9. März 2015
Was zählt zum gesetzlichen Mindestlohn?
Eine Schwierigkeit, vor die Arbeitgeber bei der Berechnung des Mindestlohns gestellt werden und die sich alleine mit Hilfe des Gesetzestextes nicht beantworten lässt, ist die Frage, ob und wenn ja welche variablen Vergütungsbestandteile auf den Mindestlohn anrechenbar sind.
Die Bundesregierung hielt eine ausdrückliche Regelung dieser Frage im Mindestlohngesetz für entbehrlich und verwies auf die vom Europäischen Gerichtshof und dem Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätze zum Mindestentgeltsatz des AEntG (vgl. insb. EuGH NZA 2005, 573 — Kommission/Deutschland; EuGH NZA 2013, 1359 – Isbir) . Da der Mindestlohn nach dem MiLoG einen „Mindestentgeltsatz“ im Sinne des § 2 Nr.1 AEntG darstelle, seien die Grundsätze übertragbar. Demzufolge anrechenbar sind alle Vergütungsbestandteile, die die reguläre Arbeitsleistung vergüten. Auf dieser Grundlage ergibt sich je nach Zweck der Vergütung ein differenziertes Bild.
Unter bestimmten Voraussetzungen berücksichtigt werden können:
- Zulagen und Zuschläge, mit denen ausschließlich die vorgesehene Normalleistung vergütet wird.
- Spät‑, Sonn- und Feiertagszuschläge.
- Einmalzahlungen wie Weihnachtsgeld/ zusätzliches Urlaubsentgelt werden als Bestandteil des Mindestlohns gewertet, wenn der Arbeitnehmer den auf die Entsendezeit entfallenden anteiligen Betrag jeweils zu dem für den Mindestlohn maßgeblichen Fälligkeitsdatum tatsächlich und unwiderruflich ausbezahlt erhält.
- Überstundenzuschläge, wenn der Arbeitsgeber zur Zahlung von Überstundenzuschlägen verpflichtet ist. In diesem Fall reicht es aus, wenn der tatsächlich gezahlte Lohn einschließlich der Überstundenzuschläge mindestens die Summe aus dem tariflich vorgeschriebenen Mindestlohn und dem tariflich vorgeschriebenen Überstundenzuschlag ergibt.
- Zulagen, die bei leistungsabhängigen Vergütungsmodellen wie Stück- oder Akkordlöhnen ergänzend gezahlt werden, um im Ergebnis einen Stundenlohn von mindestens 8,50 Euro zu erzielen.
- Geldwerte Sachleistungen nur wenn die Anrechnung dem Interesse des AN oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht (§ 107 Abs.2 GewO).
- Aufwendungsersatz nur soweit er einen echten Entgeltbestandteil darstellt (beispielsweise die für die Zurücklegung des Weges erforderliche Zeit vergütet wird).
- Zulagen bei der Entsendung, die im Arbeitsvertrag eines aus dem Ausland entsandten Arbeitnehmers als Differenz zwischen dem in seinem Herkunftsstaat und dem im Aufnahmestaat Deutschland geschuldeten Mindestlohn ausgewiesen sind.
Beispiele für Zulagen und Zuschläge, die nicht berücksichtigt werden, sind:
- Zulagen und Zuschläge, die über die bereits vergütete Leistung hinaus für zusätzliche Leistungen/Erschwernisse gezahlt werden:
- Zuschläge für besondere Leistungen (Akkordprämien; Qualitätsprämien)
- Zuschläge für besondere Arbeitszeiten (z.B. Nachtzuschläge, Überstunden, Sonn- oder Feiertagsarbeit)
- Zuschläge für besondere Erschwernisse (z.B. Schmutzzulagen, Gefahrenzulagen)
- Sonstige Zulagen und Zuschläge, die eine vertraglich nicht geschuldete Zusatzleistung ausgleichen.
- Aufwendungsersatz, der kein echter Entgeltbestandteil ist und nur der Erstattung für im Rahmen des Arbeitsverhältnisses tatsächlich entstandenen Kosten wie Reise‑, Unterbringungs- und Verpflegungskosten dient. Dies betrifft auch (im Recht ausländischer Staaten oft vorgesehene) Entsendezulagen.
- Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung und sonstige vermögenswirksame Leistungen.
Praxistipp: Es ist zu erwarten, dass auch der Zoll seine zum AEntG entwickelte Prüfpraxis auf die Kontrollen nach dem Mindestlohngesetz übertragen wird. Zur konkreten Berechnung des Mindestlohns sollten sich Arbeitgeber daher an den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs zur Entsende-Richtlinie orientieren. Eines der ersten Urteile zum Mindestlohngesetz des Arbeitsgerichts Berlin vom 04.03.2015 (Az 54 Ca 14420/14) bestätigt diese Einschätzung. Dort wurde entschieden, dass der Arbeitgeber ein zusätzliches Urlaubsgeld und eine jährliche Sonderzahlung nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen darf, da diese nicht dem Zweck dienen, unmittelbar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu entgelten.
Die einzelnen Vergütungsbestandteile im Überblick: