16. Februar 2012

Frage nach Schwerbehinderung im bestehenden Arbeitsverhältnis erlaubt

BAG — 16.02.2012 — 6 AZR 553/10 | Im beste­hen­den Arbeitsver­hält­nis ist jeden­falls nach sechs Monat­en, also nach dem Erwerb des Son­derkündi­gungss­chutzes für behin­derte Men­schen, die Frage des Arbeit­ge­bers nach der Schwer­be­hin­derung zuläs­sig. Das gilt ins­beson­dere zur Vor­bere­itung von beab­sichtigten Kündi­gun­gen. Der mit einem Grad der Behin­derung von 60 schwer­be­hin­derte Kläger stand seit dem 1. Novem­ber 2007 in einem bis zum 31. Okto­ber 2009 befris­teten Arbeitsver­hält­nis. Auf Anfrage des Arbeit­ge­bers verneinte der Arbeit­nehmer seine Schwer­be­hin­derung. Später kündigte der Arbeit­ge­ber dem Kläger zum 30. Juni 2009. Der Kläger, der in der Klageschrift vom 9. Juni 2009 seine Schwer­be­hin­derung mit­geteilt hat, hält die Kündi­gung vom 26. Mai 2009 für unwirk­sam, weil das Inte­gra­tionsamt ihr nicht zuges­timmt habe. Er hat­te vor dem Sech­sten Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts keinen Erfolg. Die Frage nach der Schwer­be­hin­derung im Vor­feld ein­er vom Arbeit­ge­ber beab­sichtigten Kündi­gung soll es dem Arbeit­ge­ber ermöglichen, sich recht­streu zu ver­hal­ten. Die Frage diskri­m­iniert behin­derte Arbeit­nehmer nicht gegenüber solchen ohne Behin­derung. Auch daten­schutzrechtliche Belange ste­hen der Zuläs­sigkeit der Frage nicht ent­ge­gen. Infolge der wahrheitswidri­gen Beant­wor­tung der ihm recht­mäßig gestell­ten Frage nach sein­er Schwer­be­hin­derung ist es dem Kläger unter dem Gesicht­spunkt wider­sprüch­lichen Ver­hal­tens ver­wehrt, sich im Kündi­gungss­chutzprozess auf seine Schwer­be­hin­derteneigen­schaft zu berufen.

Tenor

1. Die Revi­sion des Klägers gegen das Urteil des Lan­desar­beits­gerichts Hamm vom 30. Juni 2010 — 2 Sa 49/10 — wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revi­sion zu tragen.

Tatbe­stand

Die Parteien stre­it­en über die Wirk­samkeit ein­er ordentlichen betrieb­s­be­d­ingten Kündigung.

Der mit einem GdB von 60 schwer­be­hin­derte Kläger stand seit dem 1. Novem­ber 2007 in einem bis zum 31. Okto­ber 2009 befris­teten Arbeitsver­hält­nis mit der Schuld­ner­in. Am 8. Jan­u­ar 2009 ord­nete das Amts­gericht Arns­berg (-? 21 IN 21/09 -?) das vor­läu­fige Insol­ven­zver­fahren über deren Ver­mö­gen an und bestellte den Beklagten zum vor­läu­fi­gen Insol­ven­zver­wal­ter. Zugle­ich übertrug es ihm das Recht zur Ausübung der Arbeit­ge­ber­befug­nisse ein­schließlich der Ermäch­ti­gung, Kündi­gun­gen auszus­prechen. Am 1. März 2009 wurde das Insol­ven­zver­fahren über das Ver­mö­gen der Schuld­ner­in eröffnet und der Beklagte zum Insol­ven­zver­wal­ter bestellt.

In sein­er Eigen­schaft als vor­läu­figer Insol­ven­zver­wal­ter gab der Beklagte zur Ver­voll­ständi­gung bzw. Über­prü­fung der Sozial­dat­en an sämtliche Arbeit­nehmer Frage­bö­gen aus. Erfragt wur­den das Geburts­da­tum, der Fam­i­lien­stand, die Anzahl der unter­halt­spflichti­gen Kinder sowie das Vor­liegen ein­er Schwer­be­hin­derung bzw. die Gle­ich­stel­lung mit einem Schwer­be­hin­derten. Der Kläger antwortete in den Feldern „Schwer­be­hin­derung“ und „Gle­ich­stel­lung“ jew­eils mit „Nein“.

Auf der Grund­lage eines am 20. Mai 2009 geschlosse­nen Inter­esse­naus­gle­ichs mit Namensliste kündigte der Beklagte das Arbeitsver­hält­nis am 26. Mai 2009 ordentlich zum 30. Juni 2009. Das Kündi­gungss­chreiben ging dem Kläger am fol­gen­den Tag zu.

Der Kläger, der in der Klageschrift vom 9. Juni 2009 seine Schwer­be­hin­derung mit­geteilt hat, hat — soweit für die Revi­sion noch von Bedeu­tung — die Ansicht vertreten, die ohne Beteili­gung des Inte­gra­tionsamtes erk­lärte Kündi­gung sei unwirk­sam. Die Frage nach der Schwer­be­hin­derung stelle eine ver­botene Benachteili­gung iSd. §§ 1, 7 AGG dar. Ein Arbeit­nehmer habe deshalb während des gesamten Arbeitsver­hält­niss­es ein Recht zur wahrheitswidri­gen Beant­wor­tung der Frage nach sein­er Schwer­be­hin­derteneigen­schaft. Vor Ablauf der Regel­frist für die Ver­wirkung des Son­derkündi­gungss­chutzes drei Wochen nach Zugang der Kündi­gung sei der Arbeit­nehmer auch nicht verpflichtet, seine Schwer­be­hin­derung zu offenbaren.

Der Kläger hat zulet­zt beantragt,

festzu­stellen, dass das zwis­chen den Parteien beste­hende Arbeits­ver­hältnis nicht durch die Kündi­gung des Beklagten vom 26. Mai 2009 aufgelöst wird, son­dern über den 30. Juni 2009 hin­aus ungekündigt fortbesteht.

Der Beklagte hat seinen Klage­ab­weisungsantrag damit begrün­det, dass der Kläger sich wider­sprüch­lich ver­hal­ten habe und sich deshalb nach der wahrheitswidri­gen Beant­wor­tung der Frage nach sein­er Schwer­be­hin­derteneigen­schaft auf diese nicht mehr berufen könne.

Das Arbeits­gericht hat der Kündi­gungss­chutzk­lage stattgegeben, das Lan­desar­beits­gericht hat auf die Beru­fung des Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der vom Lan­desar­beits­gericht zuge­lasse­nen Revi­sion ver­fol­gt der Kläger sein Klageziel weit­er. Er rügt, die Frage nach der Schwer­be­hin­derung ver­stoße gegen daten­schutzrechtliche Bes­tim­mungen. Er macht weit­er gel­tend, das Lan­desar­beits­gericht habe nicht berück­sichtigt, dass der Beklagte die Frage nach der Schwer­be­hin­derung im Insol­ven­z­eröff­nungsver­fahren ohne Angabe von Grün­den gestellt habe. Für den Kläger sei deshalb die Inten­tion der Frage nicht erkennbar gewe­sen, so dass er sich durch die wahrheitswidrige Beant­wor­tung dieser Frage nicht treuwidrig ver­hal­ten habe.

Entschei­dungs­gründe

Die Revi­sion des Klägers ist unbe­grün­det. Die Kündi­gung des Beklagten vom 26. Mai 2009 hat das Arbeitsver­hält­nis zum 30. Juni 2009 been­det. Das hat das Lan­desar­beits­gericht rechts­fehler­frei festgestellt.

A. Die Kündi­gung ist nicht nach § 134 BGB nichtig. Sie bedurfte zwar an sich der vorheri­gen Zus­tim­mung des Inte­gra­tionsamtes gemäß § 85 SGB IX, an der es hier fehlt. Der Kläger hat sich auch inner­halb von drei Wochen und damit inner­halb ein­er angemesse­nen Frist auf den im Zeit­punkt der Kündi­gungserk­lärung bere­its beste­hen­den Schwer­be­hin­derten­schutz berufen, so dass dieser Schutz nicht ver­wirkt ist (st. Rspr. zulet­zt BAG 9. Juni 2011 — 2 AZR 703/09 — Rn. 22, EzA SGB IX § 85 Nr. 7). Dem Kläger ist es den­noch unter dem Gesicht­spunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ver­wehrt, sich auf den Son­derkündi­gungss­chutz als Schwer­be­hin­dert­er zu berufen. Das Berufen des Klägers auf diesen Schutz nach Erk­lärung der Kündi­gung trotz Vernei­n­ung der ihm im Vor­feld eben dieser Kündi­gung recht­mäßig gestell­ten Frage nach der Schwer­be­hin­derung ist als wider­sprüch­lich­es Ver­hal­ten unbeachtlich.

I. Die Frage des Arbeit­ge­bers nach der Schwer­be­hin­derung bzw. einem dies­bezüglich gestell­ten Antrag ist im beste­hen­den Arbeitsver­hält­nis jeden­falls nach sechs Monat­en, dh. ggf. nach Erwerb des Behin­derten­schutzes gemäß §§ 85 ff. SGB IX, zuläs­sig. Das gilt ins­beson­dere zur Vor­bere­itung von beab­sichtigten Kündi­gun­gen. Der Arbeit­nehmer hat die Frage auf­grund sein­er Rück­sicht­nah­mepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB wahrheits­gemäß zu beantworten.

1. Aus einem Schuld­ver­hält­nis erwächst ein­er Ver­tragspartei auch die Pflicht zur Rück­sicht­nahme auf die Rechte, Rechts­güter und Inter­essen des anderen Ver­trag­steils. Dies dient dem Schutz und der Förderung des Ver­tragszwecks. Die Ver­tragspart­ner sind verpflichtet, ihre Pflicht­en aus dem Arbeitsver­hält­nis so zu erfüllen, ihre Rechte so auszuüben und die im Zusam­men­hang mit dem Arbeitsver­hält­nis ste­hen­den Inter­essen des Ver­tragspart­ners so zu wahren, wie dies unter Berück­sich­ti­gung der wech­sel­seit­i­gen Belange ver­langt wer­den kann. Welche konkreten Fol­gen sich aus der Rück­sicht­nah­mepflicht ergeben, hängt von der Art des Schuld­ver­hält­niss­es und den Umstän­den des Einzelfalls ab (BAG 13. August 2009 — 6 AZR 330/08 — Rn. 31, BAGE 131, 325; 19. Mai 2010 — 5 AZR 162/09 — Rn. 26, BAGE 134, 296).

2. Unter Berück­sich­ti­gung dieser Grund­sätze durfte der Beklagte den Kläger, der im beste­hen­den Arbeitsver­hält­nis den Son­derkündi­gungss­chutz nach §§ 85 ff. SGB IX bere­its erwor­ben hat­te, zur Vor­bere­itung von Kündi­gun­gen nach ein­er Schwer­be­hin­derteneigen­schaft fra­gen. Für diese Frage bestand ein berechtigtes, bil­li­genswertes und schutzwürdi­ges Inter­esse des Beklagten. Sie stand im Zusam­men­hang mit sein­er Pflicht­en­bindung durch das Erforder­nis, bei der Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG die Schwer­be­hin­derung zu berück­sichti­gen sowie den Son­derkündi­gungss­chutz nach §§ 85 ff. SGB IX zu beacht­en. Die ver­langte Auskun­ft belastete den Kläger in dieser Sit­u­a­tion nicht über­mäßig. Sie benachteiligte ihn auch nicht iSv. §§ 1, 7 AGG wegen sein­er Behin­derung. Schließlich wur­den auch daten­schutzrechtliche Belange des Klägers dadurch nicht ver­let­zt (vgl. zu diesen Anforderun­gen grundle­gend bere­its BAG 7. Sep­tem­ber 1995 — 8 AZR 828/93 — BAGE 81, 15, 22).

a) Die Frage nach der Schwer­be­hin­derung ist im beste­hen­den Arbeitsver­hält­nis jeden­falls nach Ablauf der Frist des § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX zuzu­lassen, um dem Arbeit­ge­ber ein recht­streues Ver­hal­ten zu ermöglichen, etwa im Zusam­men­hang mit seinen Pflicht­en zur behin­derungs­gerecht­en Beschäf­ti­gung (§ 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX), Zahlung ein­er Aus­gle­ichsab­gabe (§ 77 SGB IX) und Gewährung von Zusatzurlaub (§ 125 SGB IX) (vgl. Schaub/Koch ArbR-?Hdb. 14. Aufl. § 179 Rn. 18c; Griebel­ing in Hauck/Noftz SGB IX K § 85 Rn. 27a; unklar MünchKommBGB/Thüsing 6. Aufl. § 11 AGG Rn. 24, der eine Offen­barungspflicht des Arbeit­nehmers nach Ein­stel­lung bejaht). Ins­beson­dere im Vor­feld ein­er beab­sichtigten Kündi­gung zeigt der Arbeit­ge­ber mit dieser Frage, dass er seine zum Schutz des Schwer­be­hin­derten bei ein­er Kündi­gung beste­hen­den Pflicht­en nach § 1 Abs. 3 KSchG und §§ 85 ff. SGB IX erfüllen will (vgl. v. Hoyningen-?Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 950; Schaub/Koch aaO; Müller-?Wenner in Müller-?Wenner/Winkler SGB IX Teil 2 2. Aufl. § 85 Rn. 63).

b) Andere, gle­ich geeignete und gle­ich zuver­läs­sige Möglichkeit­en des Arbeit­ge­bers, sich die zur Erfül­lung dieser Pflicht­en erforder­liche Ken­nt­nis von der Schwer­be­hin­derteneigen­schaft rechtssich­er zu ver­schaf­fen, beste­hen nicht.

aa) Ins­beson­dere kann der Arbeit­ge­ber ent­ge­gen der vom Kläger in der Ver­hand­lung vor dem Sen­at vertrete­nen Ansicht nicht auf die Ein­hol­ung eines sog. Neg­a­ti­vat­tests ver­wiesen wer­den. Mit einem solchen Bescheid weist das Inte­gra­tionsamt den form- und frist­gerecht gestell­ten Antrag des Arbeit­ge­bers auf Erteilung zur Zus­tim­mung zu ein­er beab­sichtigten Kündi­gung als unzuläs­sig ab, weil eine Zus­tim­mung zur Kündi­gung nicht erforder­lich ist. Obwohl dieses Insti­tut im SGB IX nicht vorge­se­hen ist und obwohl es nicht die Auf­gabe des Inte­gra­tionsamtes, son­dern gemäß § 69 SGB IX iVm. §§ 1, 6 KOVVfG die des Ver­sorgungsamtes ist, die Schwer­be­hin­derteneigen­schaft eines bes­timmten Arbeit­nehmers zu klären (BAG 7. März 2002 — 2 AZR 612/00 — BAGE 100, 355, 358; BVer­wG 15. Dezem­ber 1988 — 5 C 67.85 — BVer­wGE 81, 84), wird es all­ge­mein für zuläs­sig gehal­ten (KR/Etzel 9. Aufl. §§ 85 -? 90 SGB IX Rn. 54; Schaub/Koch ArbR-?Hdb. 14. Aufl. § 179 Rn. 28; Trenk-?Hinterberger in HK-?SGB IX 3. Aufl. § 88 Rn. 55; Düwell in LPG-?SGB IX 3. Aufl. § 85 Rn. 37; Müller-?Wenner in Müller-?Wenner/Winkler SGB IX Teil 2 2. Aufl. § 85 Rn. 69). Liegt ein solch­er bestand­skräftiger Bescheid vor der Erk­lärung der Kündi­gung vor, ent­fal­tet er Bindungswirkung auch gegenüber den Arbeits­gericht­en und beseit­igt eben­so wie die Zus­tim­mung des Inte­gra­tionsamtes die Kündi­gungssperre des § 85 SGB IX (BAG 6. Sep­tem­ber 2007 — 2 AZR 324/06 — Rn. 15, BAGE 124, 43; grundle­gend 27. Mai 1983 — 7 AZR 482/81 — BAGE 42, 169, 174).

Fol­gte man der Ansicht des Klägers, müsste der Arbeit­ge­ber vor jed­er von ihm beab­sichtigten Kündi­gung ein Neg­a­ti­vat­test ein­holen. Allein das würde, ins­beson­dere bei Masse­nent­las­sun­gen, selb­st dann zu erhe­blichen, dem Arbeit­ge­ber unzu­mut­baren Verzögerun­gen bei der Umset­zung des Kündi­gungsentschlusses führen, wenn ein bestand­skräftiger Bescheid des Inte­gra­tionsamtes ergin­ge (vgl. BAG 7. März 2002 — 2 AZR 612/00 — BAGE 100, 355, 358). Der Arbeit­nehmer kann zudem als Beteiligter des Ver­wal­tungsver­fahrens, das zum Neg­a­ti­vat­test führt, gegen dieses Wider­spruch und bei Nichtab­hil­fe Anfech­tungsklage erheben (KR/Etzel 9. Aufl. §§ 85 -? 90 SGB IX Rn. 56; Trenk-?Hinterberger in HK-?SGB IX 3. Aufl. § 88 Rn. 66 f.; Müller-?Wenner in Müller-?Wenner/Winkler SGB IX Teil 2 2. Aufl. § 85 Rn. 69). Der Arbeit­nehmer kann also ein­er­seits durch die bloße Erhe­bung von Rechts­be­helfen bzw. Rechtsmit­teln die Möglichkeit des Arbeit­ge­bers, rechtssich­er eine Kündi­gung ohne Ver­let­zung sein­er ihm gegenüber Schwer­be­hin­derten obliegen­den Pflicht­en zu erk­lären, erhe­blich hin­auszögern. Bis zur Unan­fecht­barkeit der Entschei­dung des Inte­gra­tionsamtes trägt der Arbeit­ge­ber ander­er­seits das Risiko, dass sich im Laufe des gerichtlichen Ver­fahrens doch noch die Zus­tim­mungs­bedürftigkeit der Kündi­gung her­ausstellt (Müller-?Wenner in Müller-?Wenner/Winkler aaO Rn. 70). Die Ein­hol­ung eines Neg­a­ti­vat­tests ist daher für den Arbeit­ge­ber keine gle­ich geeignete Alter­na­tive zur Frage nach der Schwer­be­hin­derung, um ihm die Ken­nt­nis zu ver­schaf­fen, die er zur Erfül­lung der ihm geset­zlich gegenüber Schwer­be­hin­derten obliegen­den Pflicht­en benötigt.

bb) Die Verpflich­tung des Arbeit­nehmers, den Arbeit­ge­ber nach Erk­lärung ein­er Kündi­gung zum Erhalt des Son­derkündi­gungss­chutzes bin­nen angemessen­er Frist auf die Schwer­be­hin­derung hinzuweisen, schützt ent­ge­gen der Auf­fas­sung von Deinert/Neumann (Reha­bil­i­ta­tion und Teil­habe behin­dert­er Men­schen 2. Aufl. § 17 Rn. 29) den Arbeit­ge­ber nicht hin­re­ichend, weil dies die Ein­hal­tung der dem Arbeit­ge­ber bere­its vor Erk­lärung der Kündi­gung obliegen­den Pflicht­en nicht sich­er­stellen kann.

c) Die Frage nach der Schwer­be­hin­derung im Vor­feld ein­er Kündi­gung diskri­m­iniert den Arbeit­nehmer nicht wegen sein­er Behin­derung unmit­tel­bar iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG.

aa) Allerd­ings kann die Frage nach der Schwer­be­hin­derung nur von Trägern dieses Merk­mals wahrheitswidrig beant­wortet wer­den. Wed­er die Frage selb­st noch deren wahrheits­gemäße Beant­wor­tung führen jedoch zu dem vom Kläger angenomme­nen Nachteil für den behin­derten Men­schen, also zu ein­er „weniger gün­sti­gen Behand­lung“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG. Ob ein solch­er Nachteil vor­liegt, ist objek­tiv aus der Sicht eines ver­ständi­gen Drit­ten zu beurteilen (vgl. BAG 25. Feb­ru­ar 2010 — 6 AZR 911/08 — Rn. 33, BAGE 133, 265).

(1) Durch die Frage nach der Schwer­be­hin­derung und deren wahrheits­gemäße Beant­wor­tung wer­den behin­derte Arbeit­nehmer gegenüber Nicht­be­hin­derten nicht zurück­ge­set­zt (zu dieser Def­i­n­i­tion des Nachteils iSd. § 3 Abs. 1 AGG für das Merk­mal „Alter“ siehe BAG 25. Feb­ru­ar 2010 — 6 AZR 911/08 — Rn. 25, BAGE 133, 265). Die Frage nach der Schwer­be­hin­derung soll es bei objek­tiv­er Betra­ch­tung dem Arbeit­ge­ber ermöglichen, den beson­deren Schutz des Schwer­be­hin­derten zu ver­wirk­lichen, ins­beson­dere den Son­derkündi­gungss­chutz des Schwer­be­hin­dertenge­set­zes zu beacht­en. Dieser öffentlich-?rechtliche Son­derkündi­gungss­chutz ist präven­tiv­er Art. Er unter­wirft die Ausübung des arbeit­ge­ber­seit­i­gen Kündi­gungsrechts ein­er vorheri­gen Kon­trolle durch das Inte­gra­tionsamt, indem er die Kündi­gung einem Ver­bot mit Erlaub­nisvor­be­halt unter­stellt, um so bere­its im Vor­feld der Kündi­gung die spez­i­fis­chen Schutz­in­ter­essen schwer­be­hin­dert­er Arbeit­nehmer zur Gel­tung zu brin­gen und eine mit den Schutzz­weck­en des SGB IX unvere­in­bare Kündi­gung zu ver­hin­dern. Dem Inte­gra­tionsamt obliegt im Rah­men des Son­derkündi­gungss­chutzes die Inschutz­nahme des Schwer­be­hin­derten mit dem Ziel, die aus sein­er Behin­derung resul­tieren­den Benachteili­gun­gen auf dem Arbeits­markt auszu­gle­ichen, dadurch seine Wet­tbe­werb­s­fähigkeit mit Nicht­be­hin­derten herzustellen und sicherzustellen, dass er gegenüber Let­zteren nicht ins Hin­tertr­e­f­fen gerät (vgl. BVer­wG 2. Juli 1992 — 5 C 39.90 — BVer­wGE 90, 275; 2. Juli 1992 — 5 C 51.90 — BVer­wGE 90, 287; 31. Juli 2007 — 5 B 81.06 — Rn. 5). Die Frage dient also der Wahrung der Rechte und Inter­essen des Schwer­be­hin­derten, nicht aber dazu, ihn gegenüber nicht behin­derten Arbeit­nehmern zurück­zuset­zen. Die Belange des schwer­be­hin­derten Men­schen sollen durch § 1 Abs. 3 KSchG sowie in dem nach §§ 85 ff. SGB IX einzuhal­tenden Ver­fahren ger­ade gewahrt wer­den. Das set­zt aber voraus, dass der Arbeit­ge­ber von der Schwer­be­hin­derteneigen­schaft Ken­nt­nis hat oder zumin­d­est die Möglichkeit hat, sich diese durch Nach­frage zu ver­schaf­fen. Dies ste­ht auch im Ein­klang mit den Zie­len der Richtlin­ie 2000/78/EG des Rates vom 27. Novem­ber 2000 zur Fes­tle­gung eines all­ge­meinen Rah­mens für die Ver­wirk­lichung der Gle­ich­be­hand­lung in Beschäf­ti­gung und Beruf (RL 2000/78/EG). Nach ihrem Erwä­gungs­grund Nr. 16 strebt diese durch das AGG umge­set­zte Richtlin­ie Maß­nah­men an, die darauf abstellen, den Bedürfnis­sen von Men­schen mit Behin­derung am Arbeit­splatz Rech­nung zu tra­gen. Ausweis­lich des Erwä­gungs­grun­des Nr. 27 will sie der Aufrechter­hal­tung des Beschäf­ti­gungsver­hält­niss­es von Men­schen mit Behin­derung beson­dere Aufmerk­samkeit wid­men. Diesen Zweck­en dienen ua. § 1 Abs. 3 KSchG und der in §§ 85 ff. SGB IX geregelte Sonderkündigungsschutz.

(2) Der Hin­weis des Klägers in der mündlichen Ver­hand­lung vor dem Sen­at, er werde gegenüber einem Behin­derten, der durch den Frage­bo­gen „vorge­warnt“ den Antrag auf Anerken­nung als Schwer­be­hin­dert­er erst nach Aus­füllen des Fra­gen­bo­gens gestellt und sich erst dann den geset­zlichen Son­derkündi­gungss­chutz ver­schafft habe, zurück­ge­set­zt, ver­fängt nicht. Deckt die Frage nach der Schwer­be­hin­derung nicht alle denkbaren Kon­stel­la­tio­nen des noch zu erwer­ben­den Schutzes als Schwer­be­hin­dert­er ab, fol­gt daraus nicht, dass die Frage nach einem bere­its beste­hen­den Schutz unzuläs­sig ist. Es ist Sache des Arbeit­ge­bers, die Frage nach einem beste­hen­den Son­derkündi­gungss­chutz zu for­mulieren und dadurch ihre Reich­weite festzule­gen. Fragt er, wie im vor­liegen­den Fall, nicht nach einem bere­its gestell­ten Antrag auf Anerken­nung als Schwer­be­hin­dert­er, fordert er auch nicht dazu auf, erst später gestellte Anträge mitzuteilen und lässt einige Zeit zwis­chen der Beant­wor­tung der Frage und Kündi­gungserk­lärung ver­stre­ichen, hat er die sich aus ein­er solch unzure­ichen­den Fragestel­lung für ihn eventuell ergeben­den nachteili­gen Fol­gen zu tra­gen, set­zt aber nicht den Arbeit­nehmer, der iSd. § 2 Abs. 2 SGB IX als schwer­be­hin­dert anerkan­nt ist, gegenüber dem im Zeit­punkt der Frage­bo­ge­nak­tion lediglich iSd. § 2 Abs. 1 SGB IX behin­derten Arbeit­nehmer zurück.

bb) Schließlich überzeugt auch das Argu­ment der Revi­sion, ein wirk­samer Diskri­m­inierungss­chutz sei nur gewährleis­tet, wenn bere­its die Vor­bere­itung ein­er möglichen Diskri­m­inierung aus­geschlossen werde, nicht. Im Unter­schied zur Sit­u­a­tion der Ver­tragsan­bah­nung (zum Stre­it­stand hin­sichtlich der Frage nach der Schwer­be­hin­derteneigen­schaft des Stel­len­be­wer­bers vgl. BAG 7. Juli 2011 — 2 AZR 396/10 — Rn. 17, NZA 2012, 34) befind­et sich der behin­derte Arbeit­nehmer in der hier vor­liegen­den Sit­u­a­tion bere­its in ein­er geset­zlich beson­ders geschützten Rechtsstel­lung, die ger­ade zum Ziel hat, Diskri­m­inierun­gen des Behin­derten zu ver­mei­den. Meint der Arbeit­nehmer, dass es nach Ken­nt­niser­lan­gung des Arbeit­ge­bers von ein­er Schwer­be­hin­derung zu ein­er solchen Diskri­m­inierung gekom­men ist, ist er auf den geset­zlichen Diskri­m­inierungss­chutz zu verweisen.

d) Auch daten­schutzrechtliche Belange ste­hen der Zuläs­sigkeit der Frage nicht entgegen.

aa) § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG lässt die Frage nach der Schwer­be­hin­derung bei union­srecht­skon­former Ausle­gung unter Beach­tung des dadurch umge­set­zten Art. 8 Abs. 2 Buchst. b der Richtlin­ie 95/46/EG des Europäis­chen Par­la­ments und des Rates vom 24. Okto­ber 1995 zum Schutz natür­lich­er Per­so­n­en bei der Ver­ar­beitung per­so­n­en­be­zo­gen­er Dat­en und zum freien Daten­verkehr (RL 95/46/EG) zu, wenn wie im vor­liegen­den Fall nach der von den nationalen Gericht­en vorzunehmenden, am Zweck der RL 95/46/EG ori­en­tierten Abwä­gung das Inter­esse des Arbeit­nehmers an der Geheimhal­tung sein­er Behin­derung das Inter­esse des Arbeit­ge­bers an der Erhe­bung dieser Dat­en nicht überwiegt.

(1) Die vor­liegende Frage­bo­ge­nak­tion wird vom Bun­des­daten­schutzge­setz erfasst. Auch Samm­lun­gen aus­ge­füll­ter For­mu­la­re sind nicht automa­tisierte Dateien iSd. § 1 Abs. 2 Nr. 3 iVm. § 3 Abs. 2 Satz 2 BDSG (Dammann in Simi­tis BDSG 7. Aufl. § 3 Rn. 99; Thüsing/Lambrich BB 2002, 1146, 1150 mwN).

(2) Nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG ist das Erheben, Ver­ar­beit­en und Nutzen beson­der­er Arten per­so­n­en­be­zo­gen­er Dat­en iSd. § 3 Abs. 9 BDSG für eigene Geschäft­szwecke auch ohne Ein­willi­gung des Betrof­fe­nen zuläs­sig, wenn dies zur Gel­tend­machung, Ausübung oder Vertei­di­gung rechtlich­er Ansprüche erforder­lich ist und kein Grund zu der Annahme beste­ht, dass das schutzwürdi­ge Inter­esse des Betrof­fe­nen an dem Auss­chluss der Erhe­bung, Ver­ar­beitung oder Nutzung über­wiegt. Diese Voraus­set­zun­gen sind bei der Frage nach der Schwer­be­hin­derung im beste­hen­den Arbeitsver­hält­nis jeden­falls nach Erwerb des Behin­derten­schutzes und zur Vor­bere­itung konkret bevorste­hen­der Kündi­gun­gen erfüllt.

(a) Die Frage nach der Behin­derung ver­langt Angaben zur Gesund­heit und stellt damit eine Erhe­bung beson­der­er Arten per­so­n­en­be­zo­gen­er Dat­en (sen­si­tiv­er Dat­en) iSv. § 3 Abs. 9 BDSG dar (Gola/Schomerus BDSG 10. Aufl. § 3 Rn. 56a; Thüsing/Lambrich BB 2002, 1146, 1151).

(b) Allerd­ings ist die Erhe­bung der Schwer­be­hin­derteneigen­schaft nicht zur „Gel­tend­machung, Ausübung oder Vertei­di­gung“ eines Anspruchs des Arbeit­ge­bers iSd. Legalde­f­i­n­i­tion des § 194 Abs. 1 BGB, also eines Rechts, von ein­er anderen Per­son ein Tun oder Unter­lassen zu ver­lan­gen, erforder­lich. Sie ist, wie bere­its aus­ge­führt, lediglich Voraus­set­zung für die Erfül­lung der dem Arbeit­ge­ber nach § 1 Abs. 3 KSchG und § 85 SGB IX obliegen­den Pflicht­en. Die Daten­er­he­bung find­et also im Vor­feld der Erfül­lung geset­zlich­er Pflicht­en des Arbeit­ge­bers statt und dient dazu, diesem die Ken­nt­nis zu ver­schaf­fen, die erforder­lich ist, um ihm anschließend ein geset­zeskon­formes Han­deln zu ermöglichen. Auch eine solche Daten­er­he­bung zur Klärung von gegen den Arbeit­ge­ber gerichteten Ansprüchen, die sich für diesen spiegel­bildlich als Pflicht­en darstellen, ist jedoch unter Berück­sich­ti­gung der RL 95/46/EG von § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG gedeckt (Gola RDV 2001, 125, 127).

(aa) § 28 Abs. 6 bis Abs. 9 BDSG set­zen nach dem aus­drück­lichen Willen des Geset­zge­bers (BT-?Drucks. 14/4329 S. 43) Art. 8 RL 95/46/EG, ins­beson­dere Art. 8 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlin­ie, um. Nach dieser Bes­tim­mung ist die Ver­ar­beitung von Dat­en, worunter nach Art. 2 Buchst. b RL 95/46/EG auch deren Erhe­bung fällt, zuläs­sig, um den Recht­en und Pflicht­en des für die Ver­ar­beitung Ver­ant­wortlichen auf dem Gebi­et des Arbeit­srechts Rech­nung zu tra­gen, sofern dies auf­grund von einzel­staatlichem Recht, das angemessene Garantien vor­sieht, zuläs­sig ist. Ein Wille des Geset­zge­bers, durch die For­mulierung der Voraus­set­zun­gen in § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG der Erhe­bung, Ver­ar­beitung und Nutzung sen­si­tiv­er Dat­en durch den Arbeit­ge­ber im Bere­ich des Arbeit­srechts engere Gren­zen als durch Art. 8 Abs. 2 Buchst. b RL 95/46/EG vorge­se­hen zu set­zen, ist nicht ersichtlich (vgl. Gola RDV 2001, 125, 127). Es han­delt sich vielmehr lediglich um eine miss­glück­te For­mulierung (vgl. Thüsing/Lambrich BB 2002, 1146, 1152). Deshalb kann dahin­ste­hen, ob es dem deutschen Geset­zge­ber ver­wehrt gewe­sen wäre, die in Art. 8 Abs. 2 Buchst. b RL 95/46/EG niedergelegten Grund­sätze weit­er einzuschränken (vgl. für Art. 7 Buchst. f RL 95/46/EG: EuGH 24. Novem­ber 2011 — C-?468/10 — [Aso­ciación Nacional] Rn. 35 f., 48, NZA 2011, 1409).

(bb) Eine „Gel­tend­machung, Ausübung oder Vertei­di­gung rechtlich­er Ansprüche“ als Voraus­set­zung ein­er Daten­er­he­bung nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG liegt deshalb in Übere­in­stim­mung mit der For­mulierung des Art. 8 Abs. 2 Buchst. b RL 95/46/EG auch vor, wenn die Daten­er­he­bung erforder­lich ist, um den Recht­en und Pflicht­en des Arbeit­ge­bers Rech­nung zu tra­gen. Dazu gehören auch die Pflicht­en des Arbeit­ge­bers zur Beach­tung der Schwer­be­hin­derung im Rah­men der Sozialauswahl und zur Wahrung des Schwer­be­hin­derten­schutzes nach §§ 85 ff. SGB IX (vgl. beja­hend zur Zuläs­sigkeit der Frage nach der Schwer­be­hin­derung unter daten­schutzrechtlichen Gesicht­spunk­ten auch Seifert in Simi­tis BDSG 7. Aufl. § 32 Rn. 68 für § 32 BDSG nF; zur Daten­er­he­bung im beste­hen­den Arbeitsver­hält­nis all­ge­mein Gola RDV 2001, 125, 127).

© Let­ztlich sind damit die Anforderun­gen an das recht­mäßige Inter­esse bei der Frage nach ein­er Schwer­be­hin­derung des Arbeit­nehmers durch den Arbeit­ge­ber und die Anforderun­gen des Daten­schutzes deck­ungs­gle­ich. Die RL 95/46/EG schränkt das Fragerecht nach der Schwer­be­hin­derung, sofern diese unter arbeit­srechtlichen Gesicht­spunk­ten zuläs­sig ist, nicht ein. Sie soll das Gle­ichgewicht zwis­chen dem freien Verkehr per­so­n­en­be­zo­gen­er Dat­en und dem Schutz der Pri­vat­sphäre wahren. Dieses angemessene Gle­ichgewicht zwis­chen den betrof­fe­nen Recht­en und Inter­essen ist vor allem bei der Anwen­dung des die RL 95/46/EG umset­zen­den nationalen Rechts zu find­en, wobei die durch das Union­srecht geschützten Rechte der Betrof­fe­nen zu wahren sind (EuGH 6. Novem­ber 2003 — C-?101/01 — [Lindqvist] Rn. 97, 85, 87, Slg. 2003, I-?12971). Ein über­wiegen­des Inter­esse des Arbeit­nehmers an der Wahrung sein­er Pri­vat­sphäre liegt nicht vor. Die Frage nach der Schwer­be­hin­derung dient, wie wieder­holt aus­ge­führt, let­ztlich der Wahrung der Rechte, die dem Arbeit­nehmer ger­ade wegen der Schwer­be­hin­derung zukom­men. (Erst) in dem Ver­fahren nach § 85 SGB IX sind die behin­derungs­be­d­ingten Nachteile auszu­gle­ichen und die durch das Union­srecht, ins­beson­dere die RL 2000/78/EG, gewährleis­teten Rechte des Arbeit­nehmers zu wahren.

bb) Wird dem Arbeit­ge­ber das Recht zur Frage nach der Schwer­be­hin­derung im Vor­feld von Kündi­gun­gen zuge­s­tanden, ver­let­zt dies den schwer­be­hin­derten Arbeit­nehmer auch nicht in seinem Recht auf infor­ma­tionelle Selbstbestimmung.

(1) Es kann dahin­ste­hen, ob die Über­prü­fung des Fragerechts im All­ge­meinen und des diese Frage nach Vorste­hen­dem zulassenden § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG im Beson­deren am Maßstab des Grundge­set­zes im Hin­blick auf den Anwen­dungsvor­rang des Union­srechts ent­behrlich ist.

(a) Das Bun­desver­fas­sungs­gericht übt — jen­seits des Ultra-?vires- und des Ver­fas­sungsi­den­titätsvor­be­halts — über die Anwend­barkeit von Union­srecht als Rechts­grund­lage für die nationalen Gerichte und Behör­den seine Gerichts­barkeit nicht mehr aus und über­prüft dieses Recht nicht mehr am Maßstab der Grun­drechte, solange die Europäis­che Union einen gle­ich wirk­samen Grun­drechtss­chutz ver­bürgt. Dies gilt allerd­ings bei inner­staatlichen Rechtsvorschriften, die Richtlin­ien des Union­srechts umset­zen, nur dann, wenn das Union­srecht zwin­gende Vor­gaben macht, also dem nationalen Geset­zge­ber keinen Umset­zungsspiel­raum lässt (BVer­fG 4. Okto­ber 2011 — 1 BvL 3/08 — Rn. 46, NJW 2012, 45). Lässt das Union­srecht den Mit­glied­staat­en dage­gen einen Umset­zungsspiel­raum, ist dieser grundge­set­zkon­form auszufüllen. In diesem union­srechtlich nicht oder jeden­falls nicht voll­ständig deter­minierten Nor­men­bere­ich müssen die nationalen Fachgerichte den Ein­fluss der Grun­drechte bei der Ausle­gung von Vorschriften des nationalen Rechts nach wie vor zur Gel­tung brin­gen. Ob ein solch­er die Grun­drecht­sprü­fung der Fachgerichte eröff­nen­der Umset­zungsspiel­raum des nationalen Geset­zge­bers beste­ht, hat das Fachgericht durch Ausle­gung des ein­schlägi­gen Union­srechts zu ermit­teln, wobei es gegebe­nen­falls die Voraus­set­zun­gen eines Vor­abentschei­dungsver­fahrens nach Art. 267 AEUV — auch in Bezug auf den Schutz der durch das Union­srecht ver­bürgten Grun­drechte — in Betra­cht ziehen muss (BVer­fG 19. Juli 2011 — 1 BvR 1916/09 — [Cassi­na] Rn. 88 f., NJW 2011, 3428).

(b) Die RL 95/46/EG eröffnet dem nationalen Geset­zge­ber durch Art. 5 Hand­lungsspiel­räume, auf­grund der­er er die in Art. 6 bis Art. 8 RL 95/46/EG fest­gelegten Grund­sätze näher bes­tim­men kann. Es ist ihm lediglich ver­wehrt, zusät­zliche Bedin­gun­gen vorzuse­hen, durch die die Trag­weite eines der in der RL 95/46/EG fest­gelegten Grund­sätze verän­dert wird (vgl. zu Art. 7 RL 95/46/EG: EuGH 24. Novem­ber 2011 — C-?468/10 — [Aso­ciación Nacional] Rn. 35, NZA 2011, 1409; 6. Novem­ber 2003 — C-?101/01 — [Lindqvist] Rn. 82 f., Slg. 2003, I-?12971). Ins­beson­dere kann er gemäß Art. 8 Abs. 4 RL 95/46/EG, sofern „angemessene Garantien“ beste­hen, aus Grün­den eines wichti­gen öffentlichen Inter­ess­es andere als die in Art. 8 Abs. 2 RL 95/46/EG genan­nten Aus­nah­men vorsehen.

© Ob damit nach vorste­hen­den Grund­sätzen die Grun­drecht­sprü­fung eröffnet ist oder ob jeden­falls in Bezug auf das Fragerecht des Arbeit­ge­bers nach der Schwer­be­hin­derung Art. 8 Abs. 2 RL 95/46/EG dem deutschen Geset­zge­ber keinen Umset­zungsspiel­raum ließ, kann dahin­ste­hen. Das Recht auf infor­ma­tionelle Selb­st­bes­tim­mung wird durch die Frage nach der Schwer­be­hin­derung unter den genan­nten Voraus­set­zun­gen nicht ver­let­zt. Ein­er Vor­lage an den Gericht­shof der Europäis­chen Union nach Art. 267 AEUV zur Klärung des Umset­zungsspiel­raums des nationalen Geset­zge­bers im stre­it­be­fan­genen Zusam­men­hang bedarf es deshalb nicht.

(2) Das von Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG umfasste Recht auf infor­ma­tionelle Selb­st­bes­tim­mung gewährleis­tet die Befug­nis des Einzel­nen, grund­sät­zlich selb­st zu entschei­den, wann und inner­halb welch­er Gren­zen per­sön­liche Lebenssachver­halte offen­bart wer­den. Das Recht gewährt seinen Trägern ins­beson­dere Schutz gegen unbe­gren­zte Erhe­bung, Spe­icherung, Ver­wen­dung oder Weit­er­gabe der auf sie bezo­ge­nen, indi­vid­u­al­isierten oder indi­vid­u­al­isier­baren Dat­en. Vom Schutzbere­ich dieses Grun­drechts sind per­sön­liche oder per­so­n­en­be­zo­gene Dat­en umfasst, worunter Einze­langaben über per­sön­liche oder sach­liche Ver­hält­nisse ein­er bes­timmten oder bes­timm­baren Per­son zu ver­ste­hen sind (BVer­fG 24. Novem­ber 2010 — 1 BvF 2/05 — BVer­fGE 128, 1, 42 f.). Darunter fällt auch die Schwerbehinderung.

(3) Der Ein­griff in das infor­ma­tionelle Selb­st­bes­tim­mungsrecht ist jedoch durch § 28 Abs. 6 r. 3 BDSG gerecht­fer­tigt (zu den Anforderun­gen an die Schranken des Rechts auf infor­ma­tionelle Selb­st­bes­tim­mung BVer­fG 24. Novem­ber 2010 — 1 BvF 2/05 — BVer­fGE 128, 1, 46). Aus dem Grundge­setz ergeben sich insoweit keine weit­erge­hen­den Anforderun­gen als aus dem Unionsrecht.

e) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Revi­sion wird durch das Beja­hen eines Fragerechts des Arbeit­ge­bers nach der Schwer­be­hin­derung im Vor­feld von beab­sichtigten Kündi­gun­gen die ständi­ge Recht­sprechung des Bun­de­sar­beits­gerichts, wonach dem schwer­be­hin­derten Arbeit­nehmer der Son­derkündi­gungss­chutz noch zukommt, sofern er seine Schwer­be­hin­derung dem Arbeit­ge­ber inner­halb der Frist des § 4 KSchG offen­legt (zulet­zt 23. Feb­ru­ar 2010 — 2 AZR 659/08 — Rn. 16, BAGE 133, 249), nicht unter­laufen. Auch der von ihr gezo­gene Schluss, aus dieser Recht­sprechung folge, dass der Arbeit­nehmer nicht verpflichtet sei, vor Ablauf der Frist des § 4 KSchG seine Schwer­be­hin­derung zu offen­baren, trägt nicht. Diese Recht­sprechung dient dem Ver­trauenss­chutz sowie der Rechtssicher­heit und ver­wehrt es dem Arbeit­nehmer, seine sich aus der Schwer­be­hin­derung ergeben­den Rechte gegenüber dem Arbeit­ge­ber, der bei Erk­lärung der Kündi­gung von der Schwer­be­hin­derung bzw. einem bere­its gestell­ten Antrag auf Anerken­nung der Schwer­be­hin­derung keine Ken­nt­nis hat, illoy­al ver­spätet gel­tend zu machen. Sie ver­wehrt es aber nicht dem Arbeit­ge­ber, diese Recht­sun­sicher­heit bere­its im Vor­feld der Kündi­gung durch die Frage nach der Schwer­be­hin­derung zu beseitigen.

II. Die Revi­sion nimmt zu Unrecht an, die Frage nach der Schwer­be­hin­derung des Klägers sei jeden­falls deshalb unzuläs­sig gewe­sen, weil der Beklagte den Anlass dieser Frage nicht konkret dargelegt habe, so dass der Kläger schon deshalb die Frage habe wahrheitswidrig beant­worten dür­fen, zumal er dem Beklagten als vor­läu­figem Insol­ven­zver­wal­ter ohne­hin nicht zur Auskun­ft verpflichtet gewe­sen sei.

1. Wie bere­its aus­ge­führt, ist die Frage nach ein­er Schwer­be­hin­derung im beste­hen­den Arbeitsver­hält­nis jeden­falls nach Ablauf der Frist des § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX zuzu­lassen, um dem Arbeit­ge­ber ein recht­streues Ver­hal­ten zu ermöglichen. Der Arbeit­ge­ber muss deshalb den konkreten Anlass sein­er Frage dem Arbeit­nehmer nicht mitteilen.

2. Darüber hin­aus war die Frage für den Kläger erkennbar im Vor­feld ein­er beab­sichtigten Kündi­gungswelle gestellt wor­den, damit der Beklagte die ihm bei der Umset­zung dieses Kündi­gungsentschlusses im Zusam­men­hang mit der Schwer­be­hin­derung von Arbeit­nehmern obliegen­den Pflicht­en erfüllen konnte.

a) Die Revi­sion macht insoweit gel­tend, das Lan­desar­beits­gericht habe zwar im Tatbe­stand aus­ge­führt, dass die Frage zur Ver­mei­dung von Fehlern bei der Sozialauswahl erfol­gt sei. Der Beklagte habe jedoch nicht vor­ge­tra­gen, dass er dem Kläger die Inten­tion sein­er Frage erläutert habe. Richtig sei dage­gen die Fest­stel­lung des Arbeits­gerichts, wonach für den Kläger bei der Frage nicht ersichtlich gewe­sen sei, welchen Zweck der Beklagte damit ver­fol­gt habe.

b) Mit dieser Argu­men­ta­tion berück­sichtigt der Kläger nicht, dass der Frage­bo­gen im Insol­ven­z­eröff­nungsver­fahren verteilt wor­den ist. Wenn in einem der­ar­ti­gen Ver­fahren vom vor­läu­fi­gen Insol­ven­zver­wal­ter eine Umfrage zur „Ver­voll­ständi­gung bzw. Über­prü­fung“ der Sozial­dat­en erfol­gt, liegt auf der Hand, dass dies der Vor­bere­itung von Kündi­gun­gen, wie sie in ein­er Insol­venz im Regelfall erforder­lich sind, dient. Eben­so liegt auf der Hand, dass der (vor­läu­fige) Insol­ven­zver­wal­ter mit ein­er solchen Frage­bo­ge­nak­tion zum Aus­druck bringt, dass er ins­beson­dere den Schwer­be­hin­derten­schutz ver­wirk­lichen will. Im All­ge­meinen ist davon auszuge­hen, dass der (vor­läu­fige) Ver­wal­ter geset­zmäßig han­delt (vgl. BGH 20. Juli 2010 — IX ZR 37/09 — Rn. 26, BGHZ 186, 242).

3. Der Kläger war auch gegenüber dem Beklagten, der im Zeit­punkt der Durch­führung der Frage­bo­ge­nak­tion noch „schwach­er“ vor­läu­figer Insol­ven­zver­wal­ter war, zur Auskun­ft verpflichtet.

a) Das Insol­ven­zgericht hat dem Beklagten mit Beschluss vom 8. Jan­u­ar 2009 das Recht zur Ausübung der Arbeit­ge­ber­befug­nisse ein­schließlich der Ermäch­ti­gung, Kündi­gun­gen auszus­prechen, über­tra­gen. Es hat ihn damit zum sog. „halb­starken“ vor­läu­fi­gen Insol­ven­zver­wal­ter bestellt (zu diesem Begriff Graf-?Schlicker InsO 2. Aufl. § 22 Rn. 13 ff.). Zwar ist eine pauschale gerichtliche Ermäch­ti­gung des vor­läu­fi­gen Insol­ven­zver­wal­ters, mit rechtlich­er Wirkung für den Schuld­ner zu han­deln, nach § 22 Abs. 2 Satz 1 InsO unzuläs­sig. Das Insol­ven­zgericht darf jedoch nach § 22 Abs. 2 Satz 2 InsO den „schwachen“ vor­läu­fi­gen Insol­ven­zver­wal­ter zu einzel­nen, bes­timmt beze­ich­neten Maß­nah­men berechti­gen und verpflicht­en. Dazu gehört auch die Ermäch­ti­gung zur Kündi­gung bes­timm­bar­er Arten von Dauer­schuld­ver­hält­nis­sen (BGH 18. Juli 2002 — IX ZR 195/01 — BGHZ 151, 353, 365). Der Beklagte war dem­nach bere­its im Insol­ven­z­eröff­nungsver­fahren jeden­falls hin­sichtlich der Kündi­gungs­berech­ti­gung in die Arbeit­ge­ber­stel­lung eingerückt und war berechtigt, alle damit ver­bun­de­nen Entschei­dun­gen vorzu­bere­it­en und zu treffen.

b) Darüber hin­aus hat auch ein „schwach­er“ vor­läu­figer Insol­ven­zver­wal­ter, dem das Insol­ven­zgericht keine Arbeit­ge­ber­befug­nisse über­tra­gen hat, einen geset­zlichen Auskun­ft­sanspruch gegen die bei der Insol­ven­zschuld­ner­in beschäftigten Arbeit­nehmer. Gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO ist der Schuld­ner verpflichtet, dem Insol­ven­zver­wal­ter über alle das Ver­fahren betr­e­f­fend­en Ver­hält­nisse Auskun­ft zu geben. Diese Norm gilt gemäß § 101 Abs. 2 InsO entsprechend auch für die Angestell­ten des Schuld­ners und damit ohne Beschränkung auf den arbeit­srechtlichen Angestell­tenbe­griff für alle im Betrieb täti­gen Per­so­n­en des Schuld­ners (Graf-?Schlicker InsO 2. Aufl. § 101 Rn. 5). Die Verpflich­tung zur Auskun­ft beste­ht kraft der Ver­weisung in § 22 Abs. 3 Satz 3 InsO schon im Eröff­nungsver­fahren, wobei es uner­he­blich ist, ob der vor­läu­fige Insol­ven­zver­wal­ter „stark“ oder „schwach“ ist (Unter­busch Der vor­läu­fige Insol­ven­zver­wal­ter S. 131; Lei­thaus in Andres/Leithaus InsO 2. Aufl. § 97 Rn. 14). Der Begriff der „Auskun­ft“ ist weit auszule­gen, da er sich am Ver­fahren­szweck der Haf­tungsver­wirk­lichung ori­en­tiert. Er umfasst alle rechtlichen und wirtschaftlichen Umstände, die für die Abwick­lung des Insol­ven­zver­fahrens oder von Gläu­biger­forderun­gen in irgen­dein­er Weise von Bedeu­tung sein kön­nen (BGH 11. Feb­ru­ar 2010 — IX ZB 126/08 — Rn. 5, NZI 2010, 264; Kayser in HK-?InsO 6. Aufl. § 97 Rn. 11; HambKomm/Wendler 3. Aufl. § 97 Rn. 3; Unter­busch Der vor­läu­fige Insol­ven­zver­wal­ter S. 134). Hierunter fällt auch die Frage nach der Schwer­be­hin­derteneigen­schaft, die sich auf die Dauer eines Arbeitsver­hält­niss­es mit entsprechen­der Ent­geltzahlungspflicht auswirken kann.

III. Auch die Rüge der Revi­sion, der Beklagte habe nichts zur Wahrung der Mitbes­tim­mungsrechte des Betrieb­srats aus § 94 BetrVG vor­ge­tra­gen, was aber zur Dar­legung der Recht­fer­ti­gung der Frage nach der Schwer­be­hin­derung erforder­lich gewe­sen sei, ver­hil­ft ihr nicht zum Erfolg. Damit macht die Revi­sion einen rechtlichen Gesicht­spunkt gel­tend, der neuen Tat­sachen­vor­trag des Beklagten zur Beteili­gung des Betrieb­srats erforder­lich macht. Neues tat­säch­lich­es Vor­brin­gen im Revi­sionsver­fahren kann aber nur unter Voraus­set­zun­gen erfol­gen bzw. erzwun­gen wer­den, die hier nicht vor­liegen. Ohne­hin berechtigt eine solche Ver­let­zung von Mitbes­tim­mungsrecht­en den Arbeit­nehmer zwar möglicher­weise, die Antwort auf die gestell­ten Fra­gen zu ver­weigern, nicht jedoch, seinen Arbeit­ge­ber zu täuschen (BAG 2. Dezem­ber 1999 — 2 AZR 724/98 — BAGE 93, 41, 47).

IV. Infolge der wahrheitswidri­gen Beant­wor­tung der ihm recht­mäßig gestell­ten Frage nach sein­er Schwer­be­hin­derung ist es dem Kläger unter dem Gesicht­spunkt wider­sprüch­lichen Ver­hal­tens ver­wehrt, sich auf seine Schwer­be­hin­derteneigen­schaft zu berufen.

1. Grund­sät­zlich ste­ht es jedem Teil­nehmer des Rechtsverkehrs frei, sein Ver­hal­ten oder seine Recht­san­sicht zu ändern und sich damit in Wider­spruch zu seinem früheren Ver­hal­ten zu set­zen. Ein solch­es Ver­hal­ten ist aber rechtsmiss­bräuch­lich, wenn der Erk­lärende durch seine Erk­lärung oder durch sein Ver­hal­ten unbe­wusst oder bewusst eine Sach- oder Recht­slage geschaf­fen hat, auf die sich der andere Teil ver­lassen durfte und ver­lassen hat. Das Ver­bot wider­sprüch­lichen Ver­hal­tens als Aus­prä­gung des Grund­satzes von Treu und Glauben bildet eine allen Recht­en, Recht­sla­gen und Recht­snor­men imma­nente Inhalts­be­gren­zung. Das Ver­trauen des anderen am Rechtsver­hält­nis beteiligten Teils, dass eine bes­timmte Recht­slage gegeben sei, ist vor allem dann schutzwürdig, wenn er von dem anderen Teil in diesem Glauben bestärkt wor­den ist und im Hin­blick darauf Dis­po­si­tio­nen getrof­fen hat. In einem solchen Fall ist die Aus­nutzung der durch das wider­sprüch­liche Ver­hal­ten geschaf­fe­nen Recht­slage wegen der Recht­süber­schre­itung unzuläs­sig. Ob ein solch­er Fall vor­liegt, ist unter Berück­sich­ti­gung der Umstände des Einzelfalls zu entschei­den (BAG 12. März 2009 — 2 AZR 894/07 — Rn. 17, BAGE 130, 14; 23. Feb­ru­ar 2005 — 4 AZR 139/04 — BAGE 114, 33, 42 f.).

2. Nach diesen Grund­sätzen liegt hier ein Fall der unzuläs­si­gen Recht­sausübung vor. Der Kläger hat durch das Leug­nen sein­er anerkan­nten Schwer­be­hin­derung den Beklagten im Glauben bestärkt, er könne ohne die Beteili­gung des Inte­gra­tionsamtes wirk­sam kündi­gen, und ihn dadurch davon abge­hal­ten, vor der Kündi­gung die Zus­tim­mung des Inte­gra­tionsamtes einzu­holen. Erst bei der Fol­gekündi­gung vom 20. August 2009 kon­nten die Rechte des Klägers aus § 85 SGB IX gewahrt wer­den. Bliebe sein Ver­hal­ten fol­gen­los, würde das Arbeitsver­hält­nis des Klägers auf­grund sein­er Schwer­be­hin­derung länger fortbeste­hen als das eines nicht behin­derten, anson­sten ver­gle­ich­baren Arbeit­nehmers oder eines Schwer­be­hin­derten, der seine Schwer­be­hin­derung offen­gelegt hätte. Eine der­ar­tige Bevorzu­gung ist aber nicht Zweck des Son­derkündi­gungss­chutzes, der, wie aus­ge­führt, nur dem Aus­gle­ich behin­derungs­be­d­ingter Nachteile dient (BAG 26. Juni 2001 — 9 AZR 244/00 — BAGE 98, 114, 122; BVer­wG 2. Juli 1992 — 5 C 39.90 — BVer­wGE 90, 275).

B. Das Lan­desar­beits­gericht hat rechts­fehler­frei fest­gestellt, dass die Kündi­gung vom 26. Mai 2009 aus betrieb­s­be­d­ingten Grün­den sozial gerecht­fer­tigt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG iVm. § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO) und auch nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirk­sam ist. Gegen die entsprechende Würdi­gung des Lan­desar­beits­gerichts und die dieser zugrunde liegen­den Tat­sachen­fest­stel­lun­gen erhebt die Revi­sion auch keine Rügen.

C. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten sein­er erfol­gslosen Revi­sion zu tragen.