28. November 2012

Mindestlohn in der Pflegebranche gilt auch für Bereitschaftszeiten

LAG Baden-Würt­tem­berg — 28.11.2012 — 4 Sa 48/12 | Die Regelung über das Min­destent­gelt in der Pflege­branche in § 2 PflegeArb­bV dif­feren­ziert nicht nach der Art der Tätigkeit. Deshalb sind im Bere­itschafts­di­enst erbrachte Arbeit­sleis­tun­gen mit dem­sel­ben Min­destent­gelt­satz zu vergüten wie Arbeit­sleis­tun­gen während der Vol­lar­beit­szeit. Über­wiegen im Rah­men der Leis­tungser­bringung die pflegerischen Tätigkeit­en der Grundpflege iSv. § 14 Abs 4 Nr 1 ‑3 SGB 11 und ist somit der Anwen­dungs­bere­ich der Min­destent­gel­tregelun­gen gem. § 1 Abs 3 PflegeArb­bV eröffnet, sind auch andere Tätigkeit­en, insb. solche der hauswirtschaftlichen Ver­sorgung iSv. § 14 Abs 4 Nr 4 SGB 11 mit dem Min­destent­gelt­satz des § 2 Abs 1 PflegeArb­bV zu vergüten.

Tenor

I. Das Urteil des Arbeits­gerichts Stuttgart vom 13. März 2012 (6 Ca 8962/10) wird auf die Beru­fung der Klägerin abgeändert.

1. Die Beklagte wird verurteilt, auf das Ent­gelt der Klägerin für den Monat Juli 2010 noch 22,71 € brut­to zu zahlen neb­st Zin­sen hier­aus in Höhe von 5 Prozent­punk­ten über dem Basiszinssatz seit 16. August 2010.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin auf das Ent­gelt für den Monat August 2010 zu zahlen weit­ere 670,53 € brut­to, sowie 69,20 € net­to neb­st Zin­sen in Höhe von 5 Prozent­punk­ten über dem Basiszinssatz aus diesen Beträ­gen seit 16. Sep­tem­ber 2010.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin auf das Ent­gelt für den Monat Sep­tem­ber 2010 weit­ere 696,03 € brut­to zu zahlen neb­st Zin­sen in Höhe von 5 Prozent­punk­ten über dem Basiszinssatz aus diesem Betrag seit 16. Okto­ber 2010.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin auf das Ent­gelt für den Monat Okto­ber 2010 weit­ere 1.414,56 € brut­to zu zahlen neb­st Zin­sen in Höhe von 5 Prozent­punk­ten über dem Basiszinssatz aus diesem Betrag seit 16. Novem­ber 2010.

5. Im Übri­gen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Beru­fung der Beklagten wird als unzuläs­sig ver­wor­fen, soweit sie sich richtete gegen die Verurteilung in Höhe von 22,71 € brut­to für den Monat Juli 2010. Im Übri­gen wird die Beru­fung der Beklagten zurückgewiesen.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstre­its zu 74 %, die Klägerin zu 26 % zu tragen.

IV. Die Revi­sion zum Bun­de­sar­beits­gericht wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbe­stand

Die Parteien stre­it­en über Arbeitsentgelt.

Die in R. wohnende Klägerin war bei der Beklagten, die einen pri­vat­en Pflege­di­enst betreibt, beschäftigt vom 1. Juli 2010 bis 29. Okto­ber 2010 als Pflege­helferin. Das Arbeitsver­hält­nis endete auf­grund ein­er ordentlichen Probezeitkündi­gung der Beklagten vom 15. Okto­ber 2010. Die Klägerin wurde einge­set­zt im S.haus der S. V. in S., ein­er Ein­rich­tung der Katholis­chen Kirche. Die Katholis­che Kirche war Auf­tragge­berin der Beklagten. Die Klägerin war ursprünglich zuständig für drei pflegebedürftige Schwest­ern, nach dem Tod ein­er Schwest­er (Schwest­er C.) nur noch für zwei Schwest­ern (Schwest­er E. und Schwest­er U.). Grund­lage des Arbeitsver­hält­niss­es war der schriftliche Arbeitsver­trag vom 30. Juni 2010 (Bl. 7 bis 9 der arbeits­gerichtlichen Akte). Darin heißt es auszugsweise wie folgt:

„§ 1

Der Arbeit­nehmer wird mit der Wirkung vom 01.07.2010 als Pflege­helferin für die Rudu Pflege und Betreu­ung an der Pflegestelle VS für Sr. E., Sr. U. und Sr. C. unbe­fris­tet eingestellt.

Er ist nach jew­eiliger näher­er Weisung des Arbeit­ge­bers verpflichtet, Pflege- und son­stige Dien­stleis­tun­gen für die pflegebedürfti­gen Per­so­n­en zu erbrin­gen. Die Dien­stleis­tun­gen erfol­gen in der Regel in dem Haus der Pflegebedürftigen.

Der Arbeit­nehmer kann in drin­gen­den Fällen auch mit anderen Pflegeaufträgen/Arbeiten betraut werden.

§ 3

1. Der Arbeit­nehmer erhält ein Fes­t­lohn von € 1.885,85 Brut­to monatlich. (nur gültig für die o.b.a. Personen).

2. Es ist wird eine Arbeit­szeit von 204 Rudu-?Einsätzen abzüglich der 24 Urlaub­stage sind 180 Rudu-?Einsätzen/Arbeitstagen p/Jahr der vereinbart..

3. Der Arbeit­nehmer ist jedoch auf Anweisung des Arbeit­ge­bers verpflichtet, Mehr- und Über­ar­beit zu leisten.

4. Rudu wird berech­net nach Pflegemodulen/Pflegezeiten dabei wird der Min­dest­lohn anzuwen­den, Hauswirtschaftliche Tätigkeit, Bere­itschaft und Anwe­sen­heit geson­dert Ruhezeit­en und Pausen wer­den nicht vergütet. (siehe Stellenbeschreibung)

10          Fahrtzeit­en und Fahrtkosten wer­den nicht vergütet

…“

Die Klägerin erbrachte im Monat Juli 2010 ihre Dien­ste vom 08. Juli 2010, 21.00 Uhr bis 23. Juli 2010, 12.00 Uhr durchge­hend im soge­nan­nten Rudu (Rund um die Uhr)-?Dienst. Die Beklagte zahlte an die Klägerin hier­für 1.863,14 € brutto.

Im Monat August 2010 hat­te die Klägerin Dienst vom 06. August 2010, 21.00 Uhr bis 20. August 2010, 12.00 Uhr, wiederum im soge­nan­nten Rudu-?Dienst. Die Beklagte rech­nete hier­auf 1.885,85 € brut­to ab (Bl. 12 der arbeits­gerichtlichen Akte), behielt aber vom sich hier­aus ergeben­den Net­toent­gelt in Höhe von 1.294,42 € einen Betrag in Höhe von 69,20 € ein.

Im Monat Sep­tem­ber 2010 erbrachte die Klägerin Leis­tun­gen im soge­nan­nten Rudu-?Dienst vom 02. Sep­tem­ber 2010, 21.00 Uhr bis 16. Sep­tem­ber 2010, 12.00 Uhr und am 30. Sep­tem­ber 2010 von 21.00 Uhr bis 24.00 Uhr. Die Beklagte zahlte hier­für 1.885,85 € brutto.

Im Monat Okto­ber 2010 erbrachte die Klägerin Leis­tun­gen im Rudu-?Dienst vom 01. Okto­ber 2010, 00.00 Uhr bis 15. Okto­ber 2010, 12.00 Uhr. Weit­ere Rudu-?Leistungen waren im Okto­ber 2010 für die Klägerin dien­st­plan­mäßig nicht vorge­se­hen. Die Beklagte rech­nete hier­für 1.303,32 € brut­to ab (Bl. 14 der arbeits­gerichtlichen Akte), die sie auch bezahlte.

Während der gesamten Rudu-?Einsätze hat­te die Klägerin ein Zim­mer in der Schwest­ern­schaft in unmit­tel­bar­er Nähe zu den bei­den betreuten Schwestern.

Schwest­er E. wurde von der Pflegekasse in die Pflegestufe I eingestuft, Schwest­er U. in die Pflegestufe II. Der Medi­zinis­che Dienst der Krankenkasse ver­an­schlagte den Pflegebe­darf im Ein­stu­fungsver­fahren wie folgt:

Schwest­er E.:

grund­pfle­ge­ri­scher Hilfe­bedarf: 68 Minuten pro Tag

hauswirt­schaft­licher Hilfe­bedarf: 60 Minuten pro Tag

Schwest­er U.:

grund­pfle­ge­ri­scher Hil­fedarf: 180 Minuten pro Tag

hauswirt­schaft­licher Hilfe­bedarf: 60 Minuten pro Tag.

Bei­de Schwest­ern sind dement und an den Roll­stuhl gebunden.

Inner­halb der Rudu-?Zeiten erbrachte die Klägerin sowohl „klas­sis­che“ Pflegeleis­tun­gen an den Pflegebedürfti­gen selb­st als auch hauswirtschaftliche Tätigkeit­en jed­er Art (Essen zubere­it­en außer Mit­tagessen, Wäsche waschen, Geschirr spülen …). Sie hat­te Pflege­doku­men­ta­tio­nen zu schreiben. Gele­gentlich beschäftigte sie sich mit den Pflegebedürfti­gen, z. B. durch zuwen­dende Gespräche. Auf den Inhalt der beispiel­haft vorgelegten Pflege­berichte (Bl. 53 bis 54 und 102 bis 117 der arbeits­gerichtlichen Akte) wird Bezug genom­men. Vor allem bei nächtlichem Bedarf an pflegerischen Leis­tun­gen (beruhi­gen, umlagern, Windeln wech­seln, Bet­ten frisch beziehen, Ver­bandwech­sel …) hat­te die Klägerin sofort einzuspringen.

Die pflegebedürfti­gen Schwest­ern nah­men ihr Mit­tagessen ein im Haus der Schwest­ern­schaft täglich von 11.45 Uhr bis 12.45 Uhr. Sie wur­den von der Klägerin im Roll­stuhl hinge­fahren und nach dem Essen wieder abge­holt. Das Essen wurde von anderen Schwest­ern verabreicht.

In der Zeit von 17.50 Uhr bis 18.50 Uhr war täglich Gottes­di­enst. Die Klägerin brachte die pflegebedürfti­gen Schwest­ern hin und holte sie wieder ab.

Mit Wirkung ab 1. August 2010 trat eine vom Bun­desmin­is­teri­um für Arbeit und Soziales auf der Grund­lage von § 11 Abs. 1 AEntG erlassene Verord­nung über die zwin­gen­den Arbeits­be­din­gun­gen für die Pflege­branche (PflegeArb­bV) in Kraft. In dieser heißt es auszugsweise:

„§ 1 Geltungsbereich

(2) Diese Verord­nung gilt für Pflege­be­triebe. Dies sind Betriebe und selb­st­ständi­ge Betrieb­sabteilun­gen, die über­wiegend ambu­lante, teil­sta­tionäre oder sta­tionäre Pflegeleis­tun­gen für Pflegebedürftige erbrin­gen. Diese Verord­nung gilt nicht für Betriebe und selb­st­ständi­ge Betrieb­sabteilun­gen, die über­wiegend ambu­lante Krankenpflegeleis­tun­gen für Pflegebedürftige erbrin­gen. Keine Pflege­be­triebe im Sinne des Satzes 2 sind Ein­rich­tun­gen, in denen die Leis­tun­gen zu medi­zinis­chen Vor­sorge, zur medi­zinis­chen Reha­bil­i­ta­tion, zur Teil­habe am Arbeit­sleben oder am Leben in der Gemein­schaft, die schulis­che Aus­bil­dung oder die Erziehung kranker oder behin­dert­er Men­schen im Vorder­grund des Zweck­es der Ein­rich­tung ste­hen, sowie Krankenhäuser.

(3) Diese Verord­nung gilt für alle Arbeit­nehmerin­nen und Arbeit­nehmer, die über­wiegend pflegerische Tätigkeit­en in der Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 des 11. Buch­es Sozialge­set­zbuch erbringen. …

§ 2 Mindestentgelt

(1) Das Min­destent­gelt beträgt im Gebi­et der Län­der Baden-?Württemberg, Bay­ern, Berlin, Bre­men, Ham­burg, Hes­sen, Nieder­sach­sen, Nordrhein-?Westfalen, Rheinland-?Pfalz, Saar­land und Schleswig-?Holstein

- ab 01. August 2010: 8,50 € je Stunde,

§ 3 Fälligkeit

(1) Das in § 2 fest­gelegte Min­destent­gelt wird für die ver­traglich vere­in­barte Arbeit­szeit zum 15. des Monats fäl­lig, der auf den Monat fol­gt, für den das Min­destent­gelt zu zahlen ist. Soweit die für das Arbeitsver­hält­nis maßge­bliche Arbeit­szeit über­schrit­ten wird, darf eine Ober­gren­ze von 300 Arbeitsstun­den nicht über­schrit­ten wer­den. Der Aus­gle­ich kann durch Auszahlung des auf die über die ver­traglich vere­in­barte Arbeit­szeit hin­aus­ge­hen­den Arbeitsstun­den ent­fal­l­en­den Ent­geltes oder durch bezahlte Freis­tel­lung erfolgen.

(3) Die Vorschriften des Arbeit­szeit­ge­set­zes bleiben unberührt.“

Die Klägerin begehrte für den Monat Juli 2010 die Zahlung der Dif­ferenz zwis­chen dem ver­traglich vere­in­barten Monat­sent­gelt in Höhe von 1.885,85 € brut­to und bezahlen 1.863,14 € brut­to, somit 22,71 € brutto.

Für den Monat August 2010 begehrte sie den vom Abrech­nungs­be­trag abge­zo­ge­nen Net­to­be­trag in Höhe von 69,20 €.

Im Übri­gen begehrte sie für den Zeitraum August bis Okto­ber 2010 eine Vergü­tung auf der Grund­lage des Min­destent­gelts gem. § 2 Abs. 1 PflegeArb­bV mit der Behaup­tung, während der Rudu-?Dienste durchge­hend 24 Stun­den pro Tag gear­beit­et zu haben. Sie behauptete, sowohl während der Mit­tagessen­szeit als auch während der Gottes­di­en­stzeit­en hauswirtschaftliche Dien­stleis­tun­gen erbracht zu haben und Pflege­berichte geschrieben zu haben. Sowohl während der Mit­tagss­chlafzeit­en der Pflegebedürfti­gen als auch nachts habe sie täglich mehrmals grundpflegerische Leis­tun­gen erbrin­gen müssen. Ins­beson­dere Schwest­er E. sei wegen ihrer hochgr­a­di­gen Demenz beson­ders schwierig gewe­sen und habe vor allem nachts regelmäßig ran­daliert. Sie habe nachts allen­falls zwei bis vier Stun­den im Ses­sel bei offen­er Tür ruhen kön­nen. An erhol­samen Schlaf sei nicht zu denken gewe­sen. Sie und ihre Kol­le­gin hät­ten die Beklagte um Gestel­lung von Nachtwachen gebeten, was die Beklagte aber ver­wehrt habe. Die nächtlichen Zeit­en der Ruhe seien allen­falls zu vergü­tende Bere­itschafts­di­en­stzeit­en. Sie begehrte deshalb für 375 Stun­den im August 2010 3.187,50 € brut­to, für 330 Stun­den im Sep­tem­ber 2010 2.805,00 € brut­to und für 348 Stun­den im Okto­ber 2010 2.958,00 € brut­to, jew­eils abzüglich der geleis­teten Bruttobeträge.

Die Klägerin beantragte:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.898,19 € brut­to neb­st 5 Prozent­punk­ten über dem jew­eili­gen Basiszinssatz auf 22,71 € seit 16.08.2010, auf weit­ere 1.301,65 € seit 16.09.2010, auf weit­ere 919,15 € seit 16.10.2010 und auf weit­ere 1.654,68 € seit 16.11.2010 sowie 69,20 € net­to neb­st 5 Prozent­punk­ten seit dem 16.09.2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Sie meinte, die Klägerin habe keine 24 Stun­den Arbeit­sleis­tung am Tag geschuldet. Dies sei schließlich schon biol­o­gisch nicht möglich. Aus­ge­hend von einem beispiel­haftem Pflege­bericht (Bl. 53 bis 54 der arbeits­gerichtlichen Akte) der in der Wech­selschaft täti­gen Frau R. ergebe sich, dass auch die Klägerin max. von 6.30 Uhr bis 21.00 Uhr gear­beit­et habe. Davon seien noch die Mit­tagessen­szeit­en und die Gottes­di­en­stzeit­en von je ein­er Stunde abzuziehen, sowie die Zeit der Mit­tagsruhe der pflegebedürfti­gen Schwest­ern von 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr. Soweit darüber hin­aus Pflegeleis­tun­gen ange­fall­en sind, habe es sich nur um Ruf­bere­itschaft gehan­delt. Daraus ergebe sich, dass die Klägerin max. 170 Stun­den pro Monat tat­säch­lich gear­beit­et habe, der ver­tragliche Ent­geltanspruch somit höher liege als ein etwaiger nach dem Min­destent­gelt berech­neter Entgeltanspruch.

Das Arbeits­gericht hat der Ent­geltk­lage für den Monat Juli 2010 in Höhe von 22,71 € brut­to stattgegeben, genau­so wie der Ent­geltk­lage für August 2010 in Höhe von 69,20 € net­to. Die Beklagte habe insoweit keinen Vor­trag zur Berech­ti­gung der Abzüge gehal­ten. Eben­so zuge­sprochen hat das Arbeits­gericht auf das Ent­gelt für den Monat Okto­ber 2010 die Dif­ferenz zwis­chen dem ver­traglich vere­in­barten Monat­sent­gelt in Höhe von 1.885,85 € brut­to und den bezahlten 1.303,32 € brut­to, somit 582,53 € brut­to. Im Übri­gen hat das Arbeits­gericht die Klage abgewiesen. Zur Begrün­dung führte es aus, eine 24-?Stunden-?Arbeitsleistung pro Tag im Block von 15 aufeinan­der­fol­gen­den Tagen sei schlicht unmöglich. Es gehe angesichts des Vor­trags der Parteien davon aus, dass Vol­lar­beit­sleis­tun­gen nur von 06.00 Uhr bis 21.00 Uhr haben erbracht wer­den müssen. Davon seien als Pausen­zeit­en in Abzug zu brin­gen je eine Stunde für die Zeit­en des Mit­tagessens der betreuten Schwest­ern und der Gottes­di­en­ste. Während der soge­nan­nten Mit­tagsruhe haben dage­gen nach plau­si­bler Darstel­lung der Klägerin hauswirtschaftliche Dien­stleis­tun­gen erbracht wer­den müssen. Die Zeit von 21.00 Uhr bis 06.00 Uhr sei Bere­itschaft­szeit gewe­sen. Die nächtliche Inanspruch­nahme habe geschätzt 25 % betra­gen, weshalb die Vergü­tung auch nur mit 25 % des Stun­den­lohns anzuset­zen sei. Unter Berück­sich­ti­gung von nur 13 Stun­den Vol­lar­beit pro Rudu-?Dienst neb­st 25-?%-Vergütung für Bere­itschaft­szeit­en ergebe sich unter Zugrun­dele­gung des Min­destent­gelts jedoch ein geringes Monat­sent­gelt als das ver­traglich vereinbarte.

Dieses Urteil wurde der Klägerin am 27. April 2012 und der Beklagten am 30. April 2012 zugestellt. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin am 29. Mai 2012 (Dien­stag nach dem Feiertag Pfin­gst­mon­tag) Beru­fung ein, die am 21. Juni 2012 begrün­det wurde. Die Beklagte legte gegen dieses Urteil am 25. Mai 2012 eben­falls Beru­fung ein, welche inner­halb der bis 30. Juli 2012 ver­längerten Begrün­dungs­frist am 27. Juli 2012 aus­ge­führt wurde.

Die Klägerin meint, das Arbeits­gericht hätte keinen Pausen­abzug vornehmen dür­fen. Sie habe schließlich vor­ge­tra­gen, ohne Pause 24 Stun­den täglich am Stück gear­beit­et zu haben. Das Arbeits­gericht hätte hierüber Beweis erheben müssen.

Sie meint, die Annahme ein­er (Voll-?)Arbeitszeit von 06.00 Uhr bis 21.00 Uhr sei willkür­lich. Auch die Annahme von Bere­itschaft­szeit zwis­chen 21.00 Uhr bis 06.00 Uhr sei willkür­lich. Eine Vergü­tung für Bere­itschaft sei nicht vere­in­bart wor­den, so dass von ein­er voll zu vergü­ten­den Arbeit­szeit auszuge­hen sei. Sie habe zudem den typ­is­chen Tagesablauf unter Beweis gestellt. Hierüber hätte gegebe­nen­falls Beweis erhoben wer­den müssen. Die arbeitsver­tragliche Regelung in § 3 Abs. 4 des Arbeitsver­trages beste­he allen­falls aus Frag­menten, ergebe keinen Sinn, sei deshalb unklar und intransparent.

Die Klägerin beantragt:

Das Urteil des Arbeits­gerichts Stuttgart, Geschäft­snum­mer 6 Ca 8962/10, wird dahinge­hend abgeän­dert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 3.898,19 € brut­to neb­st 5 Prozent­punk­ten über dem jew­eili­gen Basiszinssatz auf 22,71 € seit 16.08.2010, auf weit­ere 1.301,65 € seit dem 16.09.2010, auf weit­ere 919,15 € seit 16.10.2010 und auf weit­ere 1.654,68 € seit 16.11.2010 sowie 69,20 € net­to neb­st 5 Prozent­punk­ten über dem jew­eili­gen Basiszinssatz seit dem 16.09.2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Beru­fung der Klägerin zurückzuweisen.

Im Rah­men ihrer eige­nen Beru­fung beantragt die Beklagte:

Das Urteil des Arbeits­gerichts Stuttgart vom 13.03.2012, Az. 6 Ca 8962/10, wird abgeän­dert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Beru­fung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe die für den Monat August 2010 gel­tend gemacht­en 69,20 € erhalten.

Sie meint eben­falls, dass die Annahme von 13 Stun­den (Voll-?)Arbeit zwis­chen 06.00 Uhr bis 21.00 Uhr täglich willkür­lich gewählt sei. Sie habe schließlich vor­ge­tra­gen, dass die Klägerin max. von 06.30 Uhr bis 21.00 Uhr täglich gear­beit­et habe. Unter Berück­sich­ti­gung von 4 Stun­den Pause ergebe dies allen­falls eine tägliche Arbeit­szeit von 10 Stun­den. Hierüber hätte das Arbeits­gericht gegebe­nen­falls Beweis erheben müssen. Die Inanspruch­nahme der Klägerin außer­halb dieser Zeit­en sei allen­falls Ruf­bere­itschaft gewe­sen. § 3 Abs. 4 des Arbeitsver­trages sei ein­deutig, dass hauswirtschaftliche Tätigkeit­en, Bere­itschaft­szeit­en, Anwe­sen­heit­szeit­en, Ruhezeit­en und Pausen­zeit­en nicht zu bezahlen seien. Sie meint, die Klägerin trage die Beweis­last für die von ihr behaupteten Arbeit­szeit­en, vor allem für die Zeit­en der nächtlichen Inanspruchnahme.

Die Beklagte meint, für Okto­ber 2010 über die abgerech­neten 1.303,32 € brut­to hin­aus nichts zu schulden. Die Klägerin habe nicht zu vergü­tende Fehlzeit­en gehabt.

Wegen der Einzel­heit­en des Sach- und Stre­it­standes wird gem. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewech­sel­ten Schrift­sätze neb­st Anla­gen sowie auf das Pro­tokoll über die mündliche Ver­hand­lung verwiesen.

Entschei­dungs­gründe

Die statthafte und zuläs­sige Beru­fung der Klägerin ist zu einem großen Teil begrün­det, im Übri­gen unbe­grün­det. Die statthafte Beru­fung der Beklagten ist bere­its zu einem kleinen Teil unzuläs­sig. Soweit sie zuläs­sig ist, ist sie unbegründet.

A:

Die Beru­fung der Klägerin ist statthaft und zuläs­sig, die Beru­fung der Beklagten ist statthaft, aber nur zum Teil zulässig.

I.:

Die Beru­fung der Klägerin ist gem. § 64 Abs. 1, 2 Buch­stabe b) ArbGG statthaft. Sie wurde form- und frist­gerecht ein­gelegt und begrün­det (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG; §§ 519, 520 ZPO). Sie ist auch im Übri­gen zulässig.

II.:

1. Die Beru­fung der Beklagten ist eben­falls statthaft. Der Wert des Beschw­erdege­gen­standes über­steigt 600,00 € gem. § 64 Abs. 1, 2 Buch­stabe b) ArbGG.

Die Beklagte hat zu ihrer Verurteilung in Höhe von 22,17 € (Ent­gelt Juli 2010) zwar kein­er­lei Aus­führun­gen gemacht. Insofern kön­nte zweifel­haft sein, ob über diesen Stre­it­ge­gen­stand über­haupt ein Beru­fungsan­griff gewollt war. Von der Antrag­stel­lung (Abweisung der Klage ins­ge­samt) war jedoch auch dieser Stre­it­ge­gen­stand umfasst.

Jeden­falls verblieb der Angriff gegen die Verurteilung in Höhe von 69,20 € und in Höhe von 582,53 €, die addiert eine Beschw­er über 600,00 € begründen.

2. Die Beru­fung ist jedoch nur zum Teil zulässig.

Die Zuläs­sigkeit ist für jeden Anspruch getren­nt zu prüfen (Schwab in Schwab/Weth 3. Aufl. § 64 ArbGG Rn. 69).

a) Die Beru­fung gegen die Verurteilung in Höhe von 22,17 € brut­to (Ent­gelt Juli 2010) ist unzuläs­sig. Sie wurde insoweit näm­lich über­haupt nicht begrün­det. Die Voraus­set­zun­gen der Beru­fungs­be­grün­dung gem. § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 1, 3 ZPO liegen somit nicht vor.

b) Die Beru­fung ist, soweit sie sich gegen die Verurteilung in Höhe von 62,20 € (Ent­gelt August 2010) richtet, dage­gen zulässig.

Das Arbeits­gericht führte hierzu aus, da die Beklagte den Vor­trag der Klägerin nicht bestrit­ten habe, dass diese keinen Vorschuss erhal­ten habe, gelte dieser Vor­trag als zuge­s­tanden. In der Beru­fung führte die Beklagte dage­gen aus, die Klägerin habe einen Vorschuss erhal­ten. Hier­mit han­delt es sich somit um ein neues Vertei­di­gungsvor­brin­gen, welch­es die Beklagte nach § 67 Abs. 3 ArbGG berück­sichtigt wis­sen will. Auf die Schlüs­sigkeit dieses Vor­brin­gens kommt es im Rah­men der Zuläs­sigkeit nicht an.

c) Die Beru­fung gegen die Verurteilung in Höhe von 582,53 € ist unprob­lema­tisch zuläs­sig. Die Beklagte stützt sich auf ein neues Vertei­di­gungsvor­brin­gen, dass es nicht zu vergü­tende Fehlzeit­en gegeben habe.

B:

Die Beru­fung der Klägerin ist zu einem großen Teil begrün­det. Die Beru­fung der Beklagten ist, soweit sie zuläs­sig ist, dage­gen unbegründet.

Der Klägerin ste­hen näm­lich für die Monate August 2010 die ein­be­hal­te­nen 62,20 € net­to zu, sowie für den Zeitraum August 2010 bis Okto­ber 2010 die tenori­erten Bruttovergütungsdifferenzen.

I.:

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der in der Abrech­nung für den Monat August 2010 ein­be­hal­te­nen 62,20 € netto.

Die Klägerin hat unbe­strit­ten ihre volle geschuldete Arbeit­sleis­tung erbracht. Deshalb ste­ht ihr min­destens das volle ver­traglich vere­in­barte Brut­toent­gelt zu. Dieses wurde auch in voller Höhe abgerech­net. Die Beklagte ver­mochte nicht zu erläutern, für was sie den Abzug vorgenom­men hat. Die bloße Behaup­tung, die Klägerin habe das Geld erhal­ten, ist zu unsub­stanzi­iert. Es fehlt jeglich­er Vor­trag, wer wann welchen Betrag in welch­er Form mit welch­er Zweckbes­tim­mung an die Klägerin gezahlt haben will.

II.:

Die Klägerin hat aber für den Monat August 2010 über den abgerech­neten Brut­to­be­trag von 1.885,85 € hin­aus einen Anspruch in Höhe von weit­eren 670,53 € brut­to. Der Anspruch beruht auf § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 2 PflegeArbbV.

Die Klägerin schuldete näm­lich volle 24-?Stunden-?Dienste. Inner­halb dieser Dien­ste hat­te sie vor allem grundpflegerische Tätigkeit­en als auch Tätigkeit­en der hauswirtschaftlichen Ver­sorgung zu erbrin­gen, sowohl in Vol­lar­beit­szeit, als auch in Form von Bere­itschafts­di­en­sten. Der gesamte Zeitraum der Schicht­en war mit dem Min­destent­gelt von 8,50 € pro Stunde zu vergüten mit Aus­nahme von 2 Stun­den Pause pro Tag.

1. Die Parteien vere­in­barten für die geschuldete Arbeit­sleis­tung in § 3 Nr. 1 des Arbeitsver­trages ein monatlich­es Fes­tent­gelt in Höhe von 1.885,85 € brut­to. Dieses Ent­gelt hat die Klägerin auch erhal­ten (mit Aus­nahme oben benan­nter 62,20 € net­to) und ste­ht zwis­chen den Parteien nicht im Streit.

2. Welche Arbeit­szeit geschuldet war, ergibt sich ein­deutig aus § 3 Nr. 2 des Arbeitsver­trages. Vere­in­bart waren 204 Rudu-?Einsätze im Jahr. Unter Berück­sich­ti­gung von Urlaub­szeit­en hat­te sie 180 Rudu-?Einsätze pro Jahr zu erbrin­gen. „Rudu“ bedeutet nach übere­in­stim­menden Aus­führun­gen der Parteien „rund-?um-?die-?Uhr“. Die Klägerin schuldete somit ver­traglich an 180 Tagen im Jahr einen 24-?Stunden-?Einsatz.

3. Stre­it­ig ist zwis­chen den Parteien nur, ob inner­halb der ver­traglich geschulde­ten Anwe­sen­heit von 24 Stun­den pro Tag durchge­hend vergü­tungspflichtige Arbeit­sleis­tun­gen haben erbracht wer­den müssen.

Welche Arten von Tätigkeit­en inner­halb eines Rudu-?Einsatzes zu erbrin­gen waren, ist in § 3 Abs. 4 des Arbeitsver­trages geregelt. Diese Ver­tragsklausel ist auszulegen.

a) Der Inhalt ein­er ver­traglichen Regelung ist nach §§ 133, 157 BGB durch Ausle­gung zu ermit­teln. Aus­ge­hend vom Wort­laut der Klausel ist deren objek­tiv­er Bedeu­tungs­ge­halt zu ermit­teln. Maßgebend ist dabei der all­ge­meine Sprachge­brauch unter Berück­sich­ti­gung des ver­traglichen Regelungszusam­men­hangs. Ein übere­in­stim­mender Wille der Parteien geht dem Wort­laut des Ver­trages und jed­er ander­weit­i­gen Inter­pre­ta­tion vor. Von Bedeu­tung für das Ausle­gungsergeb­nis sind auch der von den Ver­tragsparteien ver­fol­gte Regelungszweck und die Inter­essen­lage der Beteiligten sowie die Beglei­tum­stände der Erk­lärung, soweit sie einen Schluss auf den Sin­nge­halt der Erk­lärung zulassen. Die tat­säch­liche Hand­habung des Ver­tragsver­hält­niss­es kann eben­falls Rückschlüsse auf den Inhalt ermöglichen (BAG 13. Juni 2012 — 10 AZR 313/11 — juris).

b) Vor­liegend wird der Rudu-?Dienst in § 3 Nr. 4 des Arbeitsver­trages in Beziehung geset­zt zu § 3 Nr. 1 des Arbeitsver­trages. Definiert wird in § 3 Nr. 4 des Arbeitsver­trages näm­lich, wie Rudu „berech­net“ wird. Insoweit ist aber davon auszuge­hen, dass die Tätigkeit­en, die in die Berech­nung eingestellt wur­den, auch inner­halb des Rudu-?Dienstes geschuldet sein sollten.

Zuerst wer­den „Pflegemodule/Pflegezeiten“ erwäh­nt, für die der Min­dest­lohn anzuwen­den gewe­sen sein soll inner­halb der Rudu-?Berechnung. Dies in Abgren­zung vor allem auch zur „hauswirtschaftlichen Tätigkeit“. Dies hat einen erkennbaren Bezug zu den bei Pflegebedürftigkeit anfal­l­en­den gewöhn­lichen und regelmäßig wiederkehren­den Ver­rich­tun­gen im Sinne von § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 SGB XI (grundpflegerische Tätigkeit­en) in Abgren­zung zu den bei Pflegebedürftigkeit eben­falls anfal­l­en­den Ver­rich­tun­gen der hauswirtschaftlichen Ver­sorgung im Sinne von § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI. Hier­bei kann sog­ar eine Verbindung zum per­sön­lichen Gel­tungs­bere­ich des § 1 Abs. 3 PflegeArb­bV gezo­gen wer­den. Auch nach dieser Regelung sind von der Verord­nung nur solche Arbeit­nehmer erfasst, die über­wiegend pflegerische Tätigkeit­en in der Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 PflegeArb­bV erbrin­gen. Als „Pflegemodule/Pflegezeiten“ sollen somit Ver­rich­tun­gen der Grundpflege im Sinne von § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 SGB XI geschuldet sein. Nur diese Zeit­en hat die Beklagte (möglicher­weise in ein­er Pauschal­berech­nung) unter Berück­sich­ti­gung des Min­destent­gelts in die Berech­nung des Ver­tragsent­gelts eingestellt.

Ruhezeit­en und Pausen­zeit­en sind ausweis­lich der Ver­tragsregelung nicht zu vergüten. Dies ist im Übri­gen eine Selbstverständlichkeit.

Ob hauswirtschaftliche Tätigkeit­en, Bere­itschaft und Anwe­sen­heit­en geschuldet waren, ist durch Ausle­gung zu ermit­teln. Die ver­tragliche Regelung weist jeden­falls erhe­bliche gram­matikalis­che Unzulänglichkeit­en auf. Ins­beson­dere ist nicht ein­deutig, ob das Adjek­tiv „geson­dert“ lediglich in Bezug zur „Anwe­sen­heit“ ste­hen soll oder in Bezug zu den „hauswirtschaftlichen Tätigkeit­en, der Bere­itschaft und der Anwe­sen­heit“. Es sind zwei Ausle­gungsvari­anten denkbar. Entwed­er der Satz sollte richtig heißen: „…, hauswirtschaftliche Tätigkeit, Bere­itschaft, Anwe­sen­heit geson­dert (in Form ein­er geson­derten Anwe­sen­heit) , Ruhezeit­en und Pausen wer­den nicht geson­dert vergütet.“ Dies scheint die Ausle­gung zu sein, der die Beklagte zuneigt. Oder aber: „…, hauswirtschaftliche Tätigkeit, Bere­itschaft und Anwe­sen­heit wer­den geson­dert berechnet/(oder) vergütet….“ Wie bere­its oben dargestellt, han­delt es sich in § 3 Nr. 4 des Arbeitsver­trages um eine Vergü­tungs­berech­nungsregelung. Deshalb wur­den die „Pflegemodule/Pflegezeiten“ in der Zeit­form Pas­siv Präsens ver­bun­den mit der For­mulierung „wird berech­net“. Auch die Pausen und Ruhezeit­en „wer­den nicht vergütet“. Sel­biges gilt in diesem Zusam­men­hang auch für die hauswirtschaftlichen Tätigkeit­en, Bere­itschaft­szeit­en und Anwe­sen­heit­szeit­en. Auch für diese sollte eine Vergü­tungsregelung getrof­fen wer­den. Das Adjek­tiv „geson­dert“ ste­ht somit in Bezug auf ein vergessenes Verb „vergütet“ oder „berech­net“. Daraus fol­gt, dass diese Tätigkeit­en „geson­dert“ zu vergüten oder zu berech­nen sind und somit auch geson­dert und eben nicht unter Anwen­dung des Min­dest­lohns in die Fes­t­lohn­berech­nung einge­flossen sind. Ent­ge­gen der Annahme der Beklagten kann nicht davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass selb­st tat­säch­liche Arbeit­en wie hauswirtschaftliche Tätigkeit­en (in Vol­lar­beit) ohne Vergü­tung bleiben soll­ten. Es kann kaum unter­stellt wer­den, dass die Parteien eine so offenkundig recht­sun­wirk­same Regelung haben tre­f­fen wollen, dass die Klägerin hauswirtschaftliche Tätigkeit­en und Bere­itschafts­di­en­ste ohne jegliche Vergü­tung zu erbrin­gen hat­te. Gestützt wird diese Ausle­gung auch durch § 1 Abs. 2 des Arbeitsver­trags, wonach neben Pflege­di­en­stleis­tun­gen auch „son­stige Dien­stleis­tun­gen“ zu erbrin­gen waren. Daraus ergibt sich nun­mehr, dass in den Rudu-?Einsatz auch hauswirtschaftliche Tätigkeit­en im Sinne von § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI, Bere­itschaft­szeit­en und (son­stige) Anwe­sen­heit­szeit­en gefall­en sind und geschuldet waren.

4. Mit welchem zeitlichen Umfang die einzel­nen geschulde­ten Tätigkeit­en gem. § 3 Nr. 4 des Arbeitsver­trages in die Ent­gelt­berech­nung gem. § 3 Nr. 1 des Arbeitsver­trages einge­flossen sind, ob die nicht der Grundpflege zuge­höri­gen Tätigkeit­en und Zeit­en über­haupt in die Pauschalierungs­berech­nung einge­flossen sind und mit welchem Vergü­tungssatz die nicht der Grundpflege zuge­höri­gen Tätigkeit­en und Zeit­en inner­halb ein­er solchen Pauschalierung bew­ertet wur­den, mag dahin­ste­hen, genau­so wie die Frage, ob eine solche Pauschalierungsregelung über­haupt ein­er Trans­paren­zkon­trolle stand­hal­ten würde. Die Klägerin macht wie bere­its dargestellt schließlich keine ver­traglichen Vergü­tungsansprüche gel­tend, son­dern das Min­destent­gelt gem. § 2 PflegeArbbV.

5. Die Regelun­gen über das Min­destent­gelt in § 2 PflegeArb­bV sind auf das Arbeitsver­hält­nis der Klägerin anwendbar.

a) Die Beklagte betreibt einen Pflege­be­trieb in Sinne von § 1 Abs. 2 PflegeArb­bV. Sie führt näm­lich einen Betrieb, in dem über­wiegend ambu­lante Pflegeleis­tun­gen für Pflegebedürftige erbracht wer­den, wobei es sich nicht um ambu­lante Krankenpflegeleis­tun­gen für Pflegebedürftige han­delt. Auch wer­den im Betrieb der Beklagten keine Leis­tun­gen zur medi­zinis­chen Vor­sorge, zur medi­zinis­chen Reha­bil­i­ta­tion, zu Teil­habe am Arbeit­sleben oder am Leben in der Gemein­schaft, erbracht. Schulis­che Aus­bil­dun­gen oder die Erziehung kranker oder behin­dert­er Men­schen ste­ht nicht im Vorder­grund des Zwecks der Ein­rich­tung. Auch betreibt die Beklagte kein Krankenhaus.

b) Die Klägerin unter­fällt dem per­sön­lichen Anwen­dungs­bere­ich des § 1 Abs. 3 PflegeArbbV.

Wie bere­its oben dargestellt, hat­te die Klägerin ausweis­lich ihres Arbeitsver­trages pflegerische Tätigkeit­en in der Grundpflege gem. § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 SGB XI zu erbrin­gen. Diese Tätigkeit­en über­wogen auch gegenüber den anderen Tätigkeit­en, ins­beson­dere den Tätigkeit­en der hauswirtschaftlichen Ver­sorgung gem. § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI.

Wie die Beklagte selb­st darstellte, wurde im Rah­men der Ver­fahren zur Fest­stel­lung der Pflegestufen vom Medi­zinis­chen Dienst der Krankenkasse ermit­telt, dass bei Schwest­er E. ein grundpflegerisch­er Hil­febe­darf von 68 Minuten und ein hauswirtschaftlich­er Hil­febe­darf von 60 Minuten pro Tag bestand. Bei Schwest­er U. bestand ein grundpflegerisch­er Bedarf von 180 Minuten und ein hauswirtschaftlich­er Hil­febe­darf von 60 Minuten pro Tag. Der grundpflegerische Bedarf über­wog somit den hauswirtschaftlichen Hil­febe­darf deut­lich, so dass es nicht auf die Behaup­tung der Klägerin ankommt, ob der grundpflegerische Bedarf vom Medi­zinis­chen Dienst der Krankenkasse deut­lich zu niedrig ermit­telt wurde.

Die Bere­itschaft­szeit­en ändern hier­an nichts, da diese eben­falls nur der Erbringung von Tätigkeit­en nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 oder § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI zu dienen bes­timmt waren.

6. Mit dem Min­destent­gelt gem. § 2 Abs. 1 PflegeArb­bV sind sämtliche Tätigkeit­en der Klägerin zu vergüten, unab­hängig davon, ob sie in Vol­lar­beit erbracht wur­den oder ob die Klägerin Bere­itschafts­di­enst hat­te und unab­hängig davon, ob sie Tätigkeit­en in der Grundpflege im Sinne von § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 SGB XI erbrachte oder aber Tätigkeit­en der hauswirtschaftlichen Ver­sorgung im Sinne von § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI.

a) Sowohl Vol­lar­beit­szeit­en als auch Bere­itschafts­di­en­stzeit­en sind mit dem Min­destent­gelt von 8,50 € pro Stunde zu vergüten.

aa) Bere­itschafts­di­enst, den ein Arbeit­nehmer in Form per­sön­lich­er Anwe­sen­heit im Betrieb des Arbeit­ge­bers leis­tet, ist jeden­falls seit der soge­nan­nten SIMAP-?Entscheidung des EuGH arbeit­szeitrechtlich als Arbeit­szeit im Sinne von Art. 2 RL 2003/88/EG anzuse­hen (EuGH 03. Okto­ber 2000 — C-?303/98 — NZA 2000, 1227, SIMAP; EuGH 01. Dezem­ber 2005 — C-?14/04 — NZA 2006, 89, Del­las; BAG 23. Juni 2010 — 10 AZR 543/09 — BAGE 135, 34). Dies wird nun­mehr auch durch § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG klargestellt.

Da es sich um Arbeit­szeit han­delt, ist diese auch zu vergüten. Lediglich ist es auf der Ent­gelt­seite zuläs­sig, dass für Bere­itschaft­szeit­en durch Tar­ifver­trag oder Arbeitsver­trag ein gerin­geres Ent­gelt vere­in­bart wird als für Tätigkeit­en in Vol­lar­beit­szeit (BAG 28. Jan­u­ar 2004 — 5 AZR 530/02 — BAGE 109, 254; BAG 05. Juni 2003 — 6 AZR 114/02 — BAGE 106, 252), wobei eine Pauschalierung des Ent­gelts für Bere­itschaft­szeit­en üblich und grund­sät­zlich zuläs­sig ist (BAG 28. Jan­u­ar 2004 aaO). Beste­ht jedoch keine Regelung, ist der Bere­itschafts­di­enst wie Vol­lar­beit zu bezahlen.

bb) Ob in der Min­destent­gel­tregelung des § 2 PflegeArb­bV zwis­chen nor­maler Vol­lar­beit und Tätigkeit im Bere­itschafts­di­enst dif­feren­ziert wird, ist durch Ausle­gung zu ermitteln.

Bei der Ausle­gung von Verord­nun­gen ist, genau­so wie bei der Ausle­gung von Geset­zen, der Wort­laut der Vorschrift, der sys­tem­a­tis­che Gesamtzusam­men­hang, die Entste­hungs­geschichte und der Zweck, soweit er im Gesetz erkennbar Aus­druck gefun­den hat, zugrunde zu leg­en (BAG 15. Novem­ber 2011 — 9 AZR 348/10 — AP PflegeZG § 3 Nr. 1).

Jeden­falls der Wort­laut des § 2 PflegeArb­bV dif­feren­ziert nicht nach der Art der erbracht­en Arbeit.

Die PflegeArb­bV wurde erlassen auf der Grund­lage der Ermäch­ti­gung in § 11 Abs. 1 AEntG. Gegen­stand ein­er solche Rechtsverord­nung über die Min­destar­beits­be­din­gun­gen in der Pflege­branche kön­nen die in § 5 Nr. 1 und 2 AEntG geregel­ten Arbeits­be­din­gun­gen sein, die auch Gegen­stand eines Tar­ifver­trages gem. § 3 AEntG sein kön­nen. Hierunter gehören gem. § 5 Nr. 1 AEntG die Min­destent­gelt­sätze, die nach Art der Tätigkeit, Qual­i­fika­tion der Arbeit­nehmer und Arbeit­nehmerin­nen und Regio­nen dif­ferieren kön­nen, ein­schließlich der Über­stun­den­sätze. Daraus ist zu erken­nen, dass der Geset­zge­ber Dif­feren­zierun­gen vor allem nach der Art der Tätigkeit hat zulassen wollen. Unter „Art der Tätigkeit“ meinte der Geset­zge­ber zwar haupt­säch­lich unter­schiedliche Ent­gelt­sätze in Bezug auf die aus­geübte Tätigkeit (zB Innen- oder Unter­halt­sreini­gung/­Glas- und Fas­saden­reini­gung; Dachdecker/Maler und Lack­ier­er) (BT-?Drs. 16/10486 S. 12). Hierunter lassen sich aber auch Dif­feren­zierun­gen zwis­chen Vol­lar­beit und Bere­itschafts­di­enst fassen. Denn in § 5 Nr. 1 AEntG ist eigentlich (ohne die Ver­weisung über § 11 AEntG) geregelt, was Gegen­stand eines Tar­ifver­trages gem. § 3 AEntG sein kann. Ger­ade in Tar­ifverträ­gen wird im Rah­men der Vergü­tung aber häu­fig danach unter­schieden, ob Arbeit als Vol­lar­beit erbracht wurde oder im Rah­men eines Bere­itschafts­di­en­stes (zB § 46 TVöD-?BT-?K). Dies war dem Geset­zge­ber bewusst. Wenn dann, trotz beste­hen­der Dif­feren­zierungsmöglichkeit und trotz grund­sät­zlich­er Zuläs­sigkeit, Bere­itschafts­di­en­ste geringer zu vergüten als Vol­lar­beit (BAG 28. Jan­u­ar 2004 aaO), das Bun­desmin­is­teri­um für Arbeit und Soziales als zuständi­ges Fach­min­is­teri­um, dem die Beson­der­heit­en in der Pflege­branche bekan­nt sind, eine Regelung ohne aus­drück­liche Dif­feren­zierung trifft, ist davon auszuge­hen, dass der Bere­itschafts­di­enst dann im Rah­men des Min­destent­gelts genau­so zu behan­deln sein soll wie die Vollarbeit.

Dieses Ausle­gungsergeb­nis wird noch durch ein weit­eres Argu­ment gestützt: In § 3 Abs. 1 PflegeArb­bV ist näm­lich geregelt, dass die Arbeit­szeit eine Ober­gren­ze von 300 Stun­den pro Monat nicht über­schre­it­en darf. Unab­hängig davon, dass der Verord­nungs­ge­ber damit seine Regelungskom­pe­tenz über­schrit­ten hat, da § 11 Abs. 1 AEntG, anders als zB. § 7 AEntG, nur auf die Regelungs­ge­gen­stände des § 5 Nr. 1 und 2 AEntG ver­weist und ger­ade nicht auf § 5 Nr. 4 AEntG iVm. § 2 Nr. 3 AEntG (Höch­star­beit­szeit), ist erkennbar, dass der Verord­nungs­ge­ber eine monatliche Arbeit­szeit von 300 Stun­den pro Monat für möglich hielt. Eine solche Arbeit­szeit kön­nte nach den Regelun­gen des Arbeit­szeit­ge­set­zes zuläs­sig aber nie erre­icht wer­den, wenn sich darin nicht auch in erhe­blichen Maße Bere­itschaft­szeit­en befän­den, vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG. Es ist nicht anzunehmen, dass der Verord­nungs­ge­ber eine Höch­star­beit­szeit fes­tle­gen wollte, die bere­its deut­lich über der des Arbeit­szeit­ge­set­zes liegt. Vielmehr soll­ten die Vorschriften des Arbeit­szeit­ge­set­zes gem. § 3 Abs. 3 PflegeArb­bV unberührt bleiben. Der Verord­nungs­ge­ber gab somit zu erken­nen, dass er Vol­lar­beit­szeit­en und Bere­itschafts­di­en­stzeit­en gle­ich bew­ertet, deshalb diese Arbeit­en auch im Rah­men des Min­destent­gelts gle­ich zu vergüten sind.

b) Auch sind grundpflegerische Tätigkeit­en und Tätigkeit­en zur hauswirtschaftlichen Ver­sorgung gle­ich zu vergüten.

Zwar eröffnet § 1 Abs. 3 PflegeArb­bV den per­sön­lichen Gel­tungs­bere­ich erst, wenn die grundpflegerischen Tätigkeit­en gem. § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 SGB XI über­wiegen, siehe oben. Ist aber der Gel­tungs­bere­ich eröffnet, find­et sich vor allem in § 2 PflegeArb­bV keine weit­ere Dif­feren­zierung mehr. Dies obwohl der Verord­nungs­ge­ber nach der Art der Tätigkeit hätte dif­feren­zieren kön­nen, siehe oben. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb der Verord­nungs­ge­ber aus­gerech­net eine gerin­gere Vergü­tung für eine Art der Vol­lar­beit (Hauswirtschaft) hätte anord­nen sollen im Ver­gle­ich zu ein­er anderen Art der Vol­lar­beit (Grundpflege), wenn er schon zwis­chen Vol­lar­beit und Bere­itschafts­di­enst, in welchem tat­säch­lich gerin­gere Arbeit­sleis­tun­gen anfall­en, nicht dif­feren­zieren wollte.

7. Soweit die Klägerin keine Vol­lar­beit erbrachte, hat sie Bere­itschafts­di­enst erbracht und nicht bloße Ruf­bere­itschaft, wie die Beklagte meinte.

Zum Einen war, wie oben bere­its dargelegt, schon ver­traglich ein Bere­itschafts­di­enst vere­in­bart und nicht bloße Rufbereitschaft.

Bere­itschafts­di­enst ist zudem der Dienst, den der Arbeit­nehmer in Form per­sön­lich­er Anwe­sen­heit im Betrieb des Arbeit­ge­bers leis­tet ohne Rück­sicht darauf, welche Arbeit­sleis­tung der Betrof­fene während dieses Bere­itschaft­di­en­stes tat­säch­lich erbringt. Eine andere Bew­er­tung ergibt sich nur dann, wenn der Dienst in der Weise geleis­tet wird, dass der Arbeit­nehmer ständig erre­ich­bar ist, ohne jedoch zur Anwe­sen­heit an einem vom Arbeit­ge­ber bes­timmten Ort verpflichtet zu sein (Ruf­bere­itschaft). Für die arbeitss­chutzrechtliche Bew­er­tung (und vor­liegend auch für die ent­gel­trechtliche Bew­er­tung) ist es ohne Bedeu­tung, ob der Arbeit­ge­ber den Arbeit­nehmern ein Ruher­aum zur Ver­fü­gung stellt, in dem sie sich aufhal­ten kön­nen. Es kommt nicht auf Anzahl und Umfang der tat­säch­lichen Arbeit­sein­sätze während des Bere­itschafts­di­en­stes an. Für die Abgren­zung von Arbeits- und Ruhen­szeit (Ruf­bere­itschaft wäre eine solche Ruhen­szeit) im Sinne des Arbeit­szeit­ge­set­zes ist darauf abzustellen, ob sich die Arbeit­nehmer an einem vom Arbeit­ge­ber bes­timmten Ort aufhal­ten müssen, um gegebe­nen­falls sofort ihre Leis­tung erbrin­gen zu kön­nen (BAG 23. Juni 2010 aaO).

Vor­liegend ist aber unbe­strit­ten, dass die Klägerin sich im Rudu-?Dienst rund um die Uhr, dh. 24 Stun­den am Tag, in den von der Beklagten bes­timmten Räum­lichkeit­en aufzuhal­ten hat­te, um im Bedarfs­fall sofort die gebote­nen Pflegeleis­tun­gen erbrin­gen zu kön­nen. Dass die Klägerin einen eige­nen Raum in unmit­tel­bar­er Nähe zu den betreuten Pflegedürfti­gen hat­te, ist hier­bei uner­he­blich. Eben­so uner­he­blich ist, dass die Klägerin in S. und Umge­bung über gar keine Woh­nung ver­fügte, somit auf die Gestel­lung des Raumes angewiesen war. Die Klägerin hielt sich näm­lich nur während der Rudu-?Dienste in diesem Raum auf und fuhr nach Beendi­gung der Dien­ste nach Hause nach R.. Freizeit­möglichkeit­en (zB Gast­stät­ten, Kino- oder The­aterbe­suche) hat­te die Klägerin während der Rudu-?Dienste jeden­falls nicht.

8. Dif­feren­ziert die PflegeArb­bV aber nicht nach der Art der Tätigkeit, muss auch die Klägerin in ihrem Vor­trag ihre Arbeit­szeit­en nicht ein­er Art der Tätigkeit zuord­nen. Es ist dann aus­re­ichend, wenn die Klägerin darstellt, was vor­liegend auch nicht bestrit­ten ist, dass sie zur recht­en Zeit am recht­en Ort war, um Arbeit­san­weisun­gen der Beklagten zu befol­gen (BAG 18. April 2012 — 5 AZR 248/11 — NZA 2012, 998).

9. Lediglich Pausen­zeit­en sind von den gel­tend gemacht­en Arbeit­szeit­en abzuziehen.

a) Die Klägerin hat­te unstre­it­ig die bei­den pflegebedürfti­gen Schwest­ern täglich im Zeitraum von 11:45 Uhr bis 12:45 Uhr während des Mit­tagessens und von 17:50 Uhr bis 18:50 Uhr während des Gottes­di­en­stes nicht zu betreuen. Diese 2 Stun­den waren als feste Pausen­zeit­en abzuziehen.

Soweit die Klägerin ein­wen­dete, sie habe zu diesen Zeit­en hauswirtschaftliche Ver­rich­tun­gen getätigt, ist nicht erkennbar, dass dies auf Anweisung der Beklagten erfol­gte, und weshalb diese Ver­rich­tun­gen nicht auch inner­halb der verbliebe­nen 22 Stun­den am Tag hät­ten erledigt wer­den kön­nen. Eine Beweisauf­nahme war deshalb nicht geboten.

b) Soweit die Beklagte auch noch Pausen­zeit­en von 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr in Abzug brin­gen möchte, kon­nte sie nicht durch­drin­gen. Zwar war zu dieser Zeit Mit­tagsruhe der pflegebedürfti­gen Schwest­ern. Jedoch wurde von der Klägerin unbe­strit­ten erwartet, dass diese im Bedarfs­fall ins­beson­dere wenn die Patien­ten sich nicht an die Mit­tagsruhe hiel­ten, sofort wieder tätig wur­den. Dann aber han­delte es sich um Bere­itschafts­di­enst und nicht um eine Ruhezeit.

10. Es ergibt sich somit für den Monat August 2010 fol­gende Berechnung:

06.08.2010, 21:00 bis 24:00 Uhr:

3 Stun­den

 
07.08.2010, 0:00 Uhr bis 19.08.2010, 24:00 Uhr (13 x 22 Stunden):

286 Stun­den

 
20.08.2010, 0:00 Uhr bis 11:45 Uhr:

11,75 Stun­den

 
Gesamt:

300,75 Stun­den

 
300,75 Stun­den x 8,50 € =

2.556,38 €

 
abzüglich bezahlter:

1.885,85 €

 
Dif­ferenz:

670,53 €

brut­to

III.

Die Klägerin hat einen Vergü­tungsanspruch für Sep­tem­ber 2010 in Höhe von weit­eren 696,03 € brut­to aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 2 Abs. 1 PflegeArbbV.

1. Hin­sichtlich des Anspruchs­grun­des wird auf obige Aus­führun­gen verwiesen.

2. Der Anspruch errech­net sich wie folgt:

02.09.2010, 21:00 bis 24:00 Uhr:

3 Stun­den

 
03.09.2010, 0:00 Uhr bis 15.09.2010, 24:00 Uhr (13 x 22 Stunden):

286 Stun­den

 
04.09.2010, 0:00 Uhr bis 11:45 Uhr:

11,75 Stun­den

 
30.09.2010, 21:00 bis 24:00 Uhr:

3 Stun­den

 
Gesamt:

303,75 Stun­den

 
303,75 Stun­den x 8,50 € =

2.581,88 €

 
abzüglich bezahlter:

1.885,85 €

 
Dif­ferenz:

696,03 €

brut­to

IV.

Die Klägerin hat einen Vergü­tungsanspruch für Okto­ber 2010 in Höhe von weit­eren 1.380,56 € brut­to aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 2 PflegeArbbV.

1. Hin­sichtlich des Anspruchs­grun­des wird auf obige Aus­führun­gen verwiesen.

2. Dieser Anspruch errech­net sich wie folgt:

01.10.2010, 0:00 Uhr bis 14.10.2010, 24:00 Uhr (14 x 22 Stunden):

308 Stun­den

 
15.10.2010, 0:00 Uhr bis 11:45 Uhr:

 11,75 Stunden

 
Gesamt:

319,75 Stun­den

 
319,75 Stun­den x 8,50 € =

2.717,88 €

 
abzüglich bezahlter:

1.303,32 €

 
Dif­ferenz:

1.414,56 €

brut­to

3. Da im Rah­men der Ent­gelt­berech­nung nach dem Min­destent­gelt lediglich die tat­säch­lich erbracht­en Leis­tun­gen zugrunde gelegt wur­den, ist es uner­he­blich, ob die Klägerin nach Ausspruch der Kündi­gung noch gear­beit­et hat oder nicht.

V.

Nebe­nentschei­dun­gen

1. Die Entschei­dung über die Verzin­sung beruht auf dem Gesicht­spunkt des Verzugs. Die Zin­shöhe ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB.

2. Die Koste­nentschei­dung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat let­ztlich mit einem Gesamt­be­trag von 2.838,49 € gewon­nen bei eingeklagten 3.898,19 €. Dies entspricht einem Obsiegen­san­teil von 74 %.

3. Die Revi­sion war wegen grund­sät­zlich­er Bedeu­tung gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für die Beklagte zuzulassen.