24. Januar 2013

Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern im Rahmen des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG

BAG — 24.01.2013 — 2 AZR 140/12 | Das Bun­de­sar­beits­gericht hat­te sich mit der Frage zu beschäfti­gen, ob Lei­har­beit­nehmer im Rah­men der Berech­nung der Betrieb­s­göße des Entlei­hers zu berück­sichti­gen sind. Dies sei grund­sät­zlich dann der Fall, wenn der Ein­satz der Lei­har­beit­nehmer auf einem “in der Regel” vorhan­de­nen Per­son­albe­darf beruht.

Tenor

1. Auf die Revi­sion des Klägers wird das Urteil des Lan­desar­beits­gerichts Nürn­berg vom 27. Juli 2011 — 4 Sa 713/10 — im Koste­nausspruch und insoweit aufge­hoben, wie es die Beru­fung des Klägers zurück­gewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhe­bung wird die Sache zur neuen Ver­hand­lung und Entschei­dung — auch über die Kosten der Revi­sion — an das Lan­desar­beits­gericht zurückverwiesen.

Tatbe­stand

Die Parteien stre­it­en über die Wirk­samkeit ein­er ordentlichen Kündi­gung und damit im Zusam­men­hang ste­hende Zahlungsansprüche.

Der Kläger war bei der Beklagten seit Juli 2007 als Hil­f­skraft beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsver­hält­nis mit Schreiben vom 24. Novem­ber 2009 zum 31. Dezem­ber 2009.

Hierge­gen hat der Kläger rechtzeit­ig die vor­liegende Klage erhoben. Für den Fall des Unter­liegens mit dem Kündi­gungss­chutzantrag hat er die Zahlung von Urlaub­sabgel­tung, für den Fall des Obsiegens ua. die Zahlung von Annah­mev­erzugsent­gelt für die Zeit von Jan­u­ar bis Mai 2010 gel­tend gemacht. Er hat die Auf­fas­sung vertreten, im Betrieb der Beklagten finde das Kündi­gungss­chutzge­setz Anwen­dung. Die Beklagte beschäftige dort mehr als zehn Arbeit­nehmer. Das ergebe sich aus ihrem eige­nen Lohn­jour­nal. Es seien auch die bei ihr täti­gen Lei­har­beit­nehmer zu berück­sichti­gen. Diese wür­den wie eigene Arbeit­nehmer im Betrieb einge­set­zt. Die Kündi­gung sei zudem gemäß § 612a, § 242, § 134 BGB recht­sun­wirk­sam. Da das Arbeitsver­hält­nis durch die Kündi­gung nicht aufgelöst wor­den sei, schulde ihm die Beklagte Annahmeverzugslohn.

Der Kläger hat — soweit noch von Inter­esse — beantragt

festzu­stellen, dass das Arbeits­ver­hältnis der Parteien durch die Kündi­gung der Beklagten vom 24. Novem­ber 2009 nicht aufgelöst wurde;

hil­f­sweise für den Fall des Unter­liegens mit dem Feststellungsantrag,

die Beklagte zu verur­teilen, an ihn 1.107,48 Euro brut­to neb­st Zin­sen iHv. fünf Prozent­punkten über dem Basis­zinssatz seit dem 1. Jan­u­ar 2010 zu zahlen;

hil­f­sweise für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag,

die Beklagte zu verur­teilen, an ihn näher bes­timmte Beträge neb­st Zin­sen für den Zeitraum von Jan­u­ar bis Mai 2010 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vor­ge­tra­gen, bei ihr seien — ein­schließlich des Klägers — nur zehn Arbeit­nehmer beschäftigt gewe­sen. Ihre Geschäfts­führerin und die sich in Rente befind­liche Fir­men­grün­derin seien keine weisungs­ge­bun­de­nen Arbeit­nehmer. Der vom Kläger genan­nte Herr S sei nicht bei ihr beschäftigt, son­dern bei der Fir­ma sein­er Ehe­frau, die als Sub­un­ternehmerin für sie Trans­portleis­tun­gen erbringe. Die weit­eren vom Kläger ange­führten Namen könne sie nur teil­weise bes­timmten Per­so­n­en zuord­nen. Bei diesen han­dele es sich um Lei­har­beit­nehmer. Diese wiederum seien bei der Berech­nung der Betrieb­s­größe nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG nicht mitzuzählen. Die Kündi­gung sei auch nicht aus son­sti­gen Grün­den recht­sun­wirk­sam, ins­beson­dere nicht wegen Ver­stoßes gegen das Maßregelungsver­bot. Kündi­gungs­grund sei die „schlampige“ Arbeitsweise des Klägers gewe­sen. Er sei mit Schreiben vom 13. Novem­ber 2009 ein­schlägig abgemah­nt worden.

Das Arbeits­gericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Beru­fung des Klägers hat das Lan­desar­beits­gericht die Beklagte zur Zahlung der beansprucht­en Urlaub­sabgel­tung verurteilt. Im Übri­gen hat es die Beru­fung zurück­gewiesen. Mit der Revi­sion ver­fol­gt der Kläger sein Haupt­begehren und seinen von dessen Erfolg abhängi­gen Hil­f­santrag weiter.

Entschei­dungs­gründe

Die Revi­sion ist begrün­det. Sie führt zur Aufhe­bung des ange­focht­e­nen Urteils, soweit die Beru­fung des Klägers zurück­gewiesen wurde, und zur Zurück­ver­weisung der Sache an das Lan­desar­beits­gericht. Mit der bish­eri­gen Begrün­dung durfte das Lan­desar­beits­gericht den betrieblichen Gel­tungs­bere­ich des Kündi­gungss­chutzge­set­zes nicht verneinen (I.). Ob das Kündi­gungss­chutzge­setz tat­säch­lich Anwen­dung find­et und ob auch dann die Kündi­gung das Arbeitsver­hält­nis aufgelöst hat, ste­ht noch nicht fest (II.).

I. Das Lan­desar­beits­gericht hat zu Unrecht angenom­men, die im Betrieb einge­set­zten Lei­har­beit­nehmer seien bei der Bes­tim­mung der Betrieb­s­größe nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG schon deshalb nicht zu berück­sichti­gen, weil sie nicht in einem Arbeitsver­hält­nis zur Beklagten stünden.

1. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gilt das Kündi­gungss­chutzge­setz für nach dem 31. Dezem­ber 2003 eingestellte Arbeit­nehmer nicht in Betrieben, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeit­nehmer beschäftigt wer­den. Berück­sichtigte man allein die in einem Arbeitsver­hält­nis zur Beklagten ste­hen­den Arbeit­nehmer, fände es im Stre­it­fall keine Anwen­dung. Die Beklagte beschäftigte nicht mehr als zehn „eigene“ Arbeitnehmer.

2. Ob bei der Bes­tim­mung der Betrieb­s­größe nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG auch die im Betrieb täti­gen Lei­har­beit­nehmer zu berück­sichti­gen sind, hat das Bun­de­sar­beits­gericht bis­lang nicht entsch­ieden. Im Schrift­tum und in der Instanzrecht­sprechung ist die Auf­fas­sung vorherrschend, Lei­har­beit­nehmer seien im Entlei­her­be­trieb bei der Bes­tim­mung der Anzahl der Beschäftigten nicht zu berück­sichti­gen. Zur Begrün­dung wird darauf abgestellt, dass Lei­har­beit­nehmer nicht in einem Arbeitsver­hält­nis zum Betrieb­sin­hab­er stün­den (KR/Bader 10. Aufl. § 23 KSchG Rn. 41; KR/Weigand 9. Aufl. § 23 KSchG Rn. 41; ErfK/Kiel 13. Aufl. § 23 KSchG Rn. 19; HaKo/Pfeiffer 4. Aufl. § 23 Rn. 23; KDZ/Deinert 8. Aufl. § 23 KSchG Rn. 31; LAG Berlin 30. Jan­u­ar 2001 — 3 Sa 2125/00 — zu I 2 der Gründe; aA: HK-?ArbR/Schubert 2. Aufl. 2010 § 23 KSchG Rn. 29; kri­tisch auch BTM/Backmeister 4. Aufl. § 23 KSchG Rn. 14).

3. Richtig ist, zur Berech­nung des Schwellen­werts nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG sämtliche für den Betrieb­sin­hab­er weisungs­ge­bun­den täti­gen und in den Betrieb eingegliederten Arbeit­nehmer mitzuzählen, soweit mit diesen ein regelmäßiger Beschäf­ti­gungs­be­darf abgedeckt wird. Dabei kann es sich auch um im Betrieb einge­set­zte Lei­har­beit­nehmer han­deln, soweit ihr Ein­satz der den Betrieb im All­ge­meinen kennze­ich­nen­den Beschäf­ti­gungslage entspricht. Dies ergibt die Ausle­gung der Bestimmung.

a) Der Wort­laut von § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gibt keinen ein­deuti­gen Auf­schluss darüber, ob auss­chließlich in einem Arbeitsver­hält­nis zum Betrieb­sin­hab­er ste­hende Arbeit­nehmer oder auch Lei­har­beit­nehmer mitzuzählen sind.

Das Gesetz spricht von „Arbeit­nehmern“, die „im Betrieb beschäftigt wer­den“. Dies lässt sowohl ein Ver­ständ­nis zu, wonach es sich um „eigene“ Arbeit­nehmer des Betrieb­sin­hab­ers han­deln muss, als auch ein solch­es, demzu­folge sämtliche Arbeit­nehmer zählen, die in den Betrieb eingegliedert und dort in Weisungsab­hängigkeit vom Betrieb­sin­hab­er tätig sind, unab­hängig davon, ob sie zum Betrieb­sin­hab­er selb­st in einem Arbeitsver­hält­nis ste­hen. Wäre das zulet­zt genan­nte Ver­ständ­nis zutr­e­f­fend, wären „in der Regel beschäftigte“ Lei­har­beit­nehmer mitzuzählen. Auch diese sind Arbeit­nehmer, sind in den Betrieb des Entlei­hers eingegliedert und dort diesem gegenüber weisungs­ge­bun­den tätig (BAG 18. Okto­ber 2011 — 1 AZR 335/10 — Rn. 19, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 70 = EzA BetrVG 2001 § 111 Nr. 8; 28. Juni 2000 — 7 AZR 45/99 — zu III 2 der Gründe, BB 2001, 98; 30. Jan­u­ar 1991 — 7 AZR 497/89 — zu III 1 der Gründe, BAGE 67, 124; Schaub/Koch ArbR-?Hdb. 14. Aufl. § 120 Rn. 5). Dementsprechend ist die Kündi­gung des Arbeitsver­hält­niss­es eines Stam­mar­beit­nehmers als sog. Aus­tauschkündi­gung unwirk­sam, wenn sein Arbeit­splatz anschließend mit einem Lei­har­beit­nehmer beset­zt wer­den soll (vgl. BAG 26. Sep­tem­ber 1996 — 2 AZR 200/96 — zu II 2 d der Gründe, BAGE 84, 209). Beschäftigt der Arbeit­ge­ber Lei­har­beit­nehmer, um mit ihnen ein nicht schwank­endes, ständig vorhan­denes (Sock­el-?)Arbeitsvol­u­men abzudeck­en, kann außer­dem von freien Arbeit­splätzen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG auszuge­hen sein, auf denen son­st zur Kündi­gung anste­hende Stam­mar­beit­nehmer beschäftigt wer­den kön­nen (BAG 15. Dezem­ber 2011 — 2 AZR 42/10 — Rn. 30, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 21 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84).

b) Die Geset­zessys­tem­atik und der Regelungszusam­men­hang geben eben­so wenig Auf­schluss über das zutr­e­f­fende Ver­ständ­nis. Zwar regelt § 1 KSchG den all­ge­meinen Kündi­gungss­chutz im Ver­hält­nis des Arbeit­nehmers zu seinem Arbeit­ge­ber. Das Kündi­gungss­chutzge­setz bet­rifft damit nach seinem per­sön­lichen Gel­tungs­bere­ich allein die Rechts­beziehun­gen zwis­chen den Parteien eines Arbeitsver­hält­niss­es. Für seinen betrieblichen Anwen­dungs­bere­ich knüpft § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG jedoch an die Größe des Betriebs gemessen an der Zahl der dort beschäftigten Arbeit­nehmer an. Es ist unter sys­tem­a­tis­chen Gesicht­spunk­ten nicht zwin­gend, dass auch damit nur „eigene“ Arbeit­nehmer des Arbeit­ge­bers und Betrieb­sin­hab­ers gemeint sein kön­nen. Ein bes­timmter vom Geset­zge­ber inner­halb eines Geset­zeswerks ver­wandter Begriff kann im jew­eili­gen Regelungszusam­men­hang vielmehr eine unter­schiedliche Bedeu­tung haben (vgl. nur BAG 18. Okto­ber 2011 — 1 AZR 335/10 — Rn. 19, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 70 = EzA BetrVG 2001 § 111 Nr. 8). Die Betrieb­s­größe, dh. die Anzahl der in einem Betrieb beschäftigten Arbeit­nehmer muss sich deshalb nicht zwin­gend danach richt­en, wie viele Arbeit­nehmer zum Betrieb­sin­hab­er selb­st in einem Arbeitsver­hält­nis ste­hen und ihm gegenüber ggf. Kündi­gungss­chutz beanspruchen kön­nen. Dies zeigt sich etwa daran, dass im Gemein­schafts­be­trieb auch die Arbeit­nehmer des jew­eils anderen Mit­in­hab­ers, obwohl sie nur zu diesem in einem Arbeitsver­hält­nis ste­hen, die Größe des Betriebs iSv. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG mitbestimmen.

c) Aus der Entste­hungs­geschichte der Norm lässt sich ein bes­timmter Regelungswille des Geset­zge­bers nicht ableit­en. Soweit aus den Mate­ri­alien ersichtlich, ist in den Geset­zge­bungsver­fahren wed­er zur aktuellen Bes­tim­mung des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG noch zu den Vor­läu­fer­regelun­gen erörtert wor­den, ob Lei­har­beit­nehmer im Entlei­her­be­trieb bei der Bes­tim­mung der Betrieb­s­größe zu berück­sichti­gen sein kön­nen. Umgekehrt lässt sich aus dem Umstand, dass dazu keine aus­drück­liche Regelung getrof­fen ist, nicht schließen, ihre Berück­sich­ti­gung solle aus­geschlossen sein.

aa) Eine höch­strichter­liche Recht­sprechung, die der Geset­zge­ber in seinen Willen aufgenom­men haben kön­nte, gab es zu dieser Frage nicht. Zwar hat das Bun­de­sar­beits­gericht zu § 2 Abs. 1 des Geset­zes über die Fris­ten zur Kündi­gung von Angestell­ten vom 9. Juli 1926 angenom­men, als „im Betrieb beschäftigte Angestellte“ im dor­ti­gen Sinne seien nur diejeni­gen Angestell­ten mitzuzählen, die in einem Arbeitsver­hält­nis zum Arbeit­ge­ber stün­den (BAG 16. Feb­ru­ar 1983 — 7 AZR 118/81 — zu II der Gründe, BAGE 41, 374). Das Gesetz stelle nicht auf die Funk­tion ab, son­dern auf den Sta­tus eines Angestell­ten, der ein Arbeitsver­hält­nis mit dem Arbeit­ge­ber voraus­set­ze (BAG 16. Feb­ru­ar 1983 — 7 AZR 118/81 — aaO). Dies lässt sich aber nicht auf § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG über­tra­gen. Die Bes­tim­mungen betr­e­f­fen ver­schiedene Regelungs­bere­iche. Der Sta­tus­be­griff des Angestell­ten spielt im Kündi­gungss­chutzge­setz keine Rolle. Im Übri­gen ist das Gesetz über die Fris­ten zur Kündi­gung von Angestell­ten 1983 außer Kraft getreten, so dass es bei den let­zten Nov­el­lierun­gen von § 23 Abs. 1 KSchG im Jahr 2003 schon lange nicht mehr galt.

bb) Außer­dem haben sich die Rah­menbe­din­gun­gen für den Ein­satz von Lei­har­beit­nehmern infolge der zunächst sukzes­siv­en Ver­längerung und schließlich Abschaf­fung der Höch­st­dauer ein­er Über­las­sung verän­dert (vgl. zur Recht­sen­twick­lung: Thüsing/Waas AÜG 3. Aufl. § 1 Rn. 9 ff.; Ulber AÜG 3. Aufl. Ein­leitung B Rn. 15 ff.). Arbeit­ge­ber mit zehn oder weniger eige­nen Arbeit­nehmern kön­nen mit­tler­weile einen ggf. weit höheren regelmäßi­gen Beschäf­ti­gungs­be­darf durch den Ein­satz von Lei­har­beit­nehmern abdeck­en. Dabei kommt es nicht darauf an, welche Bedeu­tung der mit Wirkung vom 1. Dezem­ber 2011 in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG aufgenomme­nen For­mulierung zukommt, die Über­las­sung von Arbeit­nehmern an Entlei­her erfolge „vorüberge­hend“. Selb­st wenn danach nur ein jew­eils vorüberge­hen­der Ein­satz der einzel­nen Lei­har­beit­nehmer als Per­so­n­en zuläs­sig wäre, kön­nte durch ihren ständi­gen Aus­tausch auch ein regelmäßiger Beschäf­ti­gungs­be­darf abgedeckt werden.

cc) Der Umstand, dass der Geset­zge­ber des Jahres 2001 in § 7 Satz 2 BetrVG die Wahlberech­ti­gung von Lei­har­beit­nehmern zur Wahl eines Betrieb­srats im Entlei­her­be­trieb aus­drück­lich geregelt hat, recht­fer­tigt keinen Umkehrschluss dahin, Lei­har­beit­nehmer seien, da es im Kündi­gungss­chutzge­setz an ein­er ver­gle­ich­baren Regelung fehle, für die Bes­tim­mung der Betrieb­s­größe nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG nicht zu berück­sichti­gen. Dass der Geset­zge­ber Regelungs­be­darf im Betrieb­sver­fas­sungsrecht gese­hen hat, besagt nichts darüber, aus welchen Grün­den er im Kündi­gungss­chutzge­setz eine Regelung unter­lassen hat.

dd) Aus § 14 Abs. 1 AÜG lässt sich für die Ausle­gung von § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG nichts ableit­en. Nach dieser Bes­tim­mung bleiben Lei­har­beit­nehmer zwar betrieb­sver­fas­sungsrechtlich während der Zeit ihrer Arbeit­sleis­tung bei einem Entlei­her Ange­hörige des entsenden­den Betriebs des Ver­lei­hers. Gle­ich­wohl ord­net § 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG das Mitbes­tim­mungsrecht des im Entlei­her­be­trieb gebilde­ten Betrieb­srats beim Ein­satz von Lei­har­beit­nehmern nach § 99 Abs. 1 BetrVG an (vgl. dazu BAG 23. Jan­u­ar 2008 — 1 ABR 74/06 — Rn. 22, BAGE 125, 306). Für einen Willen des Geset­zge­bers, Lei­har­beit­nehmer seien bei der Bes­tim­mung der Betrieb­s­größe des Entlei­her­be­triebs nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG nicht mitzuzählen, lässt sich dem nichts entnehmen.

d) Die zutr­e­f­fende Lesart von § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG fol­gt aus dem Regelungszweck. Sinn und Zweck der Her­aus­nahme von Klein­be­trieben aus dem all­ge­meinen Kündi­gungss­chutz nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gebi­eten unter Berück­sich­ti­gung von Art. 3 Abs. 1 GG ein Ver­ständ­nis, wonach Lei­har­beit­nehmer im Entlei­her­be­trieb bei der Bes­tim­mung der Betrieb­s­größe insoweit mitzuzählen sind, wie ihr Ein­satz einem „in der Regel“ vorhan­de­nen Beschäf­ti­gungs­be­darf entspricht. Es kommt dabei nicht entschei­dend darauf an, für welche Zeit­dauer der jew­eils einzelne Lei­har­beit­nehmer im Betrieb einge­set­zt ist. Auch dann, wenn auf einem Arbeit­splatz ständig wech­sel­nde Lei­har­beit­nehmer einge­set­zt wer­den, ist dieser, soweit er die regelmäßige Belegschaftsstärke kennze­ich­net, zu berücksichtigen.

aa) § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG benachteiligt die Arbeit­nehmer in Klein­be­trieben im Ver­gle­ich zu Arbeit­nehmern in größeren Betrieben. Zwar sind sie nicht schut­z­los Kündi­gun­gen aus­geliefert, die auf willkür­lichen oder auf sach­frem­den Motiv­en beruhen. Wo die Bes­tim­mungen des Kündi­gungss­chutzge­set­zes nicht greifen, wer­den die Arbeit­nehmer durch die zivil­rechtlichen Gen­er­alk­lauseln vor ein­er sit­ten- oder treuwidri­gen Ausübung des Kündi­gungsrechts des Arbeit­ge­bers geschützt. Soweit unter mehreren Arbeit­nehmern eine Auswahl zu tre­f­fen ist, gebi­etet der ver­fas­sungsrechtliche Schutz des Arbeit­splatzes in Verbindung mit dem Sozial­staat­sprinzip ein gewiss­es Maß an sozialer Rück­sicht­nahme. Gle­ich­wohl darf der durch die Gen­er­alk­lauseln ver­mit­telte Schutz nicht dazu führen, dass dem Klei­n­un­ternehmen prak­tisch die im Kündi­gungss­chutzge­setz vorgegebe­nen Maßstäbe der Sozial­widrigkeit aufer­legt wer­den (vgl. zu § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG idF v. 26. April 1985 BVer­fG 27. Jan­u­ar 1998 — 1 BvL 15/87 — zu B II 2 und B I 3 b cc der Gründe, BVer­fGE 97, 169).

bb) Die Benachteili­gung von Arbeit­nehmern in Klein­be­trieben bedarf wegen Art. 3 Abs. 1 GG der ver­fas­sungsrechtlichen Legit­i­ma­tion. Diese liegt darin, dass in Klein­be­trieben häu­fig eine enge per­sön­liche Zusam­me­nar­beit stat­tfind­et, dass Klein­be­triebe regelmäßig eine gerin­gere Finan­zausstat­tung aufweisen, die sie häu­fig außer­stande set­zt, Abfind­un­gen bei Auflö­sung des Arbeitsver­hält­niss­es zu zahlen oder weniger leis­tungs­fähiges, weniger benötigtes oder auch nur weniger genehmes Per­son­al mitzu­tra­gen, und dass der Ver­wal­tungsaufwand, den ein Kündi­gungss­chutzprozess mit sich bringt, den Klein­be­trieb stärk­er als ein größeres Unternehmen belastet (BVer­fG 27. Jan­u­ar 1998 — 1 BvL 15/87 — zu B I 3 b bb und B II 4 b aa der Gründe, BVer­fGE 97, 169; BAG 28. Okto­ber 2010 — 2 AZR 392/08 — Rn. 21, AP KSchG 1969 § 23 Nr. 48 = EzA KSchG § 23 Nr. 37; 19. April 1990 — 2 AZR 487/89 — zu II 2 a bb der Gründe, BAGE 64, 315). Ggf. ist durch eine ver­fas­sungskon­forme Ausle­gung des Betrieb­s­be­griffs sicherzustellen, dass nicht auch solchen Arbeit­nehmern der all­ge­meine Kündi­gungss­chutz ent­zo­gen wird, deren Beschäf­ti­gungs­be­trieb bei objek­tiv­er Betra­ch­tung ger­ade nicht die typ­is­chen Merk­male eines Klein­be­triebs im dargelegten Sinne aufweist (BVer­fG 27. Jan­u­ar 1998 — 1 BvL 15/87 — zu B II 4 b bb der Gründe, aaO; vgl. BAG 28. Okto­ber 2010 — 2 AZR 392/08 — Rn. 21, Rn. 25, aaO).

cc) Danach ist es schon aus ver­fas­sungsrechtlichen Grün­den geboten, bei der für die Bes­tim­mung der Betrieb­s­größe zu berück­sichti­gen­den Zahl von im Betrieb beschäftigten Arbeit­nehmern nicht danach zu dif­feren­zieren, ob diese in einem Arbeitsver­hält­nis zum Betrieb­sin­hab­er ste­hen oder nicht. Der Geset­zge­ber hat die Gren­ze für einen Klein­be­trieb bei der Beschäf­ti­gung von zehn Arbeit­nehmern im Betrieb gezo­gen. Diese Fes­tle­gung stellt eine Gen­er­al­isierung dar, die grund­sät­zlich von der dem Geset­zge­ber zuk­om­menden Ein­schätzung­sprärog­a­tive gedeckt ist (vgl. BVer­fG 27. Jan­u­ar 1998 — 1 BvL 15/87 — zu B II 4 b aa der Gründe, BVer­fGE 97, 169). Recht­fer­tigt es danach die Beschäf­ti­gung von mehr als zehn Arbeit­nehmern nicht mehr, den Betrieb aus dem Anwen­dungs­bere­ich des Kündi­gungss­chutzge­set­zes her­auszunehmen, gilt dies sowohl für den Fall, dass mehr als zehn eigene Arbeit­nehmer beschäftigt wer­den, als auch für den Fall, dass der weit­ere regelmäßige Beschäf­ti­gungs­be­darf durch Lei­har­beit­nehmer abgedeckt wird. Der Grad der per­sön­lichen Zusam­me­nar­beit, die Finan­zausstat­tung des Betriebs und dessen Belast­barkeit durch erhöht­en Ver­wal­tungsaufwand hän­gen nicht davon ab, ob der Arbeit­ge­ber regelmäßi­gen Beschäf­ti­gungs­be­darf durch eigene Arbeit­nehmer oder durch Lei­har­beit­nehmer abdeckt. Es macht für die Bes­tim­mung der finanziellen Leis­tungs­fähigkeit und Belast­barkeit des Entlei­hers keinen Unter­schied, ob die Arbeit­splätze mit eige­nen Arbeit­nehmern oder mit Lei­har­beit­nehmern beset­zt sind. Lei­har­beit­nehmer beset­zen diese wie eigene Arbeit­nehmer und unter­liegen dem Weisungsrecht des Entlei­hers (zu § 111 BetrVG vgl. BAG 18. Okto­ber 2011 — 1 AZR 335/10 — Rn. 19, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 70 = EzA BetrVG 2001 § 111 Nr. 8). Durch den Ein­satz von Lei­har­beit­nehmern entste­hen ver­gle­ich­bare Per­son­alkosten. Der Entlei­her hat zwar den Lei­har­beit­nehmern kein Arbeit­sent­gelt, er hat jedoch dem Ver­lei­hunternehmen das vere­in­barte Ent­gelt für deren Über­las­sung zu entricht­en. Auch die Erwä­gung, jen­seits der Gren­ze von zehn Arbeit­nehmern sei typ­is­cher­weise nicht mehr von ein­er für Klein­be­triebe kennze­ich­nen­den engeren per­sön­lichen Zusam­me­nar­beit auszuge­hen, gilt unab­hängig davon, ob die Beschäftigten eigene Arbeit­nehmer oder Lei­har­beit­nehmer sind.

dd) Da § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG auf die „in der Regel“ im Betrieb beschäftigten Arbeit­nehmer abstellt, kommt es für die Betrieb­s­größe nicht auf die zufäl­lige tat­säch­liche Anzahl der Beschäftigten [im Zeit­punkt des Kündi­gungszu­gangs] an. Maßgebend ist die Beschäf­ti­gungslage, die im All­ge­meinen für den Betrieb kennze­ich­nend ist (BAG 24. Feb­ru­ar 2005 — 2 AZR 373/03 — zu B I 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 23 Nr. 34 = EzA KSchG § 23 Nr. 28). Zur Fest­stel­lung der regelmäßi­gen Beschäftigten­zahl bedarf es deshalb eines Rück­blicks auf die bish­erige per­son­elle Stärke des Betriebs und ein­er Ein­schätzung sein­er zukün­fti­gen Entwick­lung; Zeit­en außergewöhn­lich hohen oder niedri­gen Geschäft­san­falls sind dabei nicht zu berück­sichti­gen (BAG 24. Feb­ru­ar 2005 — 2 AZR 373/03 — aaO; 22. Jan­u­ar 2004 — 2 AZR 237/03 — zu II 1 a der Gründe, BAGE 109, 215). Dies gilt auch mit Blick auf Lei­har­beit­nehmer. Wer­den diese zur Vertre­tung von Stam­mar­beit­nehmern beschäftigt, zählen sie grund­sät­zlich nicht mit. Sie zählen — eben­so wenig wie vorüberge­hend beschäftigte eigene Arbeit­nehmer — auch dann nicht mit, wenn sie nur zur Bewäl­ti­gung von Auf­tragsspitzen einge­set­zt wer­den, die den all­ge­meinen Geschäfts­be­trieb nicht kennze­ich­nen. Dage­gen sind sie mitzuzählen, soweit ihre Beschäf­ti­gung dem „Regelzu­s­tand“ des Betriebs entspricht, soweit also bes­timmte Arbeit­splätze im fraglichen Ref­erenzzeitraum stets mit Arbeit­nehmern beset­zt waren bzw. sein wer­den, sei es mit eige­nen Arbeit­nehmern des Betrieb­sin­hab­ers, sei es, etwa nach deren Auss­chei­den oder „immer schon“ mit (wech­sel­nden) Leiharbeitnehmern.

II. Bei Anwen­dung dieser Grund­sätze ist nicht aus­geschlossen, dass die Kündi­gung der Beklagten vom 24. Novem­ber 2009 der sozialen Recht­fer­ti­gung nach dem Kündi­gungss­chutzge­setz bedarf. Die Beklagte beschäftigte im Zeit­punkt der Kündi­gung zehn eigene Arbeit­nehmer und außer­dem zumin­d­est eine Lei­har­beit­nehmerin. Fest­stel­lun­gen dazu, ob deren Ein­satz auf einem regelmäßi­gen Beschäf­ti­gungs­be­darf beruhte, hat das Lan­desar­beits­gericht — nach sein­er Recht­sauf­fas­sung kon­se­quent — nicht getroffen.

III. Die Sache war nach § 563 Abs. 1, Abs. 3 ZPO an das Lan­desar­beits­gericht zurück­zu­ver­weisen. Der Sen­at kann nicht etwa deshalb abschließend selb­st entschei­den, weil fest­stünde, dass die Kündi­gung unab­hängig von der Anwend­barkeit des Kündi­gungss­chutzge­set­zes recht­sun­wirk­sam ist. Das Lan­desar­beits­gericht hat angenom­men, der Kläger habe keine Umstände dargelegt, die die Unwirk­samkeit der Kündi­gung nach § 242 BGB oder nach § 612a BGB iVm. § 134 BGB begrün­den kön­nten. Hierge­gen hat der Kläger keine Ver­fahren­srü­gen erhoben.

IV. Bei der neuen Ver­hand­lung wird das Lan­desar­beits­gericht den Parteien Gele­gen­heit zu geben haben, ergänzend zur Anwend­barkeit des Kündi­gungss­chutzge­set­zes vorzu­tra­gen. Die Dar­legungs- und Beweis­last für die betrieblichen Gel­tungsvo­raus­set­zun­gen nach § 23 Abs. 1 KSchG trägt grund­sät­zlich der Arbeit­nehmer (BAG 23. Okto­ber 2008 — 2 AZR 131/07 — Rn. 29, AP KSchG 1969 § 23 Nr. 43 = EzA KSchG § 23 Nr. 33; 26. Juni 2008 — 2 AZR 264/07 — Rn. 17 und 20, BAGE 127, 102). Etwaigen Schwierigkeit­en, die sich man­gels eigen­er Ken­nt­nis­möglichkeit­en ergeben, ist durch die Grund­sätze der abgestuften Dar­legungs- und Beweis­last Rech­nung zu tra­gen (BAG 23. Okto­ber 2008 — 2 AZR 131/07 — Rn. 30, aaO; 26. Juni 2008 — 2 AZR 264/07 — Rn. 26, aaO).

Sollte das Lan­desar­beits­gericht zu dem Ergeb­nis kom­men, dass der betriebliche Gel­tungs­bere­ich des Kündi­gungss­chutzge­set­zes eröffnet ist, wird es weit­er zu prüfen haben, ob die Kündi­gung vom 24. Novem­ber 2009 gem. § 1 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG sozial gerecht­fer­tigt ist.

V. Von der Zurück­ver­weisung umfasst sind die für den Fall des Obsiegens mit dem Kündi­gungss­chutzantrag gestell­ten Anträge auf Zahlung von Annah­mev­erzugsent­gelt für die Zeit von Jan­u­ar bis Mai 2010. Der Anspruch hängt von der Wirk­samkeit der Kündi­gung vom 24. Novem­ber 2009 ab. Sollte das Lan­desar­beits­gericht zu dem Ergeb­nis kom­men, die Kündi­gung vom 24. Novem­ber 2009 habe das Arbeitsver­hält­nis nicht aufgelöst, und dem Kündi­gungss­chutzantrag stattgeben, hat es seine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Urlaub­sabgel­tung aufzuheben und für gegen­stand­s­los zu erk­lären (vgl. BGH 14. Dezem­ber 1988 — IVa ZR 209/87 — zu IV der Gründe, BGHZ 106, 219). Anderen­falls verbleibt es bei deren Rechtskraft.