14. Dezember 2016
Umgang mit der Höchstüberlassungsdauer im neuen AÜG
Höchstüberlassungsdauer des neuen AÜG ist für viele Dienstleister ein großes Problem
Viele Unternehmen stehen derzeit vor der Frage, wie mit der gesetzlichen Neuregelung der Höchstüberlassungsdauer auf 18 Monate umzugehen ist. allem Besonders beim Einsatz hochqualifizierter Arbeitnehmer stellen sich hier zahlreiche Probleme, da diese Personen sehr häufig in Langzeitprojekten eingesetzt werden. Das gilt vor allem für Arbeitnehmer aus den Branchen IT-Dienstleister, Ingenieure / Automobilindustrie sowie den medizinischen Bereich. In den erstgenannten Sektoren kommt die Anfälligkeit typischer Formen der Zusammenarbeit (agiles Programmieren, Scrum etc.) für eine Scheinselbstständigkeit hinzu, die dazu zwingt, bisher selbstständige Personen zukünftig in Arbeitnehmerüberlassung einzusetzen. Allerdings gibt es zu der Höchstüberlassungsdauer auch einige Ausnahmen.
Gesetzliche Neuregelung
Die Neufassung des § 1 Abs. 1b) S. 1 AÜG regelt, dass der Verleiher denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate an denselben Entleiher überlassen darf, wobei diesem Verbot zugleich ein Einsatzverbot für den Entleiher entspricht (vgl. ebenfalls § 1 Abs. 1b). Die Verpflichtung zur Einhaltung der Höchstüberlassungsdauer betrifft also beide Seiten. Sanktionen bei Verstößen sind
- Bußgelder bis 30.000 €, § 16 Abs. 1 Nr. 1. d und e AÜG,
- Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Entleiher, § 10 Abs. 1 AÜG,
- bei wiederholten Verstößen der Entzug der Überlassungserlaubnis, § Abs. 1 Nr. 1 Alt. 6 AÜG.
Nach § 1 Abs. 1b) S. 2 AÜG ist der Zeitraum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen. Die Berechnung der 18-Monatsfrist wird erst am 1. April 2017 beginnen, somit enden die Höchstüberlassungsdauern erstmals am 30. September 2018 (vgl. § 19 Abs. 2 AÜG).
Die Frist beginnt nach einer Unterbrechung von mehr als drei Monaten neu zu laufen.
Begriff der Höchstüberlassungsdauer
Mit § 1 Abs. 1b) AÜG folgt der Gesetzgeber einer zugleich arbeitnehmer- und entleiherbezogenen Definition der Einsatzdauer. Die Höchstüberlassungsdauer bezieht sich auf Arbeitnehmerüberlassungen an einen Entleiher. Bei Identität des Arbeitnehmers verlängern Wechsel der Personaldienstleister die Höchstüberlassungsdauer folglich nicht, wenn der Einsatz über 18 Monate hinaus fortgesetzt wird. Somit ist auch die Gründung eines zweiten Personaldienstleisters keine Alternative zur Umgehung der Höchstüberlassungsdauer.
Durch den Arbeitnehmerbezug in der Vorschrift ist andererseits klargestellt, dass ein Austausch von Arbeitnehmern möglich ist.
Verlängerung der Höchstüberlassungsdauer durch Tarifvertrag / Betriebsvereinbarung
Eine Ausnahmeregelung zur Höchstüberlassungsdauer gilt für tarifgebundene Unternehmen unbegrenzt (§ 1 Abs. 1b S. 3 AÜG — freilich unter Beachtung des Merkmals „vorübergehend“ in § 1 Abs. 1 S. 3 AÜG).
Nicht tarifgebundene Unternehmen im Geltungsbereich eines Tarifvertrags können abweichende Regelungen zur Überlassungshöchstdauer inhaltsgleich (beliebig lang) in Betriebsvereinbarungen übernehmen, sofern der Tarifvertrag dies ausdrücklich vorsieht. Ohne Tarifbindung ist diese Frist auf 24 Monate begrenzt. Unternehmen ohne Betriebsrat oder Unternehmen mit Betriebsrat ohne tarifliche Erweiterungsregelung sind nach wie vor an die 18-Monatsfrist gebunden.
Alternative Gestaltungen
Als rechtlich zulässige Alternativen kommen in Frage:
„Entleiherkarussell“
Für eine Verlängerung der 18-Monatsfrist kommt zunächst das sog. Entleiherkarussell in Frage, wonach der Arbeitnehmer an verschiedene Entleiher überlassen wird. Diese Wechsel sind rechtlich als zulässig einzustufen. Allerdings muss der Entleiher – die juristische Person – gewechselt werden. Zu einem neuen „Entleiher“ und damit einer neuen 18-Monatsfrist führt nicht ein
- Wechsel des Betriebes (organisatorische Einheit, die einen arbeitstechnischen Zweck erfüllt),
- Wechsel der Produktionsstätte oder ein Ortswechsel,
- Wechsel des Arbeitsplatzes oder ein
- Wechsel der Tätigkeit,
sofern dieser neue Einsatz in demselben Unternehmen stattfindet wie bisher.
Wechsel zwischen Personaldienstleister und Kunde
Auch der Wechsel der Vertragsbeziehung zwischen Personaldienstleister und Arbeitnehmer zu einer Direkteinstellung des Arbeitnehmers durch den Kunden unterbricht die 18-Monatsfrist. Das gilt grundsätzlich auch für einen Wechsel zurück in die Arbeitnehmerüberlassung. Hier ist freilich zu bedenken, dass die Drehtürregelung zur Anwendung kommt, so dass ab dem ersten Tag Equal Treatment zu leiten ist. Ferner ist der Abschluss weiterer befristeter Arbeitsverträge rechtlich problematisch.
Eigenregie
Als 3‑monatige Unterbrechung gilt es auch, wenn Tätigkeiten in eigener Regie übernommen werden. Hierauf soll derzeit nach Absprache noch nicht weiter eingegangen werden.
Verzicht auf Arbeitnehmerüberlassung durch Erhalt des Direktionsrechts
Eine weitere Möglichkeit, die Höchstüberlassungsdauer zu umgehen ist der Verzicht auf Arbeitnehmerüberlassung durch Erhalt des Direktionsrechts. Dies kann durch Bildung eines Gemeinschaftsbetriebes oder eines Gemeinschaftsunternehmens zwischen Verleiher und Entleiher geschehen. Beides wurde früher oft als „Joint Venture“ bezeichnet.
Sinnvolle Nutzung von Unterbrechungszeiten durch den Aufbau von Wertkonten
Schließlich können übertarifliche Entgeltbestandteile auch zum Aufbau von Wertkonten genutzt werden, so dass Freistellungsphasen von drei Monaten oder mehr darstellbar sind, sofern die Arbeitnehmer damit einverstanden sind. Davon ist bei hochqualifizierten nach unserer Erfahrung oftmals auszugehen. Diese Phasen können dann für Fortbildung, Sabbaticals etc. genutzt werden. In diesem Modell sind allerdings einige weitere Einzelheiten (Vereinbarkeit mit § 11 Abs. 4 AÜG, Insolvenzsicherung etc.) zu beachten.