6. März 2012
Arbeitszeitkonten auch in der Zeitarbeit zulässig
LAG Baden-Württemberg — 06.03.2012 — 22 Sa 58/11 | Die Vereinbarung von Arbeitszeitkonten ist auch im Zeitarbeitsverhältnis zulässig und stellt keine nach § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG unzulässige Abbedingung von § 615 BGB dar. Bei der Festlegung der Lage der Arbeitszeit muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht täglich sieben Stunden, sondern lediglich 35 Stunden pro Woche beschäftigen und kann ihn in diesem Rahmen tageweise auch ohne seine Zustimmung freistellen und so Arbeitszeitguthaben reduzieren.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 15.06.2011 — 3 Ca 74/11 wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
3. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Annahmeverzugslohn im Leiharbeitsverhältnis.
Der 60-jährige Berufungskläger (fortan: Kläger) war bei dem Berufungsbeklagten (fortan: Beklagten) aufgrund Arbeitsvertrages vom 8.10.2010 (auf dessen Wortlaut im übrigen Bezug genommen wird) vom 11.10.2010 bis 27.12.2010 gegen einen Bruttostundenlohn von Euro 9,60 als Facharbeiter für Nachrichtentechnik beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund Probezeitkündigung des Beklagten. Der Beklagte betreibt mit regelmäßig über 100 Arbeitnehmern eine Firma für Fachkräftepersonalleasing im Heizungs-und Lüftungsanlagenbau. Aufgrund arbeitsvertragliche Bezugnahme gelten die Tarifverträge Zeitarbeit DGB-BZA vom 22.7.2003 in der jeweiligen Fassung (fortan: MTV-BZA). Ein Betriebsrat besteht nicht.
Der Arbeitsvertrag sieht in § 3 folgende Regelung vor:
§ 3 Arbeitszeit/Überstundenkonto
Die Regelung der Arbeitszeit erfolgt auf der Grundlage des § 4 MTV BZA.
-Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 35 Stunden (Mindestarbeitszeit).
Die regelmäßige monatliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers beträgt 151,67 Stunden.
-Die regelmäßige Arbeitszeit wird an die des Kundenbetriebes angepasst. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen und die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage richten sich nach dem jeweiligen Kundenbetrieb gültigen Regelungen bzw. Anforderungen des Kundenbetriebes.
-Arbeitsstunden ab der 41. Stunde wöchentlich werden automatisch auf das Mehrarbeitsstundenkonto gutgeschrieben. (Die pauschalen Anwendungsersatzleistungen werden in der folgenden Lohnabrechnung vergütet).
-Umkleiden, Waschen sowie Ruhepausen im Sinne des Arbeitszeitgesetzes (z. B. Frühstücks‑, Mittags- und Kaffeepausen) gelten nicht als Arbeitszeit.
-Zum Ausgleich der monatlichen Abweichungen zwischen der nach Abs. 1 vereinbarten individuellen regelmäßigen Arbeitszeit des Arbeitnehmers und der tatsächlichen Arbeitszeit nach Abs. 2 wird ein Arbeitszeitkonto eingerichtet. In das Arbeitszeitkonto können Plus- und Minusstunden eingestellt werden.
-Ein Stunden/Zeitausgleich einschließlich der Vergütung erfolgt in einsatzfreien Zeiten über den Ausgleich des Zeitkontos.
-Die Höchstgrenze der Guthabenstunden liegt bei 200 Stunden, für Minusstunden bei 100 Stunden.
-Der Ausgleich des Arbeitszeitkontos soll vorrangig durch die Gewährung von Freizeit, auch in einsatzfreien Zeiten erfolgen. Arbeitszeitguthaben über 150 Stunden unterliegen dem Dispositionsrecht des Arbeitnehmers, d. h. der Arbeitnehmer kann nach seiner Wahl die Gewährung von Freizeit, Vergütung oder Fortschreibung des Arbeitszeitkontos verlangen. Bei Arbeitszeitguthaben bis zu 150 Stunden besteht insbesondere zur Sicherung des Arbeitsplatzes in einsatzfreien Zeiten ein Dispositionsrecht des Arbeitgebers.
-Das Abgelten von Zeitguthaben ist nach den Grundsätzen der Urlaubsgewährung beim Arbeitgeber zu beantragen. Fallen Zeiten, in denen Stundenguthaben durch beantragte und festgelegte Freizeit ausgeglichen werden, mit Zeiten der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zusammen, so gilt die freie Zeit als genommen. Eine Rückübertragung in das Zeitguthaben erfolgt nicht.
-Im Fall des Ausscheidens des Mitarbeiters ist der Saldo auf dem Arbeitszeitkonto wie folgt auszugleichen:
Plusstunden werden abgegolten, Minusstunden werden bei Eigenkündigung des Mitarbeiters bzw. außerordentlicher Kündigung bis zu 35 Stunden verrechnet, soweit eine Nacharbeit betrieblich nicht möglich ist.
-Der Mitarbeiter verpflichtet sich, die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes einzuhalten. Nach diesen Vorschriften ist eine Überschreitung der höchstzulässigen täglichen Arbeitszeit von 10 Stunden untersagt.
Ebenso darf nach diesen Vorschriften an Sonntagen nur in Ausnahmefällen gearbeitet werden.
Der Mitarbeiter ist verpflichtet, den Arbeitgeber unverzüglich zu informieren, wenn die Kundenfirma eine über 10 Stunden pro Tag hinausgehende Arbeitszeit sowie Arbeit an Sonntagen anordnet. Derartige Mehrarbeitsstunden dürfen nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Arbeitgebers geleistet werden. Soweit diese Genehmigung nicht vorliegt, kann dem Mitarbeiter die Anerkennung der Arbeitsstunden für die unzulässig ausgeführte Mehrarbeit verweigert werden.
§ 2 MTV-BZA lautet:
§ 2 Dauer der Arbeitszeit/Vollzeitarbeit
Die individuelle regelmäßige monatliche Arbeitszeit beträgt 151,67 Stunden; dies entspricht einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden. Diese muss im Durchschnitt von 12 Kalendermonaten nach Maßgabe des § 4 erreicht werden.
In den Fällen, in denen die Mitarbeiter dauerhaft in ein Unternehmen mit längerer Arbeitsdauer überlassen werden, können die Arbeitsvertragsparteien eine entsprechend längere Arbeitszeit (max. 40 Stunden/Woche) vereinbaren. Die Vergütung wird in diesem Fall entsprechend angepasst.
Die individuelle regelmäßige Arbeitszeit ergibt sich aus der monatlichen Arbeitszeit gem. Satz 1 multipliziert mit 12.
Mit Mail vom 11.10.2010 bot der Beklagte dem Kläger an, das Arbeitsverhältnis durch Vertragsänderung erst ab dem 12.10.2000 zu beginnen (was der Kläger ablehnte). Am Montag, den 11.10.2010 arbeitete der Kläger dennoch nicht und der Beklagte wies ihm auch keine Arbeit zu. Der Kläger fuhr mit seinem Pkw an diesem Tag von S. zum vorgesehenen Übernachtungsort in F‑Z. Der Beklagte bezahlte für diesen Tag Reisekostenerstattung und Fernauslöse, jedoch keine Arbeitsvergütung. An den folgenden Tagen der Kalenderwoche arbeitete der Kläger sodann 36 h. In der Kalenderwoche ab dem 18.10.2010 war der Kläger auf einer Baustelle in F eingesetzt. Von Montag bis Donnerstag arbeitete er dort insgesamt 39 h. Am Freitag, den 22.10.2010 wurde auf der Baustelle nicht gearbeitet. Der Kläger unterrichtete den Disponenten des Beklagten, der ihm für diesen Tag keinen anderen Einsatz zuwies. Ähnlich verhielt es sich in der Kalenderwoche ab dem 1.11.2010. Der Kläger war ab Montag, den 1.11.2010 bei einem Kunden in F/M eingesetzt. In Hessen ist Allerheiligen kein Feiertag. Der Einsatz endete am 3.11.2010 (1.11.2010 = 8 h, 2.11.2010 = 10 h und 3.11. = 10 h). Für Donnerstag den 4.11.2010 rechnete der Beklagte dem Kläger 7 Arbeitsstunden ab, so dass für diese Kalenderwoche 35 Arbeitsstunden vergütet wurden. Trotz Nachfrage des Klägers beim Disponenten des Beklagten wurde dem Kläger für Freitag, den 5.11.2010, kein Arbeitseinsatz zugewiesen. Der Kläger verlangte mit der am 15.2.2011 eingereichten Klage erstinstanzlich die Bezahlung von Annahmeverzugslohn (je Tag 7 h zu je 9,60 € brutto) für den 11.10, 22. 10. Und 5.11.2010.
Der Kläger beantragte erstinstanzlich
1. Den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 201,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 134,40 € seit dem 16.11.2010 und auf weitere 67,20 € seit dem 16.12.2010 zu zahlen;
2. Dem Kläger vorab zum Zwecke der Zwangsvollstreckung eine vollstreckbare Kurzfertigung des Urteils ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe zu erteilen, §§ 317 II Satz 1, 750 I Satz 2 ZPO.
3. Dem Kläger eine vollstreckbare Urteilsausfertigung zu erteilen.
Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen,
weil der Kläger an den anderen Tagen der jeweiligen Kalenderwoche die vertraglich vereinbarte regelmäßige Wochenarbeitszeit von 35 h zugewiesen und vergütet erhalten habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Der Beklagte habe dem Kläger auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Leiharbeit die vertragsgerechte Arbeit zugewiesen. Weder der Arbeitsvertrag noch der Tarifvertrag enthalte Bestimmungen zur täglichen Arbeitszeit, so dass der Arbeitnehmer nur Anspruch auf Zuweisung des Wochenvolumens habe.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 15.6.2011 – 3 Ca 74/11 wurde dem Kläger am 1.7.2011 zugestellt. Die Berufung des Klägers ging am 29.7.2011 beim Landesarbeitsgericht ein und wurde per Fax vom 1.9.2011 begründet. Die Berufung und deren Begründung sind damit rechtzeitig.
Im Berufungsrechtszug macht der Kläger geltend, die Auffassung des Arbeitsgerichts zum Arbeitszeitkonto des Klägers sei mit § 3 ArbZG nicht vereinbar und stelle eine Umgehung der §§ 9 ff. ArbZG dar.
Der Beklagte habe am 1.11.2010 in Wahrheit Feiertagsarbeit angeordnet, die nach § 8 dritter Spiegelstrich des Arbeitsvertrages zu vergüten sei. Erfüllungsort des Arbeitsverhältnisses sei nach dem Arbeitsvertrag (§ 9, § 16) die Niederlassung in S. Da der 1.11.2010 in Baden-Württemberg ein Feiertag sei, habe der Beklagte nach den Regelungen des Erfüllungsorts Feiertagsvergütung zu leisten. Hinzu komme, dass dem Kläger am 5.11.2010 keine Arbeit zugewiesen worden sei.
Für den 22.10.2010 führe die Auffassung des Arbeitsgerichts dazu, dass § 3 ArbZG unterlaufen werde. Ausgehend von den Bedingungen im Entleiherbetrieb (§ 3 des Arbeitsvertrages) habe der Kläger am 18.10.2010 zwei Stunden, am 19. zehn, am 20.10 und 21.10 je 3 Stunden Mehrarbeit geleistet. Diese sei nach § 4.2 des einschlägigen Tarifvertrages dem Arbeitszeitkonto hinzuzufügen. Für den 22.10.2010 sei der Beklagte in Annahmeverzug geraten.
Entsprechendes gelte für den ersten Arbeitstag, den 11.10.2010. Der Kläger habe in der restlichen Woche entsprechend den Regelungen beim Kundenbetrieb 8 Stunden Mehrarbeit geleistet, die seinem Arbeitsskonto hinzuzurechnen seien. Am 11.10.2010 habe der Beklagte für die Anreise die vereinbarte Vergütung zu bezahlen.
Der Kläger beantragt im Berufungsrechtszug
Das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 15.06.2011, Az.: 3 Ca 74/11, zugestellt am 01.07.2011, aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 201,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 134,40 € seit dem 16.11.2010 und auf weitere 67,20 € seit dem 16.12.2010 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Soweit der Kläger auf § 3 oder § 9 des ArbZG verweise, sei dies nicht nachvollziehbar. Die tägliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers könne auf bis zu 10 h verlängert werden, wenn sich das im Durchschnitt auf 8 h ausgleiche. Da das Arbeitszeitgesetz von Werktagen ausgehe, seien insgesamt 48 Wochenstunden zulässig. Diese seien im Fall des Klägers bei weitem nicht erreicht.
Der Vergütungsanspruch des Klägers für den 1.11.2010 könne – wie das Arbeitsgericht zu Recht ausführe – nicht auf § 2 EFZG gestützt werden. Es gehe um die Vergütung für den 5.11.2010, für die dem Kläger wegen Erreichen der Wochenarbeitszeit keine Arbeit zuzuweisen gewesen sei. Zudem sei nach § 2 EFZG das Feiertagsrecht jeweils vom Ort der tatsächlichen Beschäftigung abhängig.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und Bezugnahmen sowie auf den Inhalt des Protokolls verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG statthaft und ist gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO in der gesetzlichen Form sowie gemäß § 66 ArbGG in der gesetzlichen Frist eingelegt und begründet worden.
II. Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für die streitgegenständlichen Tage, weil er in den betreffenden Kalenderwochen jeweils 35 h beschäftigt wurde. Die Vereinbarung von Arbeitszeitkonten ist auch im Leiharbeitsverhältnis zulässig und stellt keine nach § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG unzulässige Abbedingung von § 615 BGB dar.
1. Der Berufung ist zuzugeben, dass in Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung der Arbeitgeber bei fehlenden Aufträgen grundsätzlich das Beschäftigungsrisiko trägt. Eine Flexibilisierung ist nur in engen Grenzen möglich.
Es gehört gerade zum typischen Betriebsrisiko eines Zeitarbeitsunternehmens, dass es eventuell keine Abnehmer für die von ihm angebotenen Personaldienstleistungen findet. Das bedeutet im Grundsatz, dass das Beschäftigungsrisiko im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung der Verleiher trägt. Diese Risikoverteilung wird an vielen Stellen des AÜG deutlich: § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AÜG; Zusammenschau der §§ 3, 9 und 10 AÜG und nicht zuletzt § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG. Nach dieser im AÜG zum Ausdruck kommenden Verteilung des Beschäftigungsrisikos kann der Einsatz von Arbeitszeitkonten im Leiharbeitsverhältnis nicht unbegrenzt zulässig sein (nach Thüsing/Pötters, BB 2012, 317). Die Rechtsprechung hat daher den möglichen Einsatz von Arbeitszeitkonten in der Leiharbeitsbranche eingeschränkt. Eine höchstrichterliche Stellungnahme des Bundesarbeitsgerichts steht noch aus, bislang liegen allein LAG-Entscheidungen vor. Während das LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 29.4.2009 – 17 Sa 4/09 mit zustimmender Anm. Boemke, juris PR-ArbR 30/09) Arbeitszeitkonten im Leiharbeitsverhältnis grundsätzlich für zulässig hält, stufte das LAG Rheinland-Pfalz in einer anderen Entscheidung (Urteil vom 24.4.2008 – 10 Sa 19/08 = EzAÜG § 11 AÜG Verleiherpflicht Nr. 5) eine vertragliche Arbeitszeitkontenregelung als unzulässig ein. Die überwiegende Ansicht in der Literatur (umfassende Zusammenstellung der Nachweise bei Thüsing/Pötters, aaO, Fn. 24 — 41) stellt fest, dass ein Verstoß gegen § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG in Verbindung mit § 615 Satz 1 BGB ausscheidet, wenn der Arbeitnehmer letztlich stets die volle Vergütung erhalten hat. Der Arbeitnehmer habe einen Anspruch auf eine bestimmte Beschäftigungsdauer mit entsprechenden Vergütungsansprüchen im Kontingentszeitraum, aber keinen Anspruch auf eine Beschäftigung an bestimmten Tagen.
2. Die in den §§ 3 des Arbeitsvertrages bzw. in §§ 2,4 des MTV zum Ausdruck kommende Arbeitszeitflexibilisierung ist zulässig. Hiernach hat der Kläger keinen Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung an den streitgegenständlichen Tagen. Der Beklagte ist in den betreffenden Kalenderwochen seiner Obliegenheit, den Kläger in vertragsgemäßem Umfang zur Arbeit heranzuziehen, nachgekommen.
Der Einsatz von Arbeitszeitkonten führt gerade nicht zum Ausschluss des Annahmeverzugslohnes und damit zu einem Verstoß gegen § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG in Verbindung mit § 615 Satz 1 BGB. Denn wenn – wie hier — der Arbeitgeber die vertraglich versprochene Vergütung für die vertraglich geregelte Wochenarbeitszeit vollständig zahlt, liegt kein Verstoß gegen § 615 Satz 1 BGB vor. Das folgt unmittelbar aus dem Wortlaut und wird durch teleologische Erwägungen gestützt. Ein Abfedern von Spitzenzeiten, in denen Überstunden anfallen und eine Flexibilisierung der Arbeitszeit sind legitime Anliegen des Verleihers. Sie dienen auch nicht nur allein dem Arbeitgeberinteresse, sondern sichern zugleich die Kontinuität der Vergütung des Arbeitnehmers und führen vor allem auch zur Sicherung von (unbefristeten) Arbeitsplätzen (Schüren/Hamann/Schüren, 4. Auflage 2010, § 11 AÜG Rn. 113). Es war erklärter Wille der Tarifvertragsparteien DGB und BZA bei der Schaffung von Arbeitszeitkontenregelungen diesem beschäftigungssichernden Aspekt Rechnung zu tragen (Thüsing/Pötters, aaO, S. 320). Damit kann davon ausgegangen werden, dass jedenfalls im Geltungsbereich des MTV DGB-BZA die nur graduelle Verlagerung des Beschäftigungsrisikos – wie sie mit jeder Maßnahme der Arbeitszeitflexibilisierung einhergeht – durch gewichtige Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen gerechtfertigt werden kann.
Nur wenn — wie in dem vom LAG Rheinland-Pfalz entschiedenen Fall (30-Wochenstunden-Vertrag)– bei der Festsetzung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit bewusst eine zu niedrige Stundenzahl angesetzt würde, könnte Missbrauch der zulässigen Arbeitszeitkontenregelung vorliegen (ebenso Thüsing/Pötters, aaO, Seite 320). Der Kläger hat einen tarifgemäßen 35-Wochenstundenvertrag, so dass Missbrauch ausscheidet.
3. Entgegen der Ausführungen des Klägers ist ein Verstoß gegen die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes nicht erkennbar.
§ 2 MTV BZA-DGB sieht als Regelfall eine 35- Stunden-Woche vor. Bei einer dauerhaften Überlassung können auch 40-Stunden-Wochen für diesen Einsatz geregelt sein. Der Tarifvertrag bewegt sich damit unterhalb der Schwelle des § 3 ArbZG. Der Aufbau von Plusstunden jenseits der 35-Stunden-Woche ist bei maximal 200 h gedeckelt, 230 Plusstunden sind allein zur Beschäftigungssicherung bei saisonalen Schwankungen möglich (§ 4.3 MTV BZA-DGB). § 5 MTV BZA-DGB verweist ausdrücklich auf § 7 ArbZG, soweit der Leiharbeitnehmer in Kundenbetrieben mit Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst/Rufbereitschaft eingesetzt wird. Es werden also lediglich die gesetzlichen Rahmenbedingungen nachgezeichnet. Der in § 4.4 MTV BZA-DGB vorgesehene Ausgleichszeitraum von zwölf Monaten ist ebenfalls unbedenklich, solange die gesetzliche Höchstarbeitszeit (48 h pro Woche, 10 h pro Tag), worauf der Beklagte zu Recht hinweist, eingehalten wird.
4. Der Kläger verkennt zudem die Wertungen des § 12 TZBfG.
Nach § 12 Abs. 3 TzBfG kann durch Tarifvertrag eine Pflicht zur Leistung von Arbeit auf Abruf normiert werden. Dabei ist auch ein Abweichen zu Ungunsten des Arbeitnehmers von den gesetzlichen Bestimmungen möglich. Eine tarifliche Norm über die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit kann etwa auch Bandbreitenregelungen oder Durchschnittsregelungen vorsehen (ausführliche Nw. zu den tarifvertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten siehe Thüsing/Pötters, aaO, Fn. 59 und 60). Durch das Arbeitszeitkonto des MTV BZA-DGB wird eine Durchschnittsregelung geschaffen. Die konkrete Lage der Arbeitszeit ist innerhalb der Grenzen des ArbZG variabel. Hier kann es also durchaus sein, dass in einer Woche gar nicht gearbeitet wird, wenn sich keine Entleiher findet. Damit ist aber für diese Woche gerade nicht der Anspruch auf Vergütung der üblichen Arbeitszeit reduziert. Im Gegenzug kann es sein, dass u.U. weit über die 35-Stunden-Woche hinaus Überstunden geleistet werden müssen (je nach der Regelung beim Entleiher), die in das Arbeitszeitkonto gebucht werden.
Damit ist den Ausführungen des Arbeitsgerichts zuzustimmen. Der Kläger hat nur Anspruch auf Zuweisung der vertragsgerechten Arbeit. Er hat keinen Anspruch darauf, Überstunden zu leisten und die Basisarbeitszeit über Annahmeverzug abzudecken. Die Mindestarbeitszeit beträgt 35 h pro Woche und diese Arbeit wurde dem Kläger zugewiesenen. Eine fixe Bestimmung zur täglichen Arbeitszeit enthält weder der Arbeitsvertrag noch der Tarifvertrag. Innerhalb einer Kalenderwoche ist damit ein flexibler Arbeitseinsatz zulässig. Ein Anspruch des Klägers, in jedem Arbeitstag (von Montag bis Freitag) oder zumindest an fünf Arbeitstagen je Woche mindestens zu je 7 h eingesetzt zu werden, ist nicht ersichtlich. Damit war der Beklagte nicht verpflichtet, den Kläger an den hier interessierenden Tagen 11. Oktober, 22. Oktober und 5.11.2010 zur Arbeit heranzuziehen und geriet auch nicht in Annahmeverzug.
5. Schließlich helfen dem Kläger auch die Schranken des AGB-Rechts nicht weiter.
Angesichts der in der Zeitarbeitsbranche bestehenden Tarifverträge ist stets genau zu prüfen, ob der Anwendungsbereich der Vorschriften des AGB-Rechts überhaupt eröffnet ist. Ist eine tarifvertragliche Regelung einschlägig, findet gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB eine inhaltliche Überprüfung solcher Klauseln grundsätzlich nicht statt. Dies bedeutet zunächst, dass die Tarifverträge selbst keiner AGB-Kontrolle nicht unterliegen. Zugleich und vor allem sind aber auch einzelvertragliche Klauseln, die eine tarifliche Regelung lediglich wiederholen oder auf den Tarifvertrag verweisen, von einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB befreit.
So liegt der Fall hier. Die Arbeitszeitregelung in § 3 des Arbeitsvertrages wiederholt lediglich § 2 und § 4 des MTV BZA-DGB.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten der erfolglos eingelegten Berufung zu tragen. Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen worden. Der Rechtsstreit wirft eine entschädigungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, nämlich die Frage, ob und in welchem Umfang auch im Leiharbeitsverhältnis Arbeitszeitkonten zulässig sind.