gekom­men, dass die Erlaub­nis­be­hörde den Entzug der Erlaub­nis prüft (so Hamann a. a. O.). Diese Regelung­stech­nik hat der Geset­zge­ber dann jedoch nicht weit­er­ver­fol­gt. Das Merk­mal „vorüberge­hend“ wurde von der Regelung zur Arbeitsver­mit­tlung abgekop­pelt und stattdessen im Bere­ich des § 1 I AÜG ange­siedelt. Damit betraf es nun­mehr den Bere­ich der Erlaub­n­is­fähigkeit. Für eine Arbeit­nehmerüber­las­sung, die sich außer­halb des erlaub­n­is­fähi­gen Bere­ichs des § 1 AÜG bewegt, kann es jedoch keine Erlaub­nis geben. Dies eröffnet die Möglichkeit, die schon vorhan­de­nen Sank­tio­nen in §§ 9, 10 AÜG direkt anzuwenden.

Dem ste­ht auch nicht ent­ge­gen, dass das BAG die Anwen­dung der §§ 9, 10 AÜG für den Fall abgelehnt hat, dass im Baubere­ich ille­galer Ver­leih gem. § 1b AÜG vor­lag (BAG 13.12.2006 – 10 AZR 674/05 – NZA 2007, 751; Anm. Hamann, jurisPR-?ArbR 13/2007 Anm. 1). Dort ging es um die analoge Anwen­dung der Sank­tion­snor­men. Dies hat das BAG mit dem Hin­weis verneint, dass es an ein­er plan­widri­gen Geset­zes­lücke fehle. Im hiesi­gen Fall geht es demge­genüber um die direk­te Anwen­dung der §§ 9, 10 AÜG.

Die hier gefun­dene Ausle­gung ist auch im Hin­blick auf die Umset­zung der Lei­har­beit­srichtlin­ie geboten. Ein Ver­stoß gegen § 1 I 2 AÜG muss auch deswe­gen indi­vid­u­al­rechtlich sank­tion­ier­bar sein, weil son­st das Sank­tion­s­ge­bot nach Art. 10 Lei­har­beit­srichtlin­ie leer liefe. Zwar gehen die Arbeits­gerichte zunehmend davon aus, dass bei einem Dauerver­leih der Betrieb­srat des Entlei­her­be­triebes der Ein­stel­lung von Lei­har­beit­nehmern nach § 99 BetrVG wider­sprechen kann (ArbG Cot­tbus 25.04.2012 – 2 BV 8/12 – Juris; ArbG Cot­tbus 22.08.2012 – 4 BV 2/12 – Juris ; LAG Nieder­sach­sen 19.09.2012 – 17 TaBV 124/11 – Juris ; LAG Berlin-?Brandenburg 19.12.2012 – 4 TaBV 1163/12), doch wäre eine solche Sank­tion nur lück­en­haft. Nicht in jedem Betrieb beste­hen Betrieb­sräte. Diese sind auch nicht verpflichtet, ein­er Ein­stel­lung zu wider­sprechen. Darüber hin­aus kann das Entlei­hunternehmen die Maß­nahme nach § 100 BetrVG jeden­falls vor­läu­fig durchführen.

1.2.2. Eine Über­las­sung von Arbeit­nehmern, die – wie hier – auf Dauer angelegt ist, erfol­gt nicht mehr vorüberge­hend. Dies ist der Fall, wenn die ver­liehenen Arbeit­nehmer auf Dauer­ar­beit­splätzen einge­set­zt wer­den, für die keine Stam­mar­beit­nehmer vorhan­den sind.

Die 4. Kam­mer des LAG Berlin-?Brandenburg hat bezo­gen auf den gle­ichen Arbeit­ge­ber überzeu­gend und aus­führlich begrün­det, dass eine Über­las­sung von Arbeit­nehmern an Entlei­her dann nicht vorüberge­hend erfol­gt, wenn hier­durch ein rein­er Dauerbeschäf­ti­gungs­be­darf abgedeckt wird. Insofern ist das Merk­mal „vorüberge­hend“ arbeit­splatz- und nicht per­so­n­en­be­zo­gen (LAG Berlin-?Brandenburg 19.12.2012 – 4 TaBV 1163/12).

Vor­liegend hat die Klägerin bei der Beklagten einen Dauer­ar­beit­splatz ein­genom­men, für den kein Stam­mar­beit­nehmer vorhan­den war.

1.2.3. Es kann offen bleiben, ob das hier gefun­dene Ergeb­nis auch auf anderem Wege erre­icht wer­den kann. Zum Teil wird angenom­men, dass bei einem Dauerver­leih eine Schw­er­punk­tver­lagerung des Arbeitsver­hält­niss­es vom über­lassenden Arbeit­ge­ber zum Entlei­her stat­tfind­et (Ulber – Jür­gen Ulber § 1 AÜG Rdnr. 230e). Andere gehen davon aus, dass man­gels aus­drück­lich­er Sank­tion die §§ 9, 10 AÜG ana­log her­anzuziehen sind (Düwell dbr 7/2011, 10, 12; Bartl/Romanowski NZA 2012, 845, 846; ablehnend LAG Berlin-?Brandenburg 16.10.2012 – 7 Sa 1182/12 – Juris).

2. Der vor­läu­fige Weit­erbeschäf­ti­gungsanspruch ist eben­falls begrün­det, da hier eine Entschei­dung vor­liegt, die das Beste­hen eines Arbeitsver­hält­niss­es zwis­chen den Parteien fest­stellt. Dies entspricht der ständi­gen Recht­sprechung (BAG GS 27.02.1985 – GS 1/84 – AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäf­ti­gungspflicht). Die hierge­gen von der Beklagten vorge­bracht­en Ein­wen­dun­gen überzeu­gen angesichts der ständi­gen Recht­sprechung nicht.

3. Die Beklagte ist auch verpflichtet, der Klägerin in entsprechen­der Anwen­dung des § 13 AÜG Auskun­ft über die wesentlichen Arbeits­be­din­gun­gen ein­er ver­gle­ich­baren Arbeit­nehmerin zu erteilen, die in der Zeit seit Jan­u­ar 2010 als Gesund­heits- und Krankenpflegerin beschäftigt gewe­sen ist.

Die Klage ist als Stufen­klage (§ 254 ZPO) zuläs­sig und begrün­det, denn die Klägerin kann die entsprechen­den Vergü­tungs­d­if­feren­zen erst ein­kla­gen, wenn die Beklagte sie über die wesentlichen Arbeits­be­din­gun­gen ein­er ver­gle­ich­baren Arbeit­nehmern aufgek­lärt hat. Die Auskun­ft­sklage ist auch bes­timmt genug im Sinne § 253 II Nr. 2 ZPO, denn die For­mulierung entspricht § 13 AÜG (a. A. LAG Berlin-?Brandenburg 26.10.2012 – 8 Sa 1183/12 – hin­sichtlich eines Feststellungsantrages).

III.

Da nur ein Teil­urteil ergan­gen ist, bleibt die Koste­nentschei­dung dem Schlus­surteil vorbehalten.

Die Revi­sion ist für die Beklagte gemäß § 72 II Nr. 1 ArbGG zuge­lassen worden.