16. November 2011

Dürfen die tarifvertraglichen Arbeitszeitkonten überhaupt geführt werden?

LAG Düs­sel­dorf — 16.11.2011 — 7 Sa 567/11 | Das LAG Düs­sel­dorf hat in einem aktuell veröf­fentlicht­en Urteil entsch­ieden, dass § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG der Errich­tung eines Arbeit­szeitkon­tos (nach § 4 MTV BZA-DGB) bei einem ver­stetigtem Gehalt nicht entgegensteht.

Tenor

I. Die Beru­fung des Klägers gegen das Urteil des Arbeits­gerichts Duis­burg vom 09.02.2011, 4 Ca 187/11, wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beru­fungsver­fahrens hat der Kläger zu tragen.

III. Die Revi­sion wird zugelassen.

Tatbe­stand

Die Parteien stre­it­en um Zahlungsansprüche und Gutschriften auf einem Arbeitszeitkonto.

Die Beklagte über­lässt als Dien­stleis­tung­sun­ternehmen seinen Kun­den Per­son­al für die Durch­führung von Arbeit­en im Rah­men der Arbeit­nehmerüber­las­sung. Die bei ihr eingestell­ten Mitar­beit­er wer­den mit Ver­trags­be­ginn als Zeitar­beit­nehmer tätig.

Der Kläger ist seit dem 22.03.2004 bei der Beklagten beschäftigt. Ausweis­lich des Arbeitsver­trages vom 31.10.2005 ist er als Maschi­nen­schloss­er für die Reparatur von Kraftwerk­stur­binen und Nebe­nag­gre­gat­en eingestellt worden.

Nach Zif­fer 2. des Arbeitsver­trages find­en auf das Arbeitsver­hält­nis die vom Bun­desver­band Zeitar­beit mit der DGB-?Tarifgemeinschaft Zeitar­beit abgeschlosse­nen Man­tel-?, Ent­gelt- und Ent­gel­trah­men­tar­ifverträge vom 22.07.2003 in der jew­eils gel­tenden Fas­sung Anwendung.

§ 2 MTV BAZ „Dauer der Arbeitszeit/Vollzeitarbeit“ lautet:

„Die indi­vidu­elle regelmäßige monatliche Arbeit­szeit beträgt 151,67 Stun­den (dies entspricht ein­er durch­schnit­tlichen wöchentlichen Arbeit­szeit von 35 Stun­den). Diese muss im Durch­schnitt von 12 Kalen­der­monat­en nach Maß­gabe des § 4 erre­icht werden.

In den Fällen, in denen ein Mitar­beit­er dauer­haft in ein Unternehmen mit län­ger­er Arbeit­szeit­dauer über­lassen wird, kön­nen die Arbeitsver­tragsparteien eine entsprechend län­gere Arbeit­szeit (max. 40 Stun­den / Woche) vere­in­baren. Die Vergü­tung wird in diesem Fall entsprechend angepasst.

Die indi­vidu­elle regelmäßige jährliche Arbeit­szeit ergibt sich aus der monatlichen Arbeit­szeit gem. Satz 1 mul­ti­pliziert mit 12.

§ 4 MTV BAZ „Verteilung der Arbeitszeit/Flexibilisierung“ lautet auszugsweise:

„4.1 Die tat­säch­liche Lage der Arbeit­szeit wird an die des Kun­den­be­triebes angepasst. Beginn und Ende der täglichen Arbeit­szeit ein­schließlich der Pausen und die Verteilung der Arbeit­szeit auf die einzel­nen Wochen­t­age richtet sich nach den im jew­eili­gen Kun­den­be­trieb gülti­gen Regelun­gen bzw. Anforderun­gen des Kundenbetriebs.

4.2 Zum Aus­gle­ich der monatlichen Abwe­ichun­gen zwis­chen der nach § 2 / § 3 vere­in­barten indi­vidu­ellen regelmäßi­gen Arbeit­szeit des Mitar­beit­ers und der tat­säch­lichen Arbeit­szeit nach § 4.1 wird ein Arbeit­szeitkon­to ein­gerichtet. In das Arbeit­szeitkon­to kön­nen Plus- und Minusstun­den eingestellt werden.

4.3 Plusstun­den sind die über die indi­vidu­elle regelmäßige monatliche Arbeit­szeit hin­aus ent­stande­nen Arbeitsstun­den. Minusstun­den sind die unter der indi­vidu­ellen regelmäßi­gen monatlichen Arbeit­szeit liegen­den Arbeitsstunden.

Das Arbeit­szeitkon­to darf max. 200 Plusstun­den umfassen.

Zur Beschäf­ti­gungssicherung kann das Arbeit­szeitkon­to bei saisonalen Schwankun­gen im Einzelfall bis zu 230 Plusstun­den umfassen.

.…..

4.4 Das Arbeit­szeitkon­to ist spätestens nach 12 Monat­en auszugleichen.

Ist der Zeitaus­gle­ich in diesem Zeitraum nicht möglich, ist er in den fol­gen­den 3 Monat­en vorzunehmen. Dazu hat der Arbeit­ge­ber mit dem betrof­fe­nen Mitar­beit­er spätestens nach Ablauf der 12 Monate gemäß Abs.1 eine entsprechende Vere­in­barung mit dem Ziel, einen voll­ständi­gen Zeitaus­gle­ich vorzunehmen, zu treffen.

Ist auch in diesem Zeitraum der Zeitaus­gle­ich aus betrieblichen Grün­den nicht möglich, kann ein Über­trag in den näch­sten Aus­gle­ich­szeitraum mit max­i­mal 150 Stun­den erfol­gen. Die über­steigen­den Stun­den sind in Geld auszugleichen.

Die Über­tra­gung dieser Zeitguthaben erfol­gt im Rah­men der Zeitkon­tengren­zen gemäß § 4.3. und weit­et diese nicht aus.

.…“

§ 13.1 „Ent­geltvorschriften“ des MTV BAZ lautet:

„Die Mitar­beit­er erhal­ten ein Monat­sent­gelt auf Basis ihrer vere­in­barten indi­vidu­ellen regelmäßi­gen Arbeit­szeit, das spätestens bis zum 15. Bank­tag des Fol­ge­monats in der Regel unbar aus­gezahlt wird.“

Unter Zif­fer 5. des Arbeitsver­trages zwis­chen den Parteien ist unter der Über­schrift „Arbeit­szeit“ Fol­gen­des vereinbart:

„Die Regelung der Arbeit­szeit erfol­gt auf Grund­lage des § 4 MTV BAZ.

a) Als indi­vidu­elle regelmäßige Arbeit­szeit wer­den im Sinne von § 2 MTV BAZ 151,67 Stun­den vereinbart.

b) .…..

Gemäß § 4.2 MTV BAZ richtet der Arbeit­ge­ber für den Mitar­beit­er ein Arbeit­szeitkon­to ein, auf dem Plus- und Minusstun­den erfasst wer­den. Plus-?und Minusstun­den sind die von der indi­vidu­ellen regelmäßi­gen Arbeit­szeit abwe­ichen­den Arbeitsstunden.

c) Der Aus­gle­ich des Zeitkon­tos richtet sich nach § 4.5 MTV BAZ.

d) .….…..“

Dementsprechend hat die Beklagte für den Kläger ein Arbeit­szeitkon­to eingerichtet.

Unter Zif­fer 6. des Arbeitsver­trages ist unter anderem vere­in­bart, dass es sich bei der Vergü­tung in Höhe von 1.616,80 € brut­to pro Monat um ein ver­stetigtes monatlich­es Einkom­men unab­hängig von der tat­säch­lich geleis­teten Arbeit­szeit han­delt. Diese werde über das Arbeit­szeitkon­to erfasst.

Mit Änderungsvere­in­barung vom 26.01.2010 wurde zwis­chen den Parteien unter anderem eine Arbeit­szeit von 40 Stun­den pro Woche vereinbart.

Der Kläger war im Monat März 2010 in Mannheim einge­set­zt. Am 05.03.2010 fuhr er nach Hause und am 08.03.2010 wieder nach Mannheim. Diese Woch­enend­heim­fahrt, die nach Auf­fas­sung des Klägers mit 309,32 € brut­to zu vergüten ist, hat die Beklagte ein­schließlich der nach Auf­fas­sung des Klägers zu erstat­ten­den Fahrtkosten in Höhe von 96,72 € nicht an den Kläger gezahlt.

Da die Beklagte den Kläger in der Zeit vom 10. bis 29.06.2010 nicht ein­set­zen kon­nte, brachte sie mit der Lohnabrech­nung für diesen Monat 112 soge­nan­nte „Ansparstun­den“ vom Arbeit­skon­to des Klägers in Ansatz.

Für die Zeit vom 13. bis 24.09.2010, in der der Kläger eben­falls nicht einge­set­zt wor­den war, brachte sie in der Lohnabrech­nung 96 Ansparstun­den vom Arbeit­szeitkon­to in Ansatz und für den Monat Okto­ber 2010 128 Ansparstunden.

Unstre­it­ig sind die stre­it­ge­gen­ständlichen Ansparstun­den dafür ver­wen­det wor­den, die Fehlzeit­en auszu­gle­ichen, die auf­grund der fehlen­den Ein­satzmöglichkeit­en ent­standen sind.

Der Kläger hat behauptet, in der Zeit, in der ihm durch die Beklagte kein Ein­satz zugewiesen wor­den sei, sei er jew­eils gehal­ten gewe­sen, sich zu Hause auf Abruf bere­it zu hal­ten. Er gehe insoweit davon aus, dass dafür keine Ansparstun­den in Ansatz gebracht wer­den dürften. Am 18.10.2010 habe um 08.15 Uhr die Mitar­bei­t­erin der Beklagten Frau E. angerufen, um ihm — dem Kläger  ‑mitzuteilen, dass er sich unverzüglich auf den Weg machen müsse, da er einen Ein­satz habe. Wenn ein Mitar­beit­er ohne Ein­satz auf diese Anforderung mit dem Hin­weis auf ander­weit­ige Freizeit­pla­nun­gen reagiert habe, sei regelmäßig mit Kündi­gung wegen Arbeitsver­weigerung gedro­ht wor­den. Der Kläger hat die Auf­fas­sung vertreten, § 4.2 des MTV BAZ lasse die Errich­tung eines Arbeit­szeitkon­tos ins­beson­dere deswe­gen zu, damit die über die indi­vidu­elle regelmäßige monatliche Arbeit­szeit gemäß § 2 Abs. 1 MTV BAZ hin­aus­ge­hende Arbeit­szeit im Ein­satz­be­trieb erfasst wer­den könne. Keines­falls solle dies dazu dienen, den Annah­mev­erzug des Arbeit­ge­bers aufzufangen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. an ihn Reis­es­tun­den für das Heim­fahrt­woch­enende 5./8.3.2010 in Höhe von 309,32 € brut­to zuzüglich Zin­sen in Höhe von 5 Prozent­punk­ten über dem jew­eili­gen Basiszinssatz seit dem 16.04.2010 zu zahlen;

2. an ihn Fahrgeld für das Heim­fahrt­woch­enende 5./8.3.2010 in Höhe von 96,72 € zu zahlen;

3. ihm auf seinem Arbeit­szeitkon­to 112 Ansparstun­den wieder gut zu schreiben.

4. ihm auf sein Arbeit­szeitkon­to 96 Ansparstun­den wieder gut zu schreiben.

5. ihm auf seinem Arbeit­szeitkon­to 128 Stun­den wieder gut zu schreiben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auf­fas­sung vertreten, die Möglichkeit ein­er Flex­i­bil­isierung des Arbeit­szeitkon­tos sei in § 4 MTV BAZ fest­gelegt wor­den. Sinn und Zweck dieser bedarf­sori­en­tierten Arbeit­szeitverteilung sei es, die Beschäf­ti­gung zu sich­ern und kurzfristige Ent­las­sun­gen auf­grund tem­porär fehlen­der Ein­satzmöglichkeit­en zu ver­mei­den. Der Zeitar­beit­nehmer ver­liere durch das Arbeit­szeitkon­to ger­ade nicht seinen Anspruch auf Vergü­tung. Es werde vielmehr das ver­stetigte monatliche Gehalt aus­gezahlt. Das ver­tragliche Aus­tauschver­hält­nis werde fol­glich vom Arbeit­ge­ber weit­er­hin bedi­ent, während die Leis­tung des Arbeit­nehmers sus­pendiert sei. Auf­grund dessen wür­den in dieses Arbeit­szeitkon­to schließlich nicht nur Plus-?, son­dern auch Minusstun­den eingestellt. Das wirtschaftliche Risiko hin­sichtlich der in Ansatz gebracht­en — und vom Arbeit­nehmer eventuell nicht wieder auszu­gle­ichen­den — Minusstun­den trage hier­bei allein der Arbeit­ge­ber. Der Kläger sei keines­falls gehal­ten gewe­sen, sich während der ein­satzfreien Zeit auf Abruf bere­it zu hal­ten. Es sei lediglich erforder­lich, dass eine gewisse Erre­ich­barkeit sichergestellt werde. Mit einem Bere­itschafts­di­enst habe dies jedoch nichts gemein, da in der Regel eine Vor­laufzeit von zwei bis drei Tagen für einen neuen Ein­satz eingeräumt werde.

Das Arbeits­gericht hat die Klage abgewiesen und zur Begrün­dung im Wesentlichen aus­ge­führt, die Ansprüche des Klägers auf Zahlung des Ent­gelts für die Reisezeit vom 5./8.3.2010 sowie auf Zahlung des Fahrgeldes sei — unab­hängig davon, ob dem Kläger diese Ansprüche über­haupt zustün­den — nach § 16 MTV EZA ver­fall­en, weil der Kläger seine Ansprüche zumin­d­est nicht inner­halb der vorgegebe­nen Frist gerichtlich gel­tend gemacht habe. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf das Gutschreiben der Ansparstun­den, weil dafür eine Rechts­grund­lage nicht ersichtlich sei. In den stre­it­ge­gen­ständlichen Zeiträu­men habe der Kläger Freizeit nehmen und sich nicht in Bere­itschaft hal­ten müssen. Der Kläger habe insoweit keine konkreten ent­ge­gen­ste­hen­den Tat­sachen vor­ge­tra­gen. Hin­sichtlich der Entschei­dungs­gründe im Einzel­nen wird auf S. 7 — 11 der Entschei­dungs­gründe (Bl. 79 — 83 der Akte) Bezug genommen.

Gegen das ihm am 14.03.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 14.04.2011 bei dem Lan­desar­beits­gericht einge­gan­genen Schrift­satz Beru­fung ein­gelegt und mit einem am 13.05.2011 bei dem Lan­desar­beits­gericht einge­gan­genen Schrift­satz begründet.

Mit sein­er Beru­fung rügt der Kläger, das Arbeits­gericht habe die rechtliche Würdi­gung des Sachver­halts unrichtig vorgenom­men und sich nicht mit § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG auseinan­derge­set­zt. Danach dürfe das typ­is­che Wirtschaft­srisiko des Ver­lei­hers durch kurzfristige Auf­tragslück­en nicht auf den Lei­har­beit­nehmer abgewälzt wer­den. Diese Vorschrift unter­sage nicht nur einzelver­tragliche Vere­in­barun­gen, son­dern sie schließe auch ent­ge­gen­ste­hende Regelun­gen in einem Tar­ifver­trag zur Arbeit­nehmerüber­las­sung aus. Auf­grund dessen seien die noch offen ste­hen­den Ansprüche in vollem Umfang berechtigt. Im Übri­gen wieder­holt der Kläger — nahezu wort­gle­ich — seinen erstin­stan­zlichen Vor­trag. Er macht auch weit­er­hin seinen Anspruch auf Vergü­tung der Woch­enend­heim­fahrt und der Erstat­tung der Fahrtkosten gel­tend, ohne allerd­ings auf die Aus­führun­gen des Arbeits­gerichts hin­sichtlich des Ver­falls dieser Forderun­gen einzugehen.

Der Kläger beantragt,

unter Abän­derung des am 09.02.2011 verkün­de­ten Urteils des Arbeits­gerichts Duis­burg, 4 Ca 187/11, die Beklagte zu verurteilen,

1. an ihn Reis­es­tun­den für das Heim­fahrt­woch­enende 5./8.3.2010 in Höhe von 309,32 € brut­to zuzüglich Zin­sen in Höhe von 5 Prozent­punk­ten über dem jew­eili­gen Basiszinssatz seit dem 16.04.2010 zu zahlen;

2. an ihn Fahrgeld für das Heim­fahrt­woch­enende 5./8.3.2010 in Höhe von 96,72 € zu zahlen;

3. ihm auf seinem Arbeit­szeitkon­to 112 Ansparstun­den wieder gut zu schreiben.

4. ihm auf sein Arbeit­szeitkon­to 96 Ansparstun­den wieder gut zu schreiben.

5. ihm auf seinem Arbeit­szeitkon­to 128 Stun­den wieder gut zu schreiben.

Die Beklagte beantragt,

die Beru­fung zurückzuweisen.

Sie weist unter Wieder­hol­ung ihres erstin­stan­zlichen Vor­brin­gens darauf hin, dass der Vor­trag des Klägers nicht erken­nen lasse, warum das erstin­stan­zliche Urteil hin­sichtlich der Abweisung der Anträge zu 1) und 2) unrichtig sein solle. Hin­sichtlich der weit­eren Anträge könne die Frage, ob § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG auch für tar­ifver­tragliche Regelun­gen gel­ten solle, dahin­ste­hen, denn diese geset­zliche Regelung sei im vor­liegen­den Fall nicht ein­schlägig. Durch die tar­ifver­tragliche Vere­in­barung unter § 4 MTV BAZ werde dem Arbeit­ge­ber die Möglichkeit eingeräumt, ein Arbeit­szeitkon­to zu führen. Durch das Arbeit­szeitkon­to ver­liere der Lei­har­beit­nehmer nicht seinen Anspruch auf Vergü­tung. Es werde hier­bei vielmehr das ver­stetigte monatliche Gehalt auch weit­er­hin aus­gezahlt. Unab­hängig davon, ob der Lei­har­beit­nehmer einge­set­zt werde oder nicht, erhalte er in jedem Fall sein ver­traglich vere­in­bartes Gehalt. Durch das Führen eines Arbeit­szeitkon­tos werde dem Lei­har­beit­ge­ber lediglich die Möglichkeit eingeräumt, die von dem Arbeit­nehmer geleis­teten Über­stun­den in das Arbeit­szeitkon­to in der Weise ein­fließen zu lassen, dass diese mit den Zeit­en, in denen zwar kein Ein­satz ver­mit­telt werde, aber gle­ich­wohl eine Vergü­tung erfolge, ver­rech­net wer­den könne. Keines­falls erfolge hier­durch eine Ver­lagerung des Beschäf­ti­gungsrisikos. Die Beklagte weist erneut darauf hin, dass es dem Kläger völ­lig freigestellt sei, wo er die ein­satzfreie Zeit ver­bringe. Es müsse lediglich sich­er gestellt sein, dass er erre­ich­bar sei. Dass eine gewisse Flex­i­bil­ität der Mitar­beit­er erforder­lich sei, liege auf der Hand.

Entschei­dungs­gründe

I.

Die statthafte (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschw­erdege­gen­standes zuläs­sige (§ 64 Abs. 2 ArbGG), form- und frist­gerecht ein­gelegte und begrün­dete Beru­fung (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO) ist hin­sichtlich der Anträge, dem Kläger Ansparstun­den aus dem Arbeit­szeitkon­to gutzuschreiben, zulässig.

Unzuläs­sig ist die Beru­fung, soweit der Kläger mit der Beru­fung seine ver­meintlichen Ansprüche auf Vergü­tung der Heim­fahrt und Erstat­tung der Fahrtkosten gel­tend macht. Mit den Aus­führun­gen des Arbeits­gerichts, wonach der Anspruch des Klägers — so ihm ein solch­er über­haupt zuge­s­tanden hätte — nach den tar­ifver­traglichen Vorschriften ver­fall­en ist, hat der Kläger sich nicht auseinan­der geset­zt. Er hat insoweit — nahezu wort­gle­ich — seine erstin­stan­zlichen Aus­führun­gen wieder­holt, ohne auf die Frage des Ver­falls auch nur mit einem Wort einzugehen.

Die Beru­fung ist danach im Hin­blick auf diese Ansprüche bere­its unzuläs­sig und daher insoweit zurückzuweisen.

II.

Die Beru­fung ist im Übri­gen unbe­grün­det. Dem Kläger ste­ht kein Anspruch auf Gutschrift der von der Beklagten aus dem Arbeit­szeitkon­to in Anrech­nung gebracht­en Ansparstun­den zu. Die Beklagte war zu ein­er Ver­rech­nung berechtigt. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers liegt kein Ver­stoß gegen § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG vor, und zwar wed­er auf­grund der tar­ifver­traglichen noch auf­grund der arbeitsver­traglichen Vereinbarungen.

Gemäß § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG kann das Recht des Lei­har­beit­nehmers auf Vergü­tung bei Annah­mev­erzug des Ver­lei­hers (§ 615 S. 1 BGB) nicht durch Ver­trag aufge­hoben oder beschränkt wer­den. Der Zweck dieser Vorschrift beste­ht darin, dass der Ver­lei­her das von ihm zu tra­gende Beschäf­ti­gungsrisiko — Vergü­tungspflicht in Nichtein­satzzeit­en — nicht auf die Lei­har­beit­nehmer abwälzt (vgl. Schüren/Hamann, 4. Auflage, § 11 Rn. 94). Vere­in­barun­gen im Lei­har­beitsver­trag, welche die Voraus­set­zun­gen oder Rechts­fol­gen des § 615 S. 1 BGB ent­ge­gen § 11 Abs. 4 S.2 AÜG auss­chließen oder beschränken, sind nach § 134 BGB nichtig.

Prob­lema­tisch im Zusam­men­hang mit der Unab­d­ing­barkeit des § 615 S. 1 BGB ist die Frage der flex­i­blen Arbeit­szeit­en bei der Arbeit­nehmerüber­las­sung. Zu prüfen ist, ob Mod­elle zur Flex­i­bil­isierung der Arbeit­szeit als Umge­hung der Zahlungspflicht im Annah­mev­erzug gew­ertet wer­den müssen.

Die Zuläs­sigkeit von Arbeit­szeitkon­ten im Lei­har­beitsver­hält­nis ist umstrit­ten, soweit der Ver­lei­her Arbeit­szeit­en in den Zeitaus­gle­ich ein­bezieht, für die er keine Beschäf­ti­gung zuweisen kon­nte. Von einem Teil der Recht­sprechung und Lit­er­atur wird ein Ver­stoß gegen § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG immer schon dann bejaht, wenn der Ver­lei­her Arbeit­szeit­en in den Zeitaus­gle­ich ein­bezieht, für die er keine Beschäf­ti­gung zuweisen kon­nte. Dem entsprechend hat das Lan­desar­beits­gericht Rheinland-?Pfalz in sein­er Entschei­dung vom 24.04.2008, 10 Sa 19/08, zitiert nach juris, die arbeitsver­traglich vere­in­barte Ver­rech­nung von ein­satzfreien Zeit­en auf dem Arbeit­szeitkon­to des Arbeit­nehmers für unzuläs­sig gehalten.

Demge­genüber ist die Beru­fungskam­mer in Übere­in­stim­mung mit dem Lan­desar­beits­gericht Baden-?Württemberg, Urteil vom 29.04.2009, 17 Sa 4/09, zitiert nach juris, der Auf­fas­sung, dass § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG der Ein­rich­tung eines Arbeit­szeitkon­tos wie im vor­liegen­den Fall nicht ent­ge­gen­ste­ht, weil der Vergü­tungsanspruch nicht abbedun­gen wird.

Zutr­e­f­fend weist das Lan­desar­beits­gericht Baden-?Württemberg darauf hin, dass § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG schon vom Wort­laut her nur das Abbe­din­gen des Vergü­tungsanspruchs für Zeit­en des Annah­mev­erzugs nach § 615 S. 1 BGB verbietet.

§ 615 BGB enthält eine Aus­nahme des Grund­satzes „Ohne Arbeit kein Lohn“ und verbessert damit die Rechtsstel­lung des Arbeit­nehmers, der darauf angewiesen ist, dass er die Vergü­tung zur Sicherung seines Leben­sun­ter­halts auch bei Annah­mev­erzug des Arbeit­ge­bers erhält (vgl. ErfK, § 615 Rn1). Sinn und Zweck der Vorschrift ist mithin, der Erhalt des Vergü­tungsanspruchs des Arbeitnehmers.

Der Vergü­tungsanspruch des Klägers ist im vor­liegen­den Fall aber durch die tar­ifver­traglichen und arbeitsver­traglichen Regelun­gen nicht abge­dun­gen wor­den. Nach § 13.1 MTV BAZ in Verbindung mit Zif­fer 6 des Arbeitsver­trages erhält der Kläger eine regelmäßige ver­stetigte Vergü­tung auf der Basis sein­er arbeitsver­traglich vere­in­barten indi­vidu­ellen Arbeit­szeit, das heißt, der Kläger erhält unab­hängig vom tat­säch­lichen Arbeit­sum­fang eine monatliche Vergü­tung auf der Basis von 40 Arbeitsstun­den pro Woche. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass der Kläger keinen Anspruch auf tat­säch­liche Beschäf­ti­gung im Umfang von 40 Stun­den wöchentlich hat, son­dern nur einen entsprechen­den Vergü­tungsanspruch. Die Zahlung der Vergü­tung ist nicht an die tat­säch­liche Arbeit­szeit gebun­den, son­dern richtet sich nach der vere­in­barten üblichen Arbeit­szeit. Dadurch ist der Arbeit­ge­ber nicht an den Tagen, an denen er dem Kläger keine Arbeit zugewiesen hat, in Annah­mev­erzug geraten.

Da es sich bei der indi­vidu­ellen regelmäßi­gen monatlichen Arbeit­szeit mithin um eine the­o­retis­che Größe han­delt, bes­timmt § 4.2 MTV BZA, dass die Schwankun­gen zwis­chen der tat­säch­lich geleis­teten und der ver­traglich vere­in­barten Arbeit­szeit durch ein Arbeit­szeitkon­to aus­geglichen wer­den müssen. Da der Kläger — wie aus­ge­führt — nach dem Arbeitsver­trag Anspruch auf die Vergü­tung der arbeitsver­traglich vere­in­barten Arbeit­szeit pro Monat hat, die in jedem Fall bezahlt wird, trägt der Arbeit­ge­ber das Risiko für alle im Minus­bere­ich liegen­den Stun­den auf dem Arbeit­szeitkon­to. Damit wird das Beschäf­ti­gungsrisiko wie auch son­st bei Freis­chicht­en zum Abbau von Mehrar­beits- oder Über­stun­den nicht auf den Lei­har­beit­nehmer abgewälzt, der seine Vergü­tung unab­hängig davon erhält, wie viele Stun­den er tat­säch­lich in dem jew­eili­gen Monat gear­beit­et hat (so auch LAG Baden-?Württemberg a.a.O.).

Das bedeutet jedoch nicht, dass nicht auch in einem flex­i­blen Arbeit­szeit­sys­tem Annah­mev­erzugsansprüche entste­hen kön­nen. Solche sind dann gegeben, wenn der Arbeit­ge­ber ver­plante Arbeit­szeit nicht ver­braucht oder ein vere­in­bartes Arbeit­szeit­dep­u­tat nicht in der vere­in­barten Zeit abruft (vgl. Schüren/Hamann, § 11 Rn 112). Es liegt mithin im Risiko des Arbeit­ge­bers, wenn er keine aus­re­ichen­den Ein­sätze zugewiesen hat. Bei dem hier stre­it­ge­gen­ständlichen tar­ifver­traglichen Mod­ell erhält der Kläger in jedem Fall die ver­traglich geschuldete Vergü­tung, und zwar auch dann, wenn er nicht die ver­traglich geschuldete Arbeit­szeit man­gels Zuweisung eines Ein­satzes erbringt. Damit liegt ein Ver­stoß gegen § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG i.V. m. § 615 S.1 BGB nicht vor.

Eine andere — hier nicht zu entschei­dende — Frage ist, mit welch­er Vor­laufzeit dem Lei­har­beit­nehmer ein neuer Arbeit­sein­satz mitzuteilen ist.

Soweit der Kläger auch mit der Beru­fungs­be­grün­dung behauptet, er habe in den stre­it­ge­gen­ständlichen Zeiträu­men „Bere­itschafts­di­enst“ leis­ten müssen, ist sein dies­bezüglich­er Vor­trag, der in ein­er Wieder­hol­ung des erstin­stan­zlichen Vor­trags beste­ht, nach wie vor unsub­stan­ti­iert. Obwohl bere­its das Arbeits­gericht auf den fehlen­den Tat­sachen­vor­trag hingewiesen hat, hat der Kläger seine Behaup­tung, er habe sich zu Hause auf Abruf bere­it hal­ten müssen, nicht dahinge­hend konkretisiert, wer ihn wann wozu angewiesen haben soll. Danach muss in Übere­in­stim­mung mit dem Arbeits­gericht davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass der Kläger in den stre­it­ge­gen­ständlichen Zeiträu­men Freizeit hat­te und keine vergü­tungspflichtige Arbeit in Form eines „Bere­itschafts­di­en­stes“ leis­tete. Insoweit wird auf die dies­bezüglichen Aus­führun­gen des Arbeits­gerichts Bezug genommen.

Die Beru­fung war daher zurückzuweisen.

III.

Die Kosten des erfol­g­los gebliebe­nen Rechtsmit­tels waren gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO dem Kläger aufzugeben.

IV.

Die Zulas­sung der Revi­sion beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG.