16. November 2011
Dürfen die tarifvertraglichen Arbeitszeitkonten überhaupt geführt werden?
LAG Düsseldorf — 16.11.2011 — 7 Sa 567/11 | Das LAG Düsseldorf hat in einem aktuell veröffentlichten Urteil entschieden, dass § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG der Errichtung eines Arbeitszeitkontos (nach § 4 MTV BZA-DGB) bei einem verstetigtem Gehalt nicht entgegensteht.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 09.02.2011, 4 Ca 187/11, wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche und Gutschriften auf einem Arbeitszeitkonto.
Die Beklagte überlässt als Dienstleistungsunternehmen seinen Kunden Personal für die Durchführung von Arbeiten im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung. Die bei ihr eingestellten Mitarbeiter werden mit Vertragsbeginn als Zeitarbeitnehmer tätig.
Der Kläger ist seit dem 22.03.2004 bei der Beklagten beschäftigt. Ausweislich des Arbeitsvertrages vom 31.10.2005 ist er als Maschinenschlosser für die Reparatur von Kraftwerksturbinen und Nebenaggregaten eingestellt worden.
Nach Ziffer 2. des Arbeitsvertrages finden auf das Arbeitsverhältnis die vom Bundesverband Zeitarbeit mit der DGB-?Tarifgemeinschaft Zeitarbeit abgeschlossenen Mantel-?, Entgelt- und Entgeltrahmentarifverträge vom 22.07.2003 in der jeweils geltenden Fassung Anwendung.
§ 2 MTV BAZ „Dauer der Arbeitszeit/Vollzeitarbeit“ lautet:
„Die individuelle regelmäßige monatliche Arbeitszeit beträgt 151,67 Stunden (dies entspricht einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden). Diese muss im Durchschnitt von 12 Kalendermonaten nach Maßgabe des § 4 erreicht werden.
In den Fällen, in denen ein Mitarbeiter dauerhaft in ein Unternehmen mit längerer Arbeitszeitdauer überlassen wird, können die Arbeitsvertragsparteien eine entsprechend längere Arbeitszeit (max. 40 Stunden / Woche) vereinbaren. Die Vergütung wird in diesem Fall entsprechend angepasst.
Die individuelle regelmäßige jährliche Arbeitszeit ergibt sich aus der monatlichen Arbeitszeit gem. Satz 1 multipliziert mit 12.
§ 4 MTV BAZ „Verteilung der Arbeitszeit/Flexibilisierung“ lautet auszugsweise:
„4.1 Die tatsächliche Lage der Arbeitszeit wird an die des Kundenbetriebes angepasst. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen und die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage richtet sich nach den im jeweiligen Kundenbetrieb gültigen Regelungen bzw. Anforderungen des Kundenbetriebs.
4.2 Zum Ausgleich der monatlichen Abweichungen zwischen der nach § 2 / § 3 vereinbarten individuellen regelmäßigen Arbeitszeit des Mitarbeiters und der tatsächlichen Arbeitszeit nach § 4.1 wird ein Arbeitszeitkonto eingerichtet. In das Arbeitszeitkonto können Plus- und Minusstunden eingestellt werden.
4.3 Plusstunden sind die über die individuelle regelmäßige monatliche Arbeitszeit hinaus entstandenen Arbeitsstunden. Minusstunden sind die unter der individuellen regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit liegenden Arbeitsstunden.
Das Arbeitszeitkonto darf max. 200 Plusstunden umfassen.
Zur Beschäftigungssicherung kann das Arbeitszeitkonto bei saisonalen Schwankungen im Einzelfall bis zu 230 Plusstunden umfassen.
.…..
4.4 Das Arbeitszeitkonto ist spätestens nach 12 Monaten auszugleichen.
Ist der Zeitausgleich in diesem Zeitraum nicht möglich, ist er in den folgenden 3 Monaten vorzunehmen. Dazu hat der Arbeitgeber mit dem betroffenen Mitarbeiter spätestens nach Ablauf der 12 Monate gemäß Abs.1 eine entsprechende Vereinbarung mit dem Ziel, einen vollständigen Zeitausgleich vorzunehmen, zu treffen.
Ist auch in diesem Zeitraum der Zeitausgleich aus betrieblichen Gründen nicht möglich, kann ein Übertrag in den nächsten Ausgleichszeitraum mit maximal 150 Stunden erfolgen. Die übersteigenden Stunden sind in Geld auszugleichen.
Die Übertragung dieser Zeitguthaben erfolgt im Rahmen der Zeitkontengrenzen gemäß § 4.3. und weitet diese nicht aus.
.…“
§ 13.1 „Entgeltvorschriften“ des MTV BAZ lautet:
„Die Mitarbeiter erhalten ein Monatsentgelt auf Basis ihrer vereinbarten individuellen regelmäßigen Arbeitszeit, das spätestens bis zum 15. Banktag des Folgemonats in der Regel unbar ausgezahlt wird.“
Unter Ziffer 5. des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien ist unter der Überschrift „Arbeitszeit“ Folgendes vereinbart:
„Die Regelung der Arbeitszeit erfolgt auf Grundlage des § 4 MTV BAZ.
a) Als individuelle regelmäßige Arbeitszeit werden im Sinne von § 2 MTV BAZ 151,67 Stunden vereinbart.
b) .…..
Gemäß § 4.2 MTV BAZ richtet der Arbeitgeber für den Mitarbeiter ein Arbeitszeitkonto ein, auf dem Plus- und Minusstunden erfasst werden. Plus-?und Minusstunden sind die von der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit abweichenden Arbeitsstunden.
c) Der Ausgleich des Zeitkontos richtet sich nach § 4.5 MTV BAZ.
d) .….…..“
Dementsprechend hat die Beklagte für den Kläger ein Arbeitszeitkonto eingerichtet.
Unter Ziffer 6. des Arbeitsvertrages ist unter anderem vereinbart, dass es sich bei der Vergütung in Höhe von 1.616,80 € brutto pro Monat um ein verstetigtes monatliches Einkommen unabhängig von der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit handelt. Diese werde über das Arbeitszeitkonto erfasst.
Mit Änderungsvereinbarung vom 26.01.2010 wurde zwischen den Parteien unter anderem eine Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche vereinbart.
Der Kläger war im Monat März 2010 in Mannheim eingesetzt. Am 05.03.2010 fuhr er nach Hause und am 08.03.2010 wieder nach Mannheim. Diese Wochenendheimfahrt, die nach Auffassung des Klägers mit 309,32 € brutto zu vergüten ist, hat die Beklagte einschließlich der nach Auffassung des Klägers zu erstattenden Fahrtkosten in Höhe von 96,72 € nicht an den Kläger gezahlt.
Da die Beklagte den Kläger in der Zeit vom 10. bis 29.06.2010 nicht einsetzen konnte, brachte sie mit der Lohnabrechnung für diesen Monat 112 sogenannte „Ansparstunden“ vom Arbeitskonto des Klägers in Ansatz.
Für die Zeit vom 13. bis 24.09.2010, in der der Kläger ebenfalls nicht eingesetzt worden war, brachte sie in der Lohnabrechnung 96 Ansparstunden vom Arbeitszeitkonto in Ansatz und für den Monat Oktober 2010 128 Ansparstunden.
Unstreitig sind die streitgegenständlichen Ansparstunden dafür verwendet worden, die Fehlzeiten auszugleichen, die aufgrund der fehlenden Einsatzmöglichkeiten entstanden sind.
Der Kläger hat behauptet, in der Zeit, in der ihm durch die Beklagte kein Einsatz zugewiesen worden sei, sei er jeweils gehalten gewesen, sich zu Hause auf Abruf bereit zu halten. Er gehe insoweit davon aus, dass dafür keine Ansparstunden in Ansatz gebracht werden dürften. Am 18.10.2010 habe um 08.15 Uhr die Mitarbeiterin der Beklagten Frau E. angerufen, um ihm — dem Kläger ‑mitzuteilen, dass er sich unverzüglich auf den Weg machen müsse, da er einen Einsatz habe. Wenn ein Mitarbeiter ohne Einsatz auf diese Anforderung mit dem Hinweis auf anderweitige Freizeitplanungen reagiert habe, sei regelmäßig mit Kündigung wegen Arbeitsverweigerung gedroht worden. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, § 4.2 des MTV BAZ lasse die Errichtung eines Arbeitszeitkontos insbesondere deswegen zu, damit die über die individuelle regelmäßige monatliche Arbeitszeit gemäß § 2 Abs. 1 MTV BAZ hinausgehende Arbeitszeit im Einsatzbetrieb erfasst werden könne. Keinesfalls solle dies dazu dienen, den Annahmeverzug des Arbeitgebers aufzufangen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. an ihn Reisestunden für das Heimfahrtwochenende 5./8.3.2010 in Höhe von 309,32 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.04.2010 zu zahlen;
2. an ihn Fahrgeld für das Heimfahrtwochenende 5./8.3.2010 in Höhe von 96,72 € zu zahlen;
3. ihm auf seinem Arbeitszeitkonto 112 Ansparstunden wieder gut zu schreiben.
4. ihm auf sein Arbeitszeitkonto 96 Ansparstunden wieder gut zu schreiben.
5. ihm auf seinem Arbeitszeitkonto 128 Stunden wieder gut zu schreiben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Möglichkeit einer Flexibilisierung des Arbeitszeitkontos sei in § 4 MTV BAZ festgelegt worden. Sinn und Zweck dieser bedarfsorientierten Arbeitszeitverteilung sei es, die Beschäftigung zu sichern und kurzfristige Entlassungen aufgrund temporär fehlender Einsatzmöglichkeiten zu vermeiden. Der Zeitarbeitnehmer verliere durch das Arbeitszeitkonto gerade nicht seinen Anspruch auf Vergütung. Es werde vielmehr das verstetigte monatliche Gehalt ausgezahlt. Das vertragliche Austauschverhältnis werde folglich vom Arbeitgeber weiterhin bedient, während die Leistung des Arbeitnehmers suspendiert sei. Aufgrund dessen würden in dieses Arbeitszeitkonto schließlich nicht nur Plus-?, sondern auch Minusstunden eingestellt. Das wirtschaftliche Risiko hinsichtlich der in Ansatz gebrachten — und vom Arbeitnehmer eventuell nicht wieder auszugleichenden — Minusstunden trage hierbei allein der Arbeitgeber. Der Kläger sei keinesfalls gehalten gewesen, sich während der einsatzfreien Zeit auf Abruf bereit zu halten. Es sei lediglich erforderlich, dass eine gewisse Erreichbarkeit sichergestellt werde. Mit einem Bereitschaftsdienst habe dies jedoch nichts gemein, da in der Regel eine Vorlaufzeit von zwei bis drei Tagen für einen neuen Einsatz eingeräumt werde.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Ansprüche des Klägers auf Zahlung des Entgelts für die Reisezeit vom 5./8.3.2010 sowie auf Zahlung des Fahrgeldes sei — unabhängig davon, ob dem Kläger diese Ansprüche überhaupt zustünden — nach § 16 MTV EZA verfallen, weil der Kläger seine Ansprüche zumindest nicht innerhalb der vorgegebenen Frist gerichtlich geltend gemacht habe. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf das Gutschreiben der Ansparstunden, weil dafür eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich sei. In den streitgegenständlichen Zeiträumen habe der Kläger Freizeit nehmen und sich nicht in Bereitschaft halten müssen. Der Kläger habe insoweit keine konkreten entgegenstehenden Tatsachen vorgetragen. Hinsichtlich der Entscheidungsgründe im Einzelnen wird auf S. 7 — 11 der Entscheidungsgründe (Bl. 79 — 83 der Akte) Bezug genommen.
Gegen das ihm am 14.03.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 14.04.2011 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und mit einem am 13.05.2011 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Mit seiner Berufung rügt der Kläger, das Arbeitsgericht habe die rechtliche Würdigung des Sachverhalts unrichtig vorgenommen und sich nicht mit § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG auseinandergesetzt. Danach dürfe das typische Wirtschaftsrisiko des Verleihers durch kurzfristige Auftragslücken nicht auf den Leiharbeitnehmer abgewälzt werden. Diese Vorschrift untersage nicht nur einzelvertragliche Vereinbarungen, sondern sie schließe auch entgegenstehende Regelungen in einem Tarifvertrag zur Arbeitnehmerüberlassung aus. Aufgrund dessen seien die noch offen stehenden Ansprüche in vollem Umfang berechtigt. Im Übrigen wiederholt der Kläger — nahezu wortgleich — seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er macht auch weiterhin seinen Anspruch auf Vergütung der Wochenendheimfahrt und der Erstattung der Fahrtkosten geltend, ohne allerdings auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts hinsichtlich des Verfalls dieser Forderungen einzugehen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 09.02.2011 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Duisburg, 4 Ca 187/11, die Beklagte zu verurteilen,
1. an ihn Reisestunden für das Heimfahrtwochenende 5./8.3.2010 in Höhe von 309,32 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.04.2010 zu zahlen;
2. an ihn Fahrgeld für das Heimfahrtwochenende 5./8.3.2010 in Höhe von 96,72 € zu zahlen;
3. ihm auf seinem Arbeitszeitkonto 112 Ansparstunden wieder gut zu schreiben.
4. ihm auf sein Arbeitszeitkonto 96 Ansparstunden wieder gut zu schreiben.
5. ihm auf seinem Arbeitszeitkonto 128 Stunden wieder gut zu schreiben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie weist unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens darauf hin, dass der Vortrag des Klägers nicht erkennen lasse, warum das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich der Abweisung der Anträge zu 1) und 2) unrichtig sein solle. Hinsichtlich der weiteren Anträge könne die Frage, ob § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG auch für tarifvertragliche Regelungen gelten solle, dahinstehen, denn diese gesetzliche Regelung sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Durch die tarifvertragliche Vereinbarung unter § 4 MTV BAZ werde dem Arbeitgeber die Möglichkeit eingeräumt, ein Arbeitszeitkonto zu führen. Durch das Arbeitszeitkonto verliere der Leiharbeitnehmer nicht seinen Anspruch auf Vergütung. Es werde hierbei vielmehr das verstetigte monatliche Gehalt auch weiterhin ausgezahlt. Unabhängig davon, ob der Leiharbeitnehmer eingesetzt werde oder nicht, erhalte er in jedem Fall sein vertraglich vereinbartes Gehalt. Durch das Führen eines Arbeitszeitkontos werde dem Leiharbeitgeber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, die von dem Arbeitnehmer geleisteten Überstunden in das Arbeitszeitkonto in der Weise einfließen zu lassen, dass diese mit den Zeiten, in denen zwar kein Einsatz vermittelt werde, aber gleichwohl eine Vergütung erfolge, verrechnet werden könne. Keinesfalls erfolge hierdurch eine Verlagerung des Beschäftigungsrisikos. Die Beklagte weist erneut darauf hin, dass es dem Kläger völlig freigestellt sei, wo er die einsatzfreie Zeit verbringe. Es müsse lediglich sicher gestellt sein, dass er erreichbar sei. Dass eine gewisse Flexibilität der Mitarbeiter erforderlich sei, liege auf der Hand.
Entscheidungsgründe
I.
Die statthafte (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässige (§ 64 Abs. 2 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO) ist hinsichtlich der Anträge, dem Kläger Ansparstunden aus dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben, zulässig.
Unzulässig ist die Berufung, soweit der Kläger mit der Berufung seine vermeintlichen Ansprüche auf Vergütung der Heimfahrt und Erstattung der Fahrtkosten geltend macht. Mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts, wonach der Anspruch des Klägers — so ihm ein solcher überhaupt zugestanden hätte — nach den tarifvertraglichen Vorschriften verfallen ist, hat der Kläger sich nicht auseinander gesetzt. Er hat insoweit — nahezu wortgleich — seine erstinstanzlichen Ausführungen wiederholt, ohne auf die Frage des Verfalls auch nur mit einem Wort einzugehen.
Die Berufung ist danach im Hinblick auf diese Ansprüche bereits unzulässig und daher insoweit zurückzuweisen.
II.
Die Berufung ist im Übrigen unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Gutschrift der von der Beklagten aus dem Arbeitszeitkonto in Anrechnung gebrachten Ansparstunden zu. Die Beklagte war zu einer Verrechnung berechtigt. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt kein Verstoß gegen § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG vor, und zwar weder aufgrund der tarifvertraglichen noch aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen.
Gemäß § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG kann das Recht des Leiharbeitnehmers auf Vergütung bei Annahmeverzug des Verleihers (§ 615 S. 1 BGB) nicht durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden. Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, dass der Verleiher das von ihm zu tragende Beschäftigungsrisiko — Vergütungspflicht in Nichteinsatzzeiten — nicht auf die Leiharbeitnehmer abwälzt (vgl. Schüren/Hamann, 4. Auflage, § 11 Rn. 94). Vereinbarungen im Leiharbeitsvertrag, welche die Voraussetzungen oder Rechtsfolgen des § 615 S. 1 BGB entgegen § 11 Abs. 4 S.2 AÜG ausschließen oder beschränken, sind nach § 134 BGB nichtig.
Problematisch im Zusammenhang mit der Unabdingbarkeit des § 615 S. 1 BGB ist die Frage der flexiblen Arbeitszeiten bei der Arbeitnehmerüberlassung. Zu prüfen ist, ob Modelle zur Flexibilisierung der Arbeitszeit als Umgehung der Zahlungspflicht im Annahmeverzug gewertet werden müssen.
Die Zulässigkeit von Arbeitszeitkonten im Leiharbeitsverhältnis ist umstritten, soweit der Verleiher Arbeitszeiten in den Zeitausgleich einbezieht, für die er keine Beschäftigung zuweisen konnte. Von einem Teil der Rechtsprechung und Literatur wird ein Verstoß gegen § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG immer schon dann bejaht, wenn der Verleiher Arbeitszeiten in den Zeitausgleich einbezieht, für die er keine Beschäftigung zuweisen konnte. Dem entsprechend hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-?Pfalz in seiner Entscheidung vom 24.04.2008, 10 Sa 19/08, zitiert nach juris, die arbeitsvertraglich vereinbarte Verrechnung von einsatzfreien Zeiten auf dem Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers für unzulässig gehalten.
Demgegenüber ist die Berufungskammer in Übereinstimmung mit dem Landesarbeitsgericht Baden-?Württemberg, Urteil vom 29.04.2009, 17 Sa 4/09, zitiert nach juris, der Auffassung, dass § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG der Einrichtung eines Arbeitszeitkontos wie im vorliegenden Fall nicht entgegensteht, weil der Vergütungsanspruch nicht abbedungen wird.
Zutreffend weist das Landesarbeitsgericht Baden-?Württemberg darauf hin, dass § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG schon vom Wortlaut her nur das Abbedingen des Vergütungsanspruchs für Zeiten des Annahmeverzugs nach § 615 S. 1 BGB verbietet.
§ 615 BGB enthält eine Ausnahme des Grundsatzes „Ohne Arbeit kein Lohn“ und verbessert damit die Rechtsstellung des Arbeitnehmers, der darauf angewiesen ist, dass er die Vergütung zur Sicherung seines Lebensunterhalts auch bei Annahmeverzug des Arbeitgebers erhält (vgl. ErfK, § 615 Rn1). Sinn und Zweck der Vorschrift ist mithin, der Erhalt des Vergütungsanspruchs des Arbeitnehmers.
Der Vergütungsanspruch des Klägers ist im vorliegenden Fall aber durch die tarifvertraglichen und arbeitsvertraglichen Regelungen nicht abgedungen worden. Nach § 13.1 MTV BAZ in Verbindung mit Ziffer 6 des Arbeitsvertrages erhält der Kläger eine regelmäßige verstetigte Vergütung auf der Basis seiner arbeitsvertraglich vereinbarten individuellen Arbeitszeit, das heißt, der Kläger erhält unabhängig vom tatsächlichen Arbeitsumfang eine monatliche Vergütung auf der Basis von 40 Arbeitsstunden pro Woche. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass der Kläger keinen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung im Umfang von 40 Stunden wöchentlich hat, sondern nur einen entsprechenden Vergütungsanspruch. Die Zahlung der Vergütung ist nicht an die tatsächliche Arbeitszeit gebunden, sondern richtet sich nach der vereinbarten üblichen Arbeitszeit. Dadurch ist der Arbeitgeber nicht an den Tagen, an denen er dem Kläger keine Arbeit zugewiesen hat, in Annahmeverzug geraten.
Da es sich bei der individuellen regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit mithin um eine theoretische Größe handelt, bestimmt § 4.2 MTV BZA, dass die Schwankungen zwischen der tatsächlich geleisteten und der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit durch ein Arbeitszeitkonto ausgeglichen werden müssen. Da der Kläger — wie ausgeführt — nach dem Arbeitsvertrag Anspruch auf die Vergütung der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit pro Monat hat, die in jedem Fall bezahlt wird, trägt der Arbeitgeber das Risiko für alle im Minusbereich liegenden Stunden auf dem Arbeitszeitkonto. Damit wird das Beschäftigungsrisiko wie auch sonst bei Freischichten zum Abbau von Mehrarbeits- oder Überstunden nicht auf den Leiharbeitnehmer abgewälzt, der seine Vergütung unabhängig davon erhält, wie viele Stunden er tatsächlich in dem jeweiligen Monat gearbeitet hat (so auch LAG Baden-?Württemberg a.a.O.).
Das bedeutet jedoch nicht, dass nicht auch in einem flexiblen Arbeitszeitsystem Annahmeverzugsansprüche entstehen können. Solche sind dann gegeben, wenn der Arbeitgeber verplante Arbeitszeit nicht verbraucht oder ein vereinbartes Arbeitszeitdeputat nicht in der vereinbarten Zeit abruft (vgl. Schüren/Hamann, § 11 Rn 112). Es liegt mithin im Risiko des Arbeitgebers, wenn er keine ausreichenden Einsätze zugewiesen hat. Bei dem hier streitgegenständlichen tarifvertraglichen Modell erhält der Kläger in jedem Fall die vertraglich geschuldete Vergütung, und zwar auch dann, wenn er nicht die vertraglich geschuldete Arbeitszeit mangels Zuweisung eines Einsatzes erbringt. Damit liegt ein Verstoß gegen § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG i.V. m. § 615 S.1 BGB nicht vor.
Eine andere — hier nicht zu entscheidende — Frage ist, mit welcher Vorlaufzeit dem Leiharbeitnehmer ein neuer Arbeitseinsatz mitzuteilen ist.
Soweit der Kläger auch mit der Berufungsbegründung behauptet, er habe in den streitgegenständlichen Zeiträumen „Bereitschaftsdienst“ leisten müssen, ist sein diesbezüglicher Vortrag, der in einer Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags besteht, nach wie vor unsubstantiiert. Obwohl bereits das Arbeitsgericht auf den fehlenden Tatsachenvortrag hingewiesen hat, hat der Kläger seine Behauptung, er habe sich zu Hause auf Abruf bereit halten müssen, nicht dahingehend konkretisiert, wer ihn wann wozu angewiesen haben soll. Danach muss in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht davon ausgegangen werden, dass der Kläger in den streitgegenständlichen Zeiträumen Freizeit hatte und keine vergütungspflichtige Arbeit in Form eines „Bereitschaftsdienstes“ leistete. Insoweit wird auf die diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
III.
Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels waren gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO dem Kläger aufzugeben.
IV.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG.