7. Juni 2012
Unterschiedliche Kantinenpreise für Leiharbeitnehmer und Stammmitarbeiter — Betriebsrat — Mitbestimmungsrecht
Landesarbeitsgericht Hamburg — 07.06.2012 — 2 TaBV 4/12 | Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates im Entleiherbetrieb bei Kantinenpreisen für Leiharbeitnehmer.
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 12. April 2012 – 29 BV 12/12 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle.
Die Beteiligte zu 2 (nachfolgend Arbeitgeber genannt) hat bundesweit mehrere Standorte, darunter das G. L. C. (G.), dessen Betriebsrat der Beteiligte zu 1 (nachfolgend Betriebsrat genannt) ist und das mindestens 307 Arbeitnehmer und mindestens 51 Leiharbeitnehmer beschäftigt. Bei dem Betrieb G. handelt es sich um den Betrieb mit den mit Abstand meisten Leiharbeitnehmern im Unternehmen.
Das Unternehmen der Beteiligten zu 2 vereinbarte mit dem bei ihm gebildeten Gesamtbetriebsrat am 8.12.2011 eine Betriebsvereinbarung zum Kantinenessen (Anlage Ast 1, Bl. 7ff. d. A.), deren Geltungsbereich sich auf die eigenen Arbeitnehmer des Arbeitgebers beschränkt und die den Einbehalt einer Pauschale von den jeweiligen Monatsbezügen für die Nutzung der Kantine vorsieht. Die Monatspauschale beträgt 41,70 €.
§ 3 der Betriebsvereinbarung lautet unter der Überschrift „Einzelne Essensmarken“ wie folgt:
„Mitarbeiter, die aufgrund ihrer Tätigkeit nicht die Möglichkeit haben am regelmäßigen Kantinenessen teilzunehmen, können einzelne Essensmarken für € 2,80 erwerben.
Mitarbeiter, die sich abgemeldet haben, aber doch gelegentlich essen möchten, müssen den Preis entrichten, den die GFG im jeweiligen Kasino berechnet. Dieser Preis gilt auch für Mitarbeiter in passiver Altersteilzeit und Pensionäre.“
Leiharbeitnehmer zahlen in der Kantine des G. L. C. eine Monatspauschale in Höhe von 100,00 € und für eine einzelne Essensmarke 7,00 €.
Die Kantinen an den Standorten des Arbeitgebers werden von einer Schwestergesellschaft des Arbeitgebers geführt. Abhängig von der jeweiligen Größe gibt es unterschiedliche Bezuschussungserfordernisse für den Arbeitgeber.
Der Betriebsrat hat vorgetragen, er habe wegen der gemäß § 13 b AÜG erforderlichen Gleichbehandlung der Leiharbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG im Hinblick auf die Einbeziehung von Leiharbeitnehmern in die Kantine. Von § 13 b AÜG könne auch in einer (Gesamt-?)Betriebsvereinbarung nicht abgewichen werden. Durch die (Gesamt-?)Betriebsvereinbarung sei das Mitbestimmungsrecht auch nicht verbraucht, da dieses nur auf die Stammbelegschaft bezogen gewesen sei. Im Übrigen sei der Gesamtbetriebsrat nicht regelungszuständig.
Der Betriebsrat hat beantragt,
1. als unparteiischen Vorsitzenden einer Einigungsstelle bei den Beteiligten betreffend die Einbeziehung von Leiharbeitnehmern in die Gemeinschaftseinrichtung Kantine, insbesondere im Hinblick auf die Festsetzung der Preise für Leiharbeitnehmer, Herrn Dr. J. W. zu bestimmen,
2. die Zahl der Beisitzer pro Betriebspartei auf drei festzusetzen.
Der Arbeitgeber hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Der Arbeitgeber hat vorgetragen, die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig. § 13 b AÜG gewähre keinen Regelungsspielraum. Geldleistungen wie Essenszuschüsse würden von dieser Norm gar nicht erfasst. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG erfasse Leiharbeitnehmer nicht. Jedenfalls sei ein etwaiges Mitbestimmungsrecht durch den Abschluss der (Gesamt-?)Betriebsvereinbarung zum Kantinenessen verbraucht, weil der Arbeitgeber und der Gesamtbetriebsrat Leiharbeitnehmer bewusst nicht einbezogen hätten. Wegen der überbetrieblichen Organisation der Kantinen bestehe im Übrigen jedenfalls keine Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats im G.. L. C..
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 12.4.2012 — 29 BV 12/12 – Bl. 23ff. d. A. – den Antrag des Betriebsrates zu 1 als unzulässig angesehen, die übrigen Anträge als zulässig und begründet beurteilt. Die Einigungsstelle sei nicht offensichtlich unzuständig. Denn es sei nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Festsetzung der Kantinenpreise für Leiharbeitnehmer der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG unterliege. Gemäß § 13 b AÜG habe der Arbeitgeber den Leiharbeitnehmern Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen im Entleiherbetrieb unter den gleichen Bedingungen zu gewähren wie vergleichbaren Arbeitnehmern, es sei denn, eine sachliche Unterscheidung sei gerechtfertigt. Diese Norm lasse den Betriebsparteien hinreichend Regelungsspielraum. Es gehe auch nicht um Essenszuschüsse, sondern um die Festsetzung der Kantinenpreise für die Leiharbeitnehmer. Ein Mitbestimmungsrecht in rechtlich selbstständigen Sozialeinrichtungen sei grundsätzlich gegeben. Dieses sei auch nicht verbraucht durch die abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung. Auch die überbetriebliche Organisation der Kantinen stehe nicht entgegen, da der örtliche Betriebsrat Regelungskompetenz habe, da unterschiedliche Bezuschussungserfordernisse gegeben seien. Gegen den vom Betriebsrat vorgeschlagenen Vorsitzenden der Einigungsstelle, Herrn Dr. J. W., bestünden ebenso wenig Bedenken wie gegen die Zahl von drei Beisitzern pro Seite.
Gegen den der Beteiligten zu 2 am 17.4.2012 (Bl. 33 d. A.) zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat diese mit Schriftsatz vom 30.4.2012, bei Gericht am gleichen Tage eingegangen (Bl. 34 d. A.), Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.
Die Beteiligte zu 2 rügt mit ihrer Beschwerde, dass das Arbeitsgericht verkannt habe, dass die Einigungsstelle im Streitfall offensichtlich unzuständig sei. Denn § 13 b AÜG habe keinen Bezug zu Entlohnungsfragen. Dies ergebe sich auch aus der Gesetzesbegründung. Essenszuschüsse fielen nicht unter § 13 b AÜG. Entgeltleistungen seien nur in § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG und § 10 Abs. 4 AÜG geregelt. Ein arbeitsentgeltbezogenes Mitbestimmungsrecht liege ausschließlich beim Betriebsrat des Verleiherunternehmens. Es gebe auch keine Vertretungslücke, vielmehr bestehe die Gefahr von Doppelansprüchen. Die Beteiligte zu 2 verweist auf die Grundsätze in § 14 AÜG. Zwar sei nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG die Festsetzung von Kantinenpreisen mitbestimmungspflichtig, der Dotierungsrahmen werde aber vom Arbeitgeber einseitig vorgegeben. Zudem sei ein etwaiges Mitbestimmungsrecht durch die abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung verbraucht. Die Dotierung und die Essensqualität lägen damit fest. Die Höhe etwaiger Zuschüsse für Leiharbeitnehmer sei nicht mitbestimmungspflichtig. Mit der Gesamtbetriebsvereinbarung hätten die Betriebsparteien eine abschließende Entscheidung über die Nichteinbeziehung der Leiharbeitnehmer getroffen. Die Gesamtbetriebsvereinbarung regele ja auch die Kantinenpreise im Einzelnen. Zudem stellten sich eine Reihe von lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtlichen Fragen bei Zuwendungen an Leiharbeitnehmer durch die Beteiligte zu 2. Die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats sei gegeben, da die Schwestergesellschaft der Beteiligten zu 2 in allen Betrieben Kantinen mit den gleichen Endpreisen betreibe, und zwar insbesondere wegen der regen Reisetätigkeit von Arbeitnehmern zwischen den verschiedenen Betrieben. Der Arbeitgeber bestimme bei freiwilligen Leistungen allein über die Zuständigkeit des betriebsverfassungsrechtlichen Organs.
Die Beteiligte zu 2 beantragt,
den erstinstanzlichen Beschluss abzuändern und die Anträge des Beteiligten zu 1 in vollem Umfang abzuweisen.
Der Beteiligte zu 1 beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Betriebsrat verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die von der Beteiligten zu 2 in Bezug genommene Gesamtbetriebsvereinbarung zum Kantinenessen vom 8.12.2011 regele gerade nicht die neue Rechtslage, die durch die am 1.12.2011 in Kraft getretenen Änderungen zum AÜG entstanden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die zu Protokoll gegebenen Erklärungen verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist unbegründet. Durch den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 12.4.2012 ist den Anträgen des Betriebsrates, soweit sie zulässig waren, zu Recht stattgegeben worden. Denn die Einigungsstelle ist vorliegend nicht offensichtlich unzuständig im Sinne des § 98 Abs. 1 ArbGG.
A.
Die von der Beteiligten zu 2 form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§ 98 Abs. 2 i. V. m. § 87 Abs. 2 ArbGG).
Die Beschwerde vom 30.4.2012 ist insbesondere rechtzeitig innerhalb der Zwei-?Wochen-?Frist des § 98 Abs. 2 S. 2 ArbGG eingelegt und begründet worden und entspricht auch im Übrigen den Zulässigkeitsvoraussetzungen.
B.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist jedoch unbegründet. Denn die vom Betriebsrat begehrte Einigungsstelle betreffend die Festsetzung der Preise für Leiharbeitnehmer in der Gemeinschaftseinrichtung Kantine ist nicht offensichtlich unzuständig i. S. des § 98 Abs. 1 ArbGG.
1. Der zweitinstanzlich noch zur Entscheidung anstehende Antrag des Beteiligten zu 1 auf Einsetzung einer Einigungsstelle ist zulässig und begründet.
a) Anträge einer Betriebspartei auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer können gemäß § 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Offensichtlich unzuständig im Sinne des § 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG ist die Einigungsstelle dann, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort und ohne weiteres erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt infrage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt (s. statt vieler: LAG Schleswig-?Holstein vom 19.12.2006, 6 TaBV 14/06; LAG Hamm vom 11.2.2008, 10 TaBV 111/07; LAG Hessen vom 20.5.2008, 4 TaBV 97/08; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht (-?Koch), 11. Aufl., § 98 ArbGG, Rn. 3 m.w.N.; Schwab/Weth, ArbGG, 3. Aufl., § 98 Rn. 2 m.w.N.).
Das Arbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Feststellung der offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle vorliegend nicht getroffen werden kann. Die Einigungsstelle wird daher über ihre Zuständigkeit in eigener Kompetenz selbst zu entscheiden haben.
b) Das Arbeitsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass im Streitfall nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass der Regelungsgegenstand „Festsetzung der Kantinenpreise für Leiharbeitnehmer“ der erzwingbaren Mitbestimmung im Entleiherbetrieb gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG unterliegt.
aa) Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist.
Eine Kantine ist eine Sozialeinrichtung i. S. des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG und die Festsetzung von Kantinenpreisen ist eine Frage der Ausgestaltung dieser Sozialeinrichtung und deshalb mitbestimmungspflichtig (BAG vom 11.7.2000 — 1 AZR 551/99; Fitting, BetrVG, 26. Aufl., § 87 Rn. 364 m.w.N.; Richardi, BetrVG, 13. Aufl., § 87 Rn. 640). Im Rahmen der erzwingbaren Mitbestimmung bei der Ausgestaltung von Sozialeinrichtungen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG hat der Betriebsrat auch ein Initiativrecht. Allerdings kann der Betriebsrat nicht erzwingen, dass der Arbeitgeber höhere Zuschüsse für die Kantine als bisher leistet. Denn die für die Kantine aufzuwendenden Mittel bestimmt der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei (ständige Rechtsprechung des BAG zum sog. Dotierungsrahmen, s. BAG vom 11.7.2000, aaO; BAG vom 12.6.1975, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; BAG vom 26.4.1988, AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung). Innerhalb der Zweckbestimmung der Sozialeinrichtung kann der Arbeitgeber auch den begünstigten Personenkreis abstrakt festlegen (BAG vom 26.4.1988, aaO). Allerdings hat er aufgrund des § 13 b AÜG seit dessen Inkrafttreten am 1.12.2011 nicht mehr die rechtliche Möglichkeit Leiharbeitnehmer vom Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen wie Kantinen auszuschließen, soweit nicht eine Ungleichbehandlung mit den Arbeitnehmern des Entleiherbetriebs sachlich gerechtfertigt ist (s. auch Fitting, aaO, § 87 Rn. 353). Letzteres dürfte jedoch nur in Ausnahmefällen zu bejahen sein, da die gesetzliche Neuregelung ja gerade auf die Gleichstellung der Leiharbeitnehmer mit den Stammbeschäftigten ausgerichtet ist (s. auch Lembke, DB 2011, S. 414, 418).
bb) Nach § 13 b AÜG hat der Entleiher dem Leiharbeitnehmer Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen oder ‑diensten im Unternehmen unter den gleichen Bedingungen zu gewähren wie vergleichbaren Arbeitnehmern in dem Betrieb, in dem der Leiharbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt. Dass zu den Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne dieser Vorschrift auch Kantinen zählen, ergibt sich bereits aus der ausdrücklichen Erwähnung der “Gemeinschaftsverpflegung” in § 13 b S. 2 AÜG. Von daher folgt bereits unmittelbar aus dem Gesetzestext, dass eine Nichtöffnung der Kantine für Leiharbeitnehmer gesetzwidrig wäre. Darum geht es vorliegend jedoch nicht, da diesen unstreitig der Zugang zur Kantine im Betrieb des G. vom Arbeitgeber gewährt wird.
Die Vorschrift des § 13 b AÜG geht jedoch deutlich über die bloße Zugangsverschaffung hinaus, indem sie den Leiharbeitnehmern Zugang unter den gleichen Bedingungen gewährt wie vergleichbaren Arbeitnehmern in dem Betrieb, indem der Leiharbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt. Damit flankiert sie den allgemeinen Gleichstellungsgrundsatz in Bezug auf Leiharbeitnehmer („equal pay/-?treatment“). Daraus ergibt sich aber auch, dass eine unterschiedliche Kantinenpreisgestaltung hinsichtlich von Stammbeschäftigten und Leiharbeitnehmern gesetzwidrig ist (so auch: Kock, DB 2012, S. 323, 325; Grüneberg, AiB 2012, S. 176, 177; Ulber, AiB 2012, S. 7, 11; insoweit wohl auch: Vielmeier, NZA 2012, S. 535, 538). Denn Gründe für eine unterschiedliche Behandlung aus Sachgründen sind nicht ersichtlich.
Andererseits folgt daraus nicht, dass das Entleiherunternehmen etwa verpflichtet wäre, Essenszuschüsse, die es unmittelbar an seine Stammarbeitnehmer auszahlt, nunmehr auch den Leiharbeitnehmern zu gewähren (so auch Fitting, aaO, § 87 Rn. 353; Forst, AuR 2012, S. 97, 100; Kock, aaO, S. 325; Lembke, NZA 2011, S. 319ff.; Lembke, DB 2011, S. 414, 418). Denn insoweit weist die Beteiligte zu 2 zu Recht darauf hin, dass durch § 13 b AÜG keine entgeltbezogene Verbindung zwischen Entleiherunternehmen und Leiharbeitnehmer begründet wird. Eine solche würde auch zahlreiche lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtliche Probleme aufwerfen, die mit dem Grundsatz, dass Leiharbeitnehmer auch während der Zeit ihrer Arbeitsleistung bei einem Entleiher Angehörige des entsendenden Betriebes des Verleihers bleiben (§ 14 Abs. 1 AÜG) nicht in Einklang zu bringen wären (s. dazu Kock, aaO, S. 326).
Während also einerseits durch § 13 b AÜG ausgeschlossen ist, dass Leiharbeitnehmer bei gleichem Zugang zu Kantineneinrichtungen im Entleiherbetrieb höhere Kantinenpreise zahlen müssen als vergleichbare Stammbeschäftigte im Entleiherbetrieb, zwingt die Vorschrift andererseits den Arbeitgeber im Entleiherbetrieb nicht dazu, den Dotierungsrahmen für die Kantine zu erhöhen. Vielmehr kann es dabei zu einer Neubestimmung der Verteilungsgrundsätze kommen. Wenn der Arbeitgeber den Dotierungsrahmen zur Ermöglichung gleicher Kantinenpreise für die Leiharbeitnehmer nicht erhöht, kann dies auch eine Erhöhung der Kantinenpreise für die Stammbeschäftigten zur Folge haben. Denkbar ist aber andererseits auch, dass der Arbeitgeber die zusätzlichen Kosten für die vergünstigten Kantinenpreise für Leiharbeitnehmer bei seinen Vertragsverhandlungen mit dem Verleihunternehmen als Abzugsposten berücksichtigt. Klar ist aber, dass unterschiedliche Kantinenpreise für Stammbeschäftigte und Leiharbeitnehmer nach Inkrafttreten des § 13 b AÜG nicht mehr gesetzeskonform sind.
cc) Im Gegensatz zur Auffassung der Beteiligten zu 2 ist hinsichtlich der Festlegung der Kantinenpreise für die Leiharbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats im Entleiherbetrieb nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG nicht ausgeschlossen.
Das Arbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass das diesbezügliche Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats im Entleiherbetrieb sich auch auf Leiharbeitnehmer beziehen kann. Die Einbeziehung von Leiharbeitnehmern ist erforderlich, wenn der Gegenstand des Mitbestimmungsrechts und das dem Entleiher zustehende Weisungsrecht eine betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung der Leiharbeitnehmer auch zum Entleiherbetrieb erforderlich machen, weil sonst diese Arbeitnehmer ohne kollektiven Schutz durch eine Interessenvertretung der Arbeitnehmer bleiben (Fitting, a.a.O., § 87 Rn. 11 m.w.N.; ErfK (-?Kania), aaO, § 87 Rn. 5; weitergehend DKK (-?Klebe), BetrVG, 13. Aufl., § 87 Rn. 9ff.). Auch die Regelung des § 7 S. 2 BetrVG, wonach Leiharbeitnehmern, die länger als 3 Monate im Entleiherbetrieb beschäftigt sind, ein Wahlrecht zum dortigen Betriebsrat eingeräumt wird, spricht dafür, dass der Betriebsrat im Entleiherbetrieb zumindest partiell Mitbestimmungsrechte für Leiharbeitnehmer ausüben kann. Das Bundesarbeitsgericht hat so z.B. eine Erstreckung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG auf Leiharbeitnehmer bejaht (BAG vom 15.12.1992, AP Nr. 7 zu § 14 AÜG). Nichts anderes wird man aber für den Bereich des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG annehmen müssen, wenn die Sozialeinrichtung auch auf Externe erstreckt und z.B. für Leiharbeitnehmer geöffnet wird (so ausdrücklich: DKK (-?Klebe), aaO, § 87 Rn. 11). Gerade hier ist der Koordinierungsbedarf zwischen Stammbelegschaft und Leiharbeitnehmern offensichtlich, der eine einheitliche Ausübung der Mitbestimmungsrechte durch den Betriebsrat des Entleiherbetriebes gebietet. Es verhält sich hier ganz ähnlich wie etwa beim betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz, der im Entleiherbetrieb auch nur einheitlich für Stammbeschäftigte und Leiharbeitnehmer geregelt werden kann.
Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates im Entleiherbetrieb scheidet auch nicht von vornherein deshalb aus, weil § 13 b AÜG dem Arbeitgeber keinen Regelungsspielraum lasse, wie die Beteiligte zu 2 meint. Denn schon die Ausnahmeregelung, dass eine unterschiedliche Behandlung von Leiharbeitnehmern und Stammbeschäftigten ggf. sachlich gerechtfertigt sein kann, verdeutlicht, dass es sich nicht um eine abschließende Regelung handelt.
dd) Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates scheidet auch nicht von vornherein deshalb aus, weil die Kantine nicht von dem Arbeitgeber selbst betrieben wird, sondern von einer Schwestergesellschaft. Auch in rechtlich selbstständigen Sozialeinrichtungen kommt die Ausübung von Mitbestimmungsrechten grundsätzlich in Betracht (ErfK (-?Kania), aaO, § 87 Rn. 76ff.; Fitting, aaO, § 87 Rn. 358; Hess/Schlochauer/Worzalla u.a., BetrVG, 8. Aufl., § 87 Rn. 494 ff. m.w.N.).
ee) Dass Arbeitsgericht hat auch zu Recht entschieden, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nicht deshalb von vornherein ausscheidet, weil es durch den Abschluss der (Gesamt-?)Betriebsvereinbarung zum Kantinenessen vom 8.12.2011 verbraucht sei.
Zwar liegt das Datum des Abschlusses der Gesamtbetriebsvereinbarung ein paar Tage nach Inkrafttreten des § 13 b AÜG, doch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Betriebsparteien sich zu diesem Zeitpunkt über die neue Vorschrift und ihre Auswirkungen bereits im klaren gewesen sind, zumal die juristische Diskussion in den Fachzeitschriften im Wesentlichen erst in der Folgezeit geführt worden ist. Soweit die Beteiligte zu 2 ausführt, die Betriebsparteien hätten die Leiharbeitnehmer bewusst nicht einbeziehen wollen, wäre eine solche Nichteinbeziehung in Anbetracht von § 13 b AÜG gesetzeswidrig und insoweit wäre eine entsprechende Regelung gemäß § 9 Ziffer 2 a AÜG unwirksam. Denn danach sind Vereinbarungen, die den Zugang des Leiharbeitnehmers zu den Gemeinschaftseinrichtungen im Unternehmen des Entleihers entgegen § 13 b AÜG beschränken, unwirksam. Dabei besteht Einigkeit, dass unter “Vereinbarungen“ auch kollektive Verträge wie Betriebsvereinbarungen zu fassen sind (Lembke, DB 2011, S. 414, 418; Forst, aaO, S. 97, 101; Ulber, aaO, S. 7, 11). Abweichungen von den Grundsätzen des § 13 b AÜG sind den Betriebsparteien verwehrt und liegen auch nicht im Ermessenspielraum einer Einigungsstelle. Ergäbe sich aus der Gesamtbetriebsvereinbarung, dass Leiharbeitnehmer 7,00 € und Stammarbeitnehmer 2,80 € für das Kantinenessen zu zahlen hätten, wäre eine entsprechende Regelung rechtsunwirksam. Wenn man jedoch davon ausgeht, dass die Betriebsparteien sich bei Abschluss der Betriebsvereinbarung vom 8.12.2011 keine weiteren Gedanken über die Einbeziehung von Leiharbeitnehmern gemacht haben, bestünde insoweit eine Regelungslücke.
ff) Das Arbeitsgericht hat auch zutreffend erkannt, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nicht von vornherein wegen der überbetrieblichen Organisation der Kantinen im Unternehmen der Beteiligten zu 2 ausscheidet.
Gemäß § 50 Abs. 1 S. 1 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können.
Es ist jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Festsetzung der Kantinenpreise für Leiharbeitnehmer durch die Betriebsparteien des Hamburger Betriebes G. geregelt werden können. Der Arbeitgeber trägt selbst vor, dass abhängig von der tatsächlichen Größe der jeweiligen Kantinen unterschiedliche Bezuschussungserfordernisse bestehen. Zudem spricht § 3 Abs. 2 S. 1 der Betriebsvereinbarung zum Kantinenessen selbst von Preisen, die „im jeweiligen Kasino“ berechnet werden. Hinzukommt, dass zwischen den Betriebsparteien unstreitig ist, dass die Regelung der Einbeziehung von Leiharbeitnehmern im Wesentlichen ein Problem des Betriebes G. ist, denn nur dieser Betrieb beschäftigt im Unternehmen der Beteiligten zu 2 in ganz erheblichem Umfang Leiharbeitnehmer. So sind dort bei mindestens 307 Stammarbeitnehmern mindestens 51 Leiharbeitnehmer tätig. Von daher besteht gerade im Betrieb G. ein Bedürfnis für die Regelung der Kantinenpreise für Leiharbeitnehmer, so dass die Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte auch durch den örtlichen Betriebsrat erfolgen kann.
c) Gegen den vom Arbeitsgericht als Vorsitzender der Einigungsstelle eingesetzten Herrn Dr. J. W. hat der Arbeitgeber selbst keine Bedenken vorgebracht. Solche Bedenken sind auch sonst nicht ersichtlich. Herr Dr. W. ist als erfahrener Richter, ehemaliger Bundesarbeitsrichter und langjähriger Vorsitzender zahlreicher Einigungsstellen in der Lage, das Amt des Vorsitzenden auch in der vorliegend eingesetzten Einigungsstelle unparteiisch und mit der erforderlichen Rechts- und Sachkunde auszuüben.
Auch gegen die vom Arbeitsgericht festgesetzte Zahl der von jeder Seite für die Einigungsstelle zu benennenden Beisitzer hat der Arbeitgeber keine Bedenken vorgebracht. Solche Bedenken sind auch sonst nicht ersichtlich.
III.
Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist kraft Gesetzes ausgeschlossen (§ 98 Abs. 2 S. 4 BetrVG).