BSG: Keine automatische Selbstständigkeit eines sog. „Poolarztes“

Das Bun­des­ozial­gericht (BSG) urteilte kür­zlich zur Frage der Selb­st­ständigkeit eines Zah­narztes, der als soge­nan­nter „Poolarzt“ im Not­di­enst der ver­tragszah­närztlichen Ver­sorgung tätig war. Dem­nach stelle diese Beschäf­ti­gung im Not­di­enst nicht bere­its deshalb automa­tisch eine selb­st­ständi­ge Tätigkeit dar, weil der Zah­narzt dabei an der ver­tragszah­närztlichen Ver­sorgung teil­nimmt. Vielmehr seien die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgebend für die Beurteilung des Sozialver­sicherungssta­tus (BSG, Urteil vom 24. Okto­ber 2023 – Az. B 12 R 9/21 R).

Dem Urteil lag fol­gen­der Sachver­halt zugrunde: Der Kläger, ein Zah­narzt, verkaufte 2017 seine Prax­is und war in der Folge nicht mehr zur ver­tragsärztlichen Ver­sorgung zuge­lassen. In den darauf­fol­gen­den Jahren über­nahm der Kläger immer wieder Not­di­en­ste der Kassenärztlichen Vere­ini­gung. Diese betrieb ein Not­di­en­stzen­trum, aus­ges­tat­tet mit entsprechen­den per­son­ellen sowie säch­lichen Mit­teln. Die Deutsche Renten­ver­sicherung Bund stufte den Zah­narzt als selb­st­ständig tätig ein, woge­gen sich der Zah­narzt mit sein­er Klage wandte. Die bei­den Vorin­stanzen waren noch der Auf­fas­sung der Beklagten gefolgt.

Das Bun­dessozial­gericht hinge­gen gab dem Kläger Recht. Der Kläger sei in die von der Kassen-zah­närztlichen Vere­ini­gung organ­isierten Abläufe des Not­di­en­stes eingegliedert gewe­sen. Darauf habe er keinen entschei­den­den, erst recht keinen unternehmerischen Ein­fluss gehabt. Vielmehr habe er eine von drit­ter Seite organ­isierte Struk­tur vorge­fun­den, in welch­er er fremdbes­timmt tätig gewor­den sei. Auch die Abrech­nung spreche gegen eine Selb­st­ständigkeit. Denn der Kläger ver­füge über keine Befug­nis zur indi­vidu­ell patien­ten­be­zo­ge­nen Abrech­nung, wie sie für Ver­tragszah­närzte typ­isch sei, son­dern erhalte ein festes Stun­den­hono­rar. Zwar habe der Zah­narzt in sein­er konkreten medi­zinis­chen Behand­lung frei und eigen­ver­ant­wortlich han­deln kön­nen. Dies sei jedoch nicht auss­chlaggebend. Somit unter­liege der Kläger im Rah­men sein­er Tätigkeit als „Poolarzt“ der Ver­sicherungspflicht, da im konkreten Fall eine abhängige Beschäf­ti­gung vorliege.

Eine Voll­textveröf­fentlichung liegt noch nicht vor. Die Pressemit­teilung des BSG find­en Sie hier.  

 

AMETHYST-Kommentar

Diese Entschei­dung hat in der Presse bere­its für eine Menge Aufre­gung und Ver­wun­derung gesorgt. Gefragt wurde vor allem, wie der­art notwendi­ge Tätigkeit­en der Ver­sicherungspflicht unter­liegen kön­nten. Hier müsse es einen Befreiungstatbe­stand geben. 

Allerd­ings: Warum sollen Poolärzte und kassenärztliche Vere­ini­gung für sich Son­der­reglun­gen beanspruchen kön­nen, wenn das BSG bere­its am 04.06.2019 – B 12 R 20/18 R – die Ver­sicherungspflicht aller eingegliederten Ärzte bejaht hat?

Man kann die Qual­ität der rechtlichen Bes­tim­mungen zu Ver­sicherungspflicht und „Schein­selb­st­ständigkeit“ sich­er in Frage stellen. Da diese aber nun ein­mal gel­ten, ist die Entschei­dung völ­lig kor­rekt und war so auch zu erwarten. Das einzig Über­raschende an diesem Fall ist, dass das BSG ihn über­haupt zur Entschei­dung angenom­men hat.

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