6. März 2012

Arbeitszeitkonten auch in der Zeitarbeit zulässig

LAG Baden-Würt­tem­berg — 06.03.2012 — 22 Sa 58/11 | Die Vere­in­barung von Arbeit­szeitkon­ten ist auch im Zeitar­beitsver­hält­nis zuläs­sig und stellt keine nach § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG unzuläs­sige Abbe­din­gung von § 615 BGB dar. Bei der Fes­tle­gung der Lage der Arbeit­szeit muss der Arbeit­ge­ber den Arbeit­nehmer nicht täglich sieben Stun­den, son­dern lediglich 35 Stun­den pro Woche beschäfti­gen und kann ihn in die­sem Rah­men tageweise auch ohne seine Zus­tim­mung freis­tellen und so Arbeit­szeitguthaben reduzieren.

Tenor

1. Die Beru­fung des Klägers gegen das Urteil des Arbeits­gerichts Lör­rach vom 15.06.2011 — 3 Ca 74/11 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Revi­sion wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien stre­it­en über Annah­mev­erzugslohn im Leiharbeitsverhältnis.

Der 60-jährige Beru­fungskläger (for­t­an: Kläger) war bei dem Beru­fungs­beklagten (for­t­an: Beklagten) auf­grund Arbeitsver­trages vom 8.10.2010 (auf dessen Wort­laut im übri­gen Bezug genom­men wird) vom 11.10.2010 bis 27.12.2010 gegen einen Brut­tostun­den­lohn von Euro 9,60 als Fachar­beit­er für Nachrich­t­en­tech­nik beschäftigt. Das Arbeitsver­hält­nis endete auf­grund Probezeitkündi­gung des Beklagten. Der Beklagte betreibt mit regelmäßig über 100 Arbeit­nehmern eine Fir­ma für Fachkräfte­per­son­al­leas­ing im Heizungs-und Lüf­tungsan­la­gen­bau. Auf­grund arbeitsver­tragliche Bezug­nahme gel­ten die Tar­ifverträge Zeitar­beit DGB-BZA vom 22.7.2003 in der jew­eili­gen Fas­sung (for­t­an: MTV-BZA). Ein Betrieb­srat beste­ht nicht.

Der Arbeitsver­trag sieht in § 3 fol­gende Regelung vor:

§ 3 Arbeitszeit/Überstundenkonto

Die Regelung der Arbeit­szeit erfol­gt auf der Grund­lage des § 4 MTV BZA.

-Die regelmäßige wöchentliche Arbeit­szeit beträgt 35 Stun­den (Min­destar­beit­szeit).

Die regelmäßige monatliche Arbeit­szeit des Arbeit­nehmers beträgt 151,67 Stunden.

-Die regelmäßige Arbeit­szeit wird an die des Kun­den­be­triebes angepasst. Beginn und Ende der täglichen Arbeit­szeit ein­schließlich der Pausen und die Verteilung der Arbeit­szeit auf die einzel­nen Wochen­t­age richt­en sich nach dem jew­eili­gen Kun­den­be­trieb gülti­gen Regelun­gen bzw. Anforderun­gen des Kundenbetriebes.

-Arbeitsstun­den ab der 41. Stunde wöchentlich wer­den automa­tisch auf das Mehrar­beitsstun­denkon­to gut­geschrieben. (Die pauschalen Anwen­dungser­sat­zleis­tun­gen wer­den in der fol­gen­den Lohnabrech­nung vergütet).

-Umk­lei­den, Waschen sowie Ruhep­ausen im Sinne des Arbeit­szeit­ge­set­zes (z. B. Frühstücks‑, Mit­tags- und Kaf­feep­ausen) gel­ten nicht als Arbeitszeit.

-Zum Aus­gle­ich der monatlichen Abwe­ichun­gen zwis­chen der nach Abs. 1 vere­in­barten indi­vidu­ellen regelmäßi­gen Arbeit­szeit des Arbeit­nehmers und der tat­säch­lichen Arbeit­szeit nach Abs. 2 wird ein Arbeit­szeitkon­to ein­gerichtet. In das Arbeit­szeitkon­to kön­nen Plus- und Minusstun­den eingestellt werden.

-Ein Stunden/Zeitausgleich ein­schließlich der Vergü­tung erfol­gt in ein­satzfreien Zeit­en über den Aus­gle­ich des Zeitkontos.

-Die Höch­st­gren­ze der Guthaben­stun­den liegt bei 200 Stun­den, für Minusstun­den bei 100 Stunden.

-Der Aus­gle­ich des Arbeit­szeitkon­tos soll vor­rangig durch die Gewährung von Freizeit, auch in ein­satzfreien Zeit­en erfol­gen. Arbeit­szeitguthaben über 150 Stun­den unter­liegen dem Dis­po­si­tion­srecht des Arbeit­nehmers, d. h. der Arbeit­nehmer kann nach sein­er Wahl die Gewährung von Freizeit, Vergü­tung oder Fortschrei­bung des Arbeit­szeitkon­tos ver­lan­gen. Bei Arbeit­szeitguthaben bis zu 150 Stun­den beste­ht ins­beson­dere zur Sicherung des Arbeit­splatzes in ein­satzfreien Zeit­en ein Dis­po­si­tion­srecht des Arbeitgebers.

-Das Abgel­ten von Zeitguthaben ist nach den Grund­sätzen der Urlaub­s­gewährung beim Arbeit­ge­ber zu beantra­gen. Fall­en Zeit­en, in denen Stun­denguthaben durch beantragte und fest­gelegte Freizeit aus­geglichen wer­den, mit  Zeit­en der Arbeit­sun­fähigkeit des Arbeit­nehmers zusam­men, so gilt die freie Zeit als genom­men. Eine Rück­über­tra­gung in das Zeitguthaben erfol­gt nicht.

-Im Fall des Auss­chei­dens des Mitar­beit­ers ist der Sal­do auf dem Arbeit­szeitkon­to wie fol­gt auszugleichen:

Plusstun­den wer­den abge­golten, Minusstun­den wer­den bei Eigenkündi­gung des Mitar­beit­ers bzw. außeror­dentlich­er Kündi­gung bis zu 35 Stun­den ver­rech­net, soweit eine Nachar­beit betrieblich nicht möglich ist.

-Der Mitar­beit­er verpflichtet sich, die Bes­tim­mungen des Arbeit­szeit­ge­set­zes einzuhal­ten. Nach diesen Vorschriften ist eine Über­schre­itung der höch­stzuläs­si­gen täglichen Arbeit­szeit von 10 Stun­den untersagt.

Eben­so darf nach diesen Vorschriften an Son­nta­gen nur in Aus­nah­me­fällen gear­beit­et werden.

Der Mitar­beit­er ist verpflichtet, den Arbeit­ge­ber unverzüglich zu informieren, wenn die Kun­den­fir­ma eine über 10 Stun­den pro Tag hin­aus­ge­hende Arbeit­szeit sowie Arbeit an Son­nta­gen anord­net. Der­ar­tige Mehrar­beitsstun­den dür­fen nur mit aus­drück­lich­er Genehmi­gung des Arbeit­ge­bers geleis­tet wer­den. Soweit diese Genehmi­gung nicht vor­liegt, kann dem Mitar­beit­er die Anerken­nung der Arbeitsstun­den für die unzuläs­sig aus­ge­führte Mehrar­beit ver­weigert werden.

§ 2 MTV-BZA lautet:

§ 2 Dauer der Arbeitszeit/Vollzeitarbeit

Die indi­vidu­elle regelmäßige monatliche Arbeit­szeit beträgt 151,67 Stun­den; dies entspricht ein­er durch­schnit­tlichen wöchentlichen Arbeit­szeit von 35 Stun­den. Diese muss im Durch­schnitt von 12 Kalen­der­monat­en nach Maß­gabe des § 4 erre­icht werden.

In den Fällen, in denen die Mitar­beit­er dauer­haft in ein Unternehmen mit län­ger­er Arbeits­dauer über­lassen wer­den, kön­nen die Arbeitsver­tragsparteien eine entsprechend län­gere Arbeit­szeit  (max. 40 Stunden/Woche) vere­in­baren. Die Vergü­tung wird in diesem Fall entsprechend angepasst.

Die indi­vidu­elle regelmäßige Arbeit­szeit ergibt sich aus der monatlichen Arbeit­szeit gem. Satz 1 mul­ti­pliziert mit 12.

Mit Mail vom 11.10.2010 bot der Beklagte dem Kläger an, das Arbeitsver­hält­nis durch Ver­tragsän­derung erst ab dem 12.10.2000 zu begin­nen (was der Kläger ablehnte). Am Mon­tag, den 11.10.2010 arbeit­ete der Kläger den­noch nicht und der Beklagte wies ihm auch keine Arbeit zu. Der Kläger fuhr mit seinem Pkw an diesem Tag von S. zum vorge­se­henen Über­nach­tung­sort in F‑Z. Der Beklagte bezahlte für diesen Tag Reisekosten­er­stat­tung und Fer­naus­löse, jedoch keine Arbeitsvergü­tung. An den fol­gen­den Tagen der Kalen­der­woche arbeit­ete der Kläger sodann 36 h. In der Kalen­der­woche ab dem 18.10.2010 war der Kläger auf ein­er Baustelle in F einge­set­zt. Von Mon­tag bis Don­ner­stag arbeit­ete er dort ins­ge­samt 39 h. Am Fre­itag, den 22.10.2010 wurde auf der Baustelle nicht gear­beit­et. Der Kläger unter­richtete den Dispo­nen­ten des Beklagten, der ihm für diesen Tag keinen anderen Ein­satz zuwies. Ähn­lich ver­hielt es sich in der Kalen­der­woche ab dem 1.11.2010. Der Kläger war ab Mon­tag, den 1.11.2010 bei einem Kun­den in F/M einge­set­zt. In Hes­sen ist Aller­heili­gen kein Feiertag. Der Ein­satz endete am 3.11.2010 (1.11.2010 = 8 h, 2.11.2010 = 10 h und 3.11. = 10 h). Für Don­ner­stag den 4.11.2010 rech­nete der Beklagte dem Kläger 7 Arbeitsstun­den ab, so dass für diese Kalen­der­woche 35 Arbeitsstun­den vergütet wur­den. Trotz Nach­frage des Klägers beim Dispo­nen­ten des Beklagten wurde dem Kläger für Fre­itag, den 5.11.2010, kein Arbeit­sein­satz zugewiesen. Der Kläger ver­langte mit der am 15.2.2011 ein­gere­icht­en Klage erstin­stan­zlich die Bezahlung von Annah­mev­erzugslohn (je Tag 7 h zu je 9,60 € brut­to) für den 11.10, 22. 10. Und 5.11.2010.

Der Kläger beantragte erstinstanzlich

1. Den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 201,60 € neb­st Zin­sen in Höhe von 5 Prozent­punk­ten über dem Basiszinssatz auf 134,40 € seit dem 16.11.2010 und auf weit­ere 67,20 € seit dem 16.12.2010 zu zahlen;

2. Dem Kläger vor­ab zum Zwecke der Zwangsvoll­streck­ung eine voll­streck­bare Kurzfer­ti­gung des Urteils ohne Tatbe­stand und Entschei­dungs­gründe zu erteilen, §§ 317 II Satz 1, 750 I Satz 2 ZPO.

3. Dem Kläger eine voll­streck­bare Urteil­saus­fer­ti­gung zu erteilen.

Der Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen,

weil der Kläger an den anderen Tagen der jew­eili­gen Kalen­der­woche die ver­traglich vere­in­barte regelmäßige Wochenar­beit­szeit von 35 h zugewiesen und vergütet erhal­ten habe.

Das Arbeits­gericht hat die Klage abgewiesen und die Beru­fung wegen grund­sät­zlich­er Bedeu­tung zuge­lassen. Der Beklagte habe dem Kläger auch unter Berück­sich­ti­gung der Beson­der­heit­en der Lei­har­beit die ver­trags­gerechte Arbeit zugewiesen. Wed­er der Arbeitsver­trag noch der Tar­ifver­trag enthalte Bes­tim­mungen zur täglichen Arbeit­szeit, so dass der Arbeit­nehmer nur Anspruch auf Zuweisung des Wochen­vol­u­mens habe.

Das Urteil des Arbeits­gerichts Lör­rach vom 15.6.2011 – 3 Ca 74/11 wurde dem Kläger am 1.7.2011 zugestellt. Die Beru­fung des Klägers ging am 29.7.2011 beim Lan­desar­beits­gericht ein und wurde per Fax vom 1.9.2011 begrün­det. Die Beru­fung und deren Begrün­dung sind damit rechtzeitig.

Im Beru­fungsrecht­szug macht der Kläger gel­tend, die Auf­fas­sung des Arbeits­gerichts zum Arbeit­szeitkon­to des Klägers sei mit § 3 ArbZG nicht vere­in­bar und stelle eine Umge­hung der §§ 9 ff. ArbZG dar.

Der Beklagte habe am 1.11.2010 in Wahrheit Feiertagsar­beit ange­ord­net, die nach § 8 drit­ter Spiegel­strich des Arbeitsver­trages zu vergüten sei. Erfül­lung­sort des Arbeitsver­hält­niss­es sei nach dem Arbeitsver­trag (§ 9, § 16) die Nieder­las­sung in S. Da der 1.11.2010 in Baden-Würt­tem­berg ein Feiertag sei, habe der Beklagte nach den Regelun­gen des Erfül­lung­sorts Feiertagsvergü­tung zu leis­ten. Hinzu komme, dass dem Kläger am 5.11.2010 keine Arbeit zugewiesen wor­den sei.

Für den 22.10.2010 führe die Auf­fas­sung des Arbeits­gerichts dazu, dass § 3 ArbZG unter­laufen werde. Aus­ge­hend von den Bedin­gun­gen im Entlei­her­be­trieb (§ 3 des Arbeitsver­trages) habe der Kläger am 18.10.2010 zwei Stun­den, am 19. zehn, am 20.10 und 21.10 je 3 Stun­den Mehrar­beit geleis­tet. Diese sei nach § 4.2 des ein­schlägi­gen Tar­ifver­trages dem Arbeit­szeitkon­to hinzuzufü­gen. Für den 22.10.2010 sei der Beklagte in Annah­mev­erzug geraten.

Entsprechen­des gelte für den ersten Arbeit­stag, den 11.10.2010. Der Kläger habe in der restlichen Woche entsprechend den Regelun­gen beim Kun­den­be­trieb 8 Stun­den Mehrar­beit geleis­tet, die seinem Arbeitsskon­to hinzuzurech­nen seien. Am 11.10.2010 habe der Beklagte für die Anreise die vere­in­barte Vergü­tung zu bezahlen.

Der Kläger beantragt im Berufungsrechtszug

Das Urteil des Arbeits­gerichts Lör­rach vom 15.06.2011, Az.: 3 Ca 74/11, zugestellt am 01.07.2011, aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 201,60 € neb­st Zin­sen in Höhe von 5 Prozent­punk­ten über dem Basiszinssatz auf 134,40 € seit dem 16.11.2010 und auf weit­ere 67,20 € seit dem 16.12.2010 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Beru­fung zurückzuweisen.

Soweit der Kläger auf § 3 oder § 9 des ArbZG ver­weise, sei dies nicht nachvol­lziehbar. Die tägliche Arbeit­szeit eines Arbeit­nehmers könne auf bis zu 10 h ver­längert wer­den, wenn sich das im Durch­schnitt auf 8 h aus­gle­iche. Da das Arbeit­szeit­ge­setz von Werk­ta­gen aus­ge­he, seien ins­ge­samt 48 Wochen­stun­den zuläs­sig. Diese seien im Fall des Klägers bei weit­em nicht erreicht.

Der Vergü­tungsanspruch des Klägers für den 1.11.2010 könne – wie das Arbeits­gericht zu Recht aus­führe – nicht auf § 2 EFZG gestützt wer­den. Es gehe um die Vergü­tung für den 5.11.2010, für die dem Kläger wegen Erre­ichen der Wochenar­beit­szeit keine Arbeit zuzuweisen gewe­sen sei. Zudem sei nach § 2 EFZG das Feiertagsrecht jew­eils vom Ort der tat­säch­lichen Beschäf­ti­gung abhängig.

Wegen des weit­eren Vor­brin­gens der Parteien wird auf den vor­ge­tra­ge­nen Inhalt der zwis­chen ihnen gewech­sel­ten Schrift­sätze neb­st Anla­gen und Bezug­nah­men sowie auf den Inhalt des Pro­tokolls verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Die Beru­fung des Klägers ist zuläs­sig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG statthaft und ist gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO in der geset­zlichen Form sowie gemäß § 66 ArbGG in der geset­zlichen Frist ein­gelegt und begrün­det worden.

II. Die Beru­fung des Klägers ist jedoch nicht begrün­det. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Annah­mev­erzugslohn für die stre­it­ge­gen­ständlichen Tage, weil er in den betr­e­f­fend­en Kalen­der­wochen jew­eils 35 h beschäftigt wurde. Die Vere­in­barung von Arbeit­szeitkon­ten ist auch im Lei­har­beitsver­hält­nis zuläs­sig und stellt keine nach § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG unzuläs­sige Abbe­din­gung von § 615 BGB dar.

1. Der Beru­fung ist zuzugeben, dass in Unternehmen der gewerb­smäßi­gen Arbeit­nehmerüber­las­sung der Arbeit­ge­ber bei fehlen­den Aufträ­gen grund­sät­zlich das Beschäf­ti­gungsrisiko trägt. Eine Flex­i­bil­isierung ist nur in engen Gren­zen möglich.

Es gehört ger­ade zum typ­is­chen Betrieb­srisiko eines Zeitar­beit­sun­ternehmens, dass es eventuell keine Abnehmer für die von ihm ange­bote­nen Per­sonal­dien­stleis­tun­gen find­et. Das bedeutet im Grund­satz, dass das Beschäf­ti­gungsrisiko im Rah­men der Arbeit­nehmerüber­las­sung der Ver­lei­her trägt. Diese Risikoverteilung wird an vie­len Stellen des AÜG deut­lich: § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AÜG; Zusam­men­schau der §§ 3, 9 und 10 AÜG und nicht zulet­zt § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG. Nach dieser im AÜG zum Aus­druck kom­menden Verteilung des Beschäf­ti­gungsrisikos kann der Ein­satz von Arbeit­szeitkon­ten im Lei­har­beitsver­hält­nis nicht unbe­gren­zt zuläs­sig sein (nach Thüsing/Pötters, BB 2012, 317). Die Recht­sprechung hat daher den möglichen Ein­satz von Arbeit­szeitkon­ten in der Lei­har­beits­branche eingeschränkt. Eine höch­strichter­liche Stel­lung­nahme des Bun­de­sar­beits­gerichts ste­ht noch aus, bis­lang liegen allein LAG-Entschei­dun­gen vor. Während das LAG Baden-Würt­tem­berg (Urteil vom 29.4.2009 – 17 Sa 4/09 mit zus­tim­mender Anm. Boemke, juris PR-ArbR 30/09) Arbeit­szeitkon­ten im Lei­har­beitsver­hält­nis grund­sät­zlich für zuläs­sig hält, stufte das LAG Rhein­land-Pfalz in ein­er anderen Entschei­dung (Urteil vom 24.4.2008 – 10 Sa 19/08 = EzA­ÜG § 11 AÜG Ver­lei­herpflicht Nr. 5) eine ver­tragliche Arbeit­szeitkon­tenregelung als unzuläs­sig ein. Die über­wiegende Ansicht in der Lit­er­atur (umfassende Zusam­men­stel­lung der Nach­weise bei Thüsing/Pötters, aaO, Fn. 24 — 41) stellt fest, dass ein Ver­stoß gegen § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG in Verbindung mit § 615 Satz 1 BGB auss­chei­det, wenn der Arbeit­nehmer let­ztlich stets die volle Vergü­tung erhal­ten hat. Der Arbeit­nehmer habe einen Anspruch auf eine bes­timmte Beschäf­ti­gungs­dauer mit entsprechen­den Vergü­tungsansprüchen im Kontin­gentszeitraum, aber keinen Anspruch auf eine Beschäf­ti­gung an bes­timmten Tagen.

2. Die in den §§ 3 des Arbeitsver­trages bzw. in §§ 2,4 des MTV zum Aus­druck kom­mende Arbeit­szeit­flex­i­bil­isierung ist zuläs­sig. Hier­nach hat der Kläger keinen Anspruch auf Annah­mev­erzugsvergü­tung an den stre­it­ge­gen­ständlichen Tagen. Der Beklagte ist in den betr­e­f­fend­en Kalen­der­wochen sein­er Obliegen­heit, den Kläger in ver­trags­gemäßem Umfang zur Arbeit her­anzuziehen, nachgekommen.

Der Ein­satz von Arbeit­szeitkon­ten führt ger­ade nicht zum Auss­chluss des Annah­mev­erzugslohnes und damit zu einem Ver­stoß gegen § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG in Verbindung mit § 615 Satz 1 BGB. Denn wenn – wie hier — der Arbeit­ge­ber die ver­traglich ver­sproch­ene Vergü­tung für die ver­traglich geregelte Wochenar­beit­szeit voll­ständig zahlt, liegt kein Ver­stoß gegen § 615 Satz 1 BGB vor. Das fol­gt unmit­tel­bar aus dem Wort­laut und wird durch tele­ol­o­gis­che Erwä­gun­gen gestützt. Ein Abfed­ern von Spitzen­zeit­en, in denen Über­stun­den anfall­en und eine Flex­i­bil­isierung der Arbeit­szeit sind legit­ime Anliegen des Ver­lei­hers. Sie dienen auch nicht nur allein dem Arbeit­ge­ber­in­ter­esse, son­dern sich­ern zugle­ich die Kon­ti­nu­ität der Vergü­tung des Arbeit­nehmers und führen vor allem auch zur Sicherung von (unbe­fris­teten) Arbeit­splätzen (Schüren/Hamann/Schüren, 4. Auflage 2010, § 11 AÜG Rn. 113). Es war erk­lärter Wille der Tar­ifver­tragsparteien DGB und BZA bei der Schaf­fung von Arbeit­szeitkon­tenregelun­gen diesem beschäf­ti­gungssich­ern­den Aspekt Rech­nung zu tra­gen (Thüsing/Pötters, aaO, S. 320). Damit kann davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass jeden­falls im Gel­tungs­bere­ich des MTV DGB-BZA die nur gradu­elle Ver­lagerung des Beschäf­ti­gungsrisikos – wie sie mit jed­er Maß­nahme der Arbeit­szeit­flex­i­bil­isierung ein­herge­ht – durch gewichtige Arbeit­ge­ber- und Arbeit­nehmer­in­ter­essen gerecht­fer­tigt wer­den kann.

Nur wenn — wie in dem vom LAG Rhein­land-Pfalz entsch­iede­nen Fall (30-Wochen­stun­den-Ver­trag)– bei der Fest­set­zung der regelmäßi­gen Wochenar­beit­szeit bewusst eine zu niedrige Stun­den­zahl ange­set­zt würde, kön­nte Miss­brauch der zuläs­si­gen Arbeit­szeitkon­tenregelung vor­liegen (eben­so Thüsing/Pötters, aaO, Seite 320). Der Kläger hat einen tar­ifgemäßen 35-Wochen­stun­den­ver­trag, so dass Miss­brauch ausscheidet.

3. Ent­ge­gen der Aus­führun­gen des Klägers ist ein Ver­stoß gegen die Gren­zen des Arbeit­szeit­ge­set­zes nicht erkennbar.

§ 2 MTV BZA-DGB sieht als Regelfall eine 35- Stun­den-Woche vor. Bei ein­er dauer­haften Über­las­sung kön­nen auch 40-Stun­den-Wochen für diesen Ein­satz geregelt sein. Der Tar­ifver­trag bewegt sich damit unter­halb der Schwelle des § 3 ArbZG. Der Auf­bau von Plusstun­den jen­seits der 35-Stun­den-Woche ist bei max­i­mal 200 h gedeck­elt, 230 Plusstun­den sind allein zur Beschäf­ti­gungssicherung bei saisonalen Schwankun­gen möglich (§ 4.3  MTV BZA-DGB). § 5 MTV BZA-DGB ver­weist aus­drück­lich auf § 7 ArbZG, soweit der Lei­har­beit­nehmer in Kun­den­be­trieben mit Arbeits­bere­itschaft oder Bereitschaftsdienst/Rufbereitschaft einge­set­zt wird. Es wer­den also lediglich die geset­zlichen Rah­menbe­din­gun­gen nachgeze­ich­net. Der in § 4.4 MTV BZA-DGB vorge­se­hene Aus­gle­ich­szeitraum von zwölf Monat­en ist eben­falls unbe­den­klich, solange die geset­zliche Höch­star­beit­szeit (48 h pro Woche, 10 h pro Tag), worauf der Beklagte zu Recht hin­weist, einge­hal­ten wird.

4. Der Kläger verken­nt zudem die Wer­tun­gen des § 12 TZBfG.

Nach § 12 Abs. 3 TzBfG kann durch Tar­ifver­trag eine Pflicht zur Leis­tung von Arbeit auf Abruf normiert wer­den. Dabei ist auch ein Abwe­ichen zu Ungun­sten des Arbeit­nehmers von den geset­zlichen Bes­tim­mungen möglich. Eine tar­i­fliche Norm über die tägliche und wöchentliche Arbeit­szeit kann etwa auch Band­bre­it­en­regelun­gen oder Durch­schnittsregelun­gen vorse­hen (aus­führliche Nw. zu den tar­ifver­traglichen Gestal­tungsmöglichkeit­en siehe Thüsing/Pötters, aaO, Fn. 59 und 60). Durch das Arbeit­szeitkon­to des MTV BZA-DGB wird eine Durch­schnittsregelung geschaf­fen. Die konkrete Lage der Arbeit­szeit ist inner­halb der Gren­zen des ArbZG vari­abel. Hier kann es also dur­chaus sein, dass in ein­er Woche gar nicht gear­beit­et wird, wenn sich keine Entlei­her find­et. Damit ist aber für diese Woche ger­ade nicht der Anspruch auf Vergü­tung der üblichen Arbeit­szeit reduziert. Im Gegen­zug kann es sein, dass u.U. weit über die 35-Stun­den-Woche hin­aus Über­stun­den geleis­tet wer­den müssen (je nach der Regelung beim Entlei­her), die in das Arbeit­szeitkon­to gebucht werden.

Damit ist den Aus­führun­gen des Arbeits­gerichts zuzus­tim­men. Der Kläger hat nur Anspruch auf Zuweisung der ver­trags­gerecht­en Arbeit. Er hat keinen Anspruch darauf, Über­stun­den zu leis­ten und die Basis­ar­beit­szeit über Annah­mev­erzug abzudeck­en. Die Min­destar­beit­szeit beträgt 35 h pro Woche und diese Arbeit wurde dem Kläger zugewiese­nen. Eine fixe Bes­tim­mung zur täglichen Arbeit­szeit enthält wed­er der Arbeitsver­trag noch der Tar­ifver­trag. Inner­halb ein­er Kalen­der­woche ist damit ein flex­i­bler Arbeit­sein­satz zuläs­sig. Ein Anspruch des Klägers, in jedem Arbeit­stag (von Mon­tag bis Fre­itag) oder zumin­d­est an fünf Arbeit­sta­gen je Woche min­destens zu je 7 h einge­set­zt zu wer­den, ist nicht ersichtlich. Damit war der Beklagte nicht verpflichtet, den Kläger an den hier inter­essieren­den Tagen 11. Okto­ber, 22. Okto­ber und 5.11.2010 zur Arbeit her­anzuziehen und geri­et auch nicht in Annahmeverzug.

5. Schließlich helfen dem Kläger auch die Schranken des AGB-Rechts nicht weiter.

Angesichts der in der Zeitar­beits­branche beste­hen­den Tar­ifverträge ist stets genau zu prüfen, ob der Anwen­dungs­bere­ich der Vorschriften des AGB-Rechts über­haupt eröffnet ist. Ist eine tar­ifver­tragliche Regelung ein­schlägig, find­et gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB eine inhaltliche Über­prü­fung solch­er Klauseln grund­sät­zlich nicht statt. Dies bedeutet zunächst, dass die Tar­ifverträge selb­st kein­er AGB-Kon­trolle nicht unter­liegen. Zugle­ich und vor allem sind aber auch einzelver­tragliche Klauseln, die eine tar­i­fliche Regelung lediglich wieder­holen oder auf den Tar­ifver­trag ver­weisen, von ein­er Inhalt­skon­trolle nach §§ 307 ff. BGB befreit.

So liegt der Fall hier. Die Arbeit­szeitregelung in § 3 des Arbeitsver­trages wieder­holt lediglich § 2 und § 4 des MTV BZA-DGB.

III. Die Koste­nentschei­dung fol­gt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten der erfol­g­los ein­gelegten Beru­fung zu tra­gen. Die Revi­sion ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuge­lassen wor­den. Der Rechtsstre­it wirft eine entschädi­gungser­he­bliche Rechts­frage von grund­sät­zlich­er Bedeu­tung auf, näm­lich die Frage, ob und in welchem Umfang auch im Lei­har­beitsver­hält­nis Arbeit­szeitkon­ten zuläs­sig sind.