18. Februar 2019
Reisezeit = Arbeitszeit? Neues BAG-Urteil bringt (ein wenig) Klarheit
Wird ein Arbeitnehmer vorübergehend zur Arbeit an einen anderen Tätigkeitsort entsandt, muss der Arbeitgeber die für Hin- und Rückreise erforderlichen Zeiten wie Arbeit vergüten. In dem zugrundeliegenden Fall ist der Kläger bei seinem Arbeitgeber, einem Bauunternehmen, arbeitsvertraglich verpflichtet, auf wechselnden Baustellen im In- und Ausland zu arbeiten. Auf seinen Wunsch buchte die Beklagte für eine Hin- und Rückreise auf eine Baustelle nach China statt eines Economy-Direktflugs einen Business-Flug mit Zwischenstopp in Dubai. Für die vier Reisetage zahlte die Beklagte dem Kläger die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung für jeweils acht Stunden. Der Kläger verlangte jedoch die Vergütung weiterer 37 Stunden mit der Begründung, die gesamte Reisezeit von seiner Wohnung bis zur auswärtigen Arbeitsstelle und zurück sei wie Arbeit zu vergüten.
Das BAG entschied nun (17. Oktober 2018 — 5 AZR 553/17), dass Reisezeiten, die erforderlich sind, wie Arbeit zu vergüten sind. Denn wenn ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland entsendet, erfolgen die Reisen zur und von der auswärtigen Arbeitsstelle ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers. Diese Reisezeiten sind, anders als der nicht zu vergütende Arbeitsweg, fremdnützig. Allerdings lässt das BAG es zu, dass durch den Arbeits- oder Tarifvertrag eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Reisezeiten getroffen wird. Dabei kann eine Vergütung für Reisezeiten auch ganz ausgeschlossen werden, sofern mit der getroffenen Vereinbarung nicht der jedem Arbeitnehmer für tatsächlich geleistete vergütungspflichtige Arbeit nach § 1 Abs. 1 MiLoG zustehende Anspruch auf den Mindestlohn unterschritten wird (vgl. BAG 25. April 2018 — 5 AZR 424/17).
AMETHYST-Kommentar
Die Frage, ob Reisezeiten zu vergüten sind, ist eine unendliche Geschichte. Hier hat das BAG die Zahlungspflicht für den direkten Weg zum Einsatz noch einmal bestätigt; allerdings nur als Grundsatz, von dem vertraglich abgewichen werden kann, sofern beachtet wird, dass diese Zeiten für den gesetzlichen Mindestlohn voll zählen. iGZ-Anwender sollten deshalb über eine einschränkende Fahrtzeitregelung im Arbeitsvertrag nachdenken; BAP-Anwender finden diese bereits in ihrem Tarifvertrag. In beiden Fällen ist nun aber ergänzend zu kontrollieren, ob durch das Kürzen von Fahrtzeiten ein Mindestlohnverstoß liegt.