14. April 2011

Kündigungsbefugnis im Arbeitsvertrag

BAG – 14.04.2011 – 6 AZR 727/09 | Die bloße Mit­teilung im Arbeitsver­trag, dass der jew­eilige Inhab­er ein­er bes­timmten Funk­tion kündi­gen dürfe, ist nicht aus­re­ichend. Erforder­lich ist vielmehr ein zusät­zlich­es Han­deln des Voll­macht­ge­bers, auf­grund dessen es dem Empfänger der Kündi­gungserk­lärung möglich ist, der ihm genan­nten Funk­tion, mit der das Kündi­gungsrecht ver­bun­den ist, die Per­son des jew­eili­gen Stel­len­in­hab­ers zuzuordnen.

Tenor

1. Die Revi­sion der Beklagten gegen das Urteil des Hes­sis­chen Lan­desar­beits­gerichts vom 24. August 2009 — 16 Sa 2254/08 — wird hin­sichtlich eines Schadenser­satz­be­trages von 29,88 Euro ver­wor­fen und im Übri­gen zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revi­sion zu tragen.

Tatbe­stand

Die Parteien stre­it­en noch über den Zeit­punkt der Beendi­gung des Arbeitsver­hält­niss­es sowie über hier­von abhängige Vergütungsansprüche.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 1. April 2008 auf­grund eines bis zum 31. März 2009 befris­teten Arbeitsver­trags als Reini­gungskraft im Rah­men ein­er ger­ingfügi­gen Beschäf­ti­gung gegen ein Monat­sent­gelt von 350,00 Euro tätig. Die tägliche Arbeit­szeit betrug zwei Stun­den bei ein­er Sechs-?Tage-?Woche.

Der Arbeitsver­trag der Parteien, in dem unter Ziff. 13 ein Kündi­gungsrecht vere­in­bart ist, lautet auszugsweise wie folgt:

„…

14. Schluss­be­stim­mungen

Eine Kündi­gung des Arbeits­ver­hält­nisses kann auch durch den Objekt­leiter/Nieder­las­sungs­leiter ausge­sprochen werden.

…“

Mit einem der Klägerin am sel­ben Tag zuge­gan­genen Schreiben vom 25. August 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsver­hält­nis ordentlich zum 8. Sep­tem­ber 2008. Das Kündi­gungss­chreiben war unterze­ich­net mit:

„i. V. [Unter­schrift]

D C

Nieder­las­sungs­leiter

Herr C ist, wie im Ver­lauf des Rechtsstre­its unstre­it­ig gewor­den ist, seit dem 1. April 2000 der für die Klägerin zuständi­ge Nieder­las­sungsleit­er. Die Klägerin hat­te vor der Kündi­gungserk­lärung zu ihm kein­er­lei beru­flichen Kon­takt und kan­nte ihn nicht. Sie wusste bis zu diesem Zeit­punkt auch nicht, dass er die Stel­lung eines Nieder­las­sungsleit­ers innehatte.

Mit einem der Beklagten am Fol­ge­tag zuge­gan­genen Schreiben vom 28. August 2008 wies die Klägerin die Kündi­gung ua. wegen der Nichtvor­legung ein­er Voll­macht­surkunde zurück. Zwis­chen den Parteien ist unstre­it­ig, dass das Arbeitsver­hält­nis spätestens mit Befris­tungsablauf am 31. März 2009 geen­det hat.

Mit ihrer am 5. Sep­tem­ber 2008 bei Gericht einge­gan­genen Kündi­gungss­chutzk­lage hat die Klägerin gel­tend gemacht, die Kündi­gung sei gemäß § 174 Satz 1 BGB unwirk­sam. Sie sei nicht davon in Ken­nt­nis geset­zt wor­den, wer der im Arbeitsver­trag erwäh­nte Nieder­las­sungsleit­er sei.

Mit mehreren Klageer­weiterun­gen hat die Klägerin in der Beru­fungsin­stanz die auf Basis des tar­i­flichen Min­dest­stun­den­lohns von 8,15 Euro errech­nete Annah­mev­erzugsvergü­tung für den Zeitraum Sep­tem­ber 2008 bis März 2009, Urlaubs(teil-?)abgeltung für das Jahr 2009 sowie Schadenser­satz für nicht gewährten Urlaub für das Jahr 2008 eingeklagt. Die Beklagte hat 165,72 Euro brut­to als Urlaub­sabgel­tung für zwölf Tage Urlaub des Urlaub­s­jahres 2008 gezahlt. Insoweit haben die Parteien den Rechtsstre­it in der Beru­fungsin­stanz übere­in­stim­mend für erledigt erklärt.

Die Klägerin hat, soweit für die Revi­sion von Bedeu­tung, zulet­zt beantragt

festzu­stellen, dass das Arbeits­ver­hältnis der Parteien durch die Kündi­gung der Beklagten vom 25. August 2008 nicht aufgelöst wor­den ist;

die Beklagte zu verur­teilen, an die Klägerin 1.855,48 Euro brut­to neb­st im Einzel­nen aufge­führten Zinsbe­trägen zu zahlen.

Die Beklagte hat ihren Klage­ab­weisungsantrag darauf gestützt, dass die Klägerin mit dem Hin­weis im Arbeitsver­trag auf die Kündi­gungs­berech­ti­gung des Nieder­las­sungsleit­ers aus­re­ichend von dessen Bevollmäch­ti­gung in Ken­nt­nis geset­zt wor­den sei. Durch das Kündi­gungss­chreiben sei ihr die Stel­lung des Erk­lären­den bekan­nt gewe­sen. Da das Arbeitsver­hält­nis durch die Kündi­gung zum 8. Sep­tem­ber 2008 been­det wor­den sei, bestün­den keine weit­eren Zahlungsansprüche.

Das Arbeits­gericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Beru­fung der Klägerin hat das Lan­desar­beits­gericht nach dem Fest­stel­lungsantrag erkan­nt und der Zahlungsklage in dem noch stre­it­i­gen Umfang stattgegeben. Mit der vom Lan­desar­beits­gericht nur für die Beklagte zuge­lasse­nen Revi­sion ver­fol­gt diese ihr Ziel auf Klage­ab­weisung weit­er. Darüber hin­aus hat sie widerk­la­gend beantragt,

die Klägerin zu verur­teilen, an die Beklagte 1.855,48 Euro neb­st im Einzel­nen aufge­führten Zinsbe­trägen zu zahlen.

Mit dieser Widerk­lage macht sie die Rück­zahlung der von ihr zur Abwen­dung der Zwangsvoll­streck­ung aus dem Urteil des Lan­desar­beits­gerichts geleis­teten Zahlun­gen geltend.

Entschei­dungs­gründe

A. Die Revi­sion ist hin­sichtlich der mit ihr ange­grif­f­e­nen Verurteilung zur Zahlung nur teil­weise zulässig.

I. Die Revi­sion set­zt sich mit den Aus­führun­gen des Lan­desar­beits­gerichts zu den von ihm zuge­sproch­enen Zahlungsansprüchen nicht im Einzel­nen auseinan­der, son­dern beschränkt sich auf den Satz, dass diese Zahlungsansprüche nicht bestün­den, weil das Arbeitsver­hält­nis der Parteien am 8. Sep­tem­ber 2008 been­det wor­den sei. Das genügt den an die Revi­sions­be­grün­dung zu stel­len­den Anforderun­gen insoweit, als die Begrün­de­theit der Zahlungsansprüche den­knotwendig von dem Bestand des Arbeitsver­hält­niss­es abhängt (vgl. Sen­at 18. Novem­ber 2010 — 6 AZR 273/10 — Rn. 34).

Dage­gen ist die Revi­sion unzuläs­sig, soweit in dem vom Lan­desar­beits­gericht der Klägerin zuge­sproch­enen Schadenser­satzanspruch für den unterge­gan­genen Urlaub des Jahres 2008 auch der selb­st unter Zugrun­dele­gung der Recht­sauf­fas­sung der Beklagten beste­hende Teil­urlaub nach § 5 Abs. 1 Buchst. b BUrlG enthal­ten ist. Das Lan­desar­beits­gericht hat der Klägerin insoweit unter Zugrun­dele­gung des geset­zlichen Min­dest­lohns pro Tag 16,30 Euro brut­to und nicht lediglich, wie von der Beklagten bei der Berech­nung dieses Teil­urlaub­sanspruchs angenom­men, 13,81 Euro brut­to zuerkan­nt. In Höhe der Dif­ferenz von ins­ge­samt 29,88 Euro brut­to für die von der Beklagten abge­golte­nen zwölf Urlaub­stage hängt der Zahlungsanspruch nicht davon ab, ob die Beklagte mit ihrer Recht­sauf­fas­sung zu § 174 BGB in der Revi­sion Erfolg hat. Darum wäre insoweit für die Zuläs­sigkeit der Revi­sion ein geson­dert­er Revi­sion­san­griff erforder­lich gewe­sen. Ein solch­er ist nicht erfolgt.

II. Der mit dem Widerk­lageantrag ver­fol­gte Anspruch aus § 717 Abs. 3 ZPO kann auch im arbeits­gerichtlichen Ver­fahren (BAG 23. Dezem­ber 1961 — 5 AZR 53/61 — BAGE 12, 158, 166; Sen­at 5. Novem­ber 1981 — 6 AZR 577/79 -?) und, soweit wie hier der Haupt­sacheanspruch noch recht­shängig ist, noch in der Revi­sion­sin­stanz gestellt wer­den (Wieczorek/Schütze/Heß ZPO 3. Aufl. § 717 Rn. 31; Zöller/Herget ZPO 27. Aufl. § 717 Rn. 13; vgl. BAG 1. August 2001 — 4 AZR 298/00 — EzBAT BAT §§ 22, 23 B. 1 All­ge­mein­er Ver­wal­tungs­di­enst VergGr. IVb Nr. 27; BGH 29. Okto­ber 1980 — VIII ZR 148/79 — NJW 1981, 222). Es han­delt sich um einen sein­er Art nach prozess­rechtlichen Anspruch, dessen Umfang durch die materiell-?rechtlichen Vorschriften der §§ 812 ff. BGB bes­timmt wird. Er kann nach Wahl des Antrag­stellers als Inzi­den­tantrag (BAG 23. Dezem­ber 1961 — 5 AZR 53/61 — aaO; BGH 4. Novem­ber 1981 — VIII ZR 215/80 — NJW 1982, 435), aber auch im Wege der Widerk­lage ver­fol­gt wer­den (vgl. Sen­at 29. Feb­ru­ar 1996 — 6 AZR 381/95 — AP TV Ang Bun­de­spost § 16 Nr. 1 = EzBAT BAT § 72 Nr. 6 für § 717 Abs. 2 ZPO; Zöller/Herget ZPO 27. Aufl. § 717 Rn. 13, 18 und Zöller/Vollkommer aaO § 33 Rn. 10; MünchKommZPO/Krüger 3. Aufl. § 717 Rn. 32).

Sinn von § 717 Abs. 3 ZPO ist es, nach Aufhe­bung des die Voll­streck­ung ermöglichen­den Urteils Ver­mö­gensver­schiebun­gen, die ohne Rechts­grund­lage erfol­gt sind, so schnell wie möglich rück­gängig zu machen. Der Voll­streck­ungss­chuld­ner soll nicht darunter lei­den, dass der Gläu­biger sich durch vor­eilige Aus­nutzung der ihm vom Staat durch die vor­läu­fige Voll­streck­barkeit des Urteils eingeräumten Macht­stel­lung in den Genuss der Urteilssumme geset­zt hat (BAG 23. Dezem­ber 1961 — 5 AZR 53/61 — BAGE 12, 158, 167 f.). Bis zur Urteil­saufhe­bung durch das Revi­sion­s­gericht beste­ht der Bere­icherungsanspruch nur bed­ingt. Die Urteil­saufhe­bung ist ein inner­prozes­suales Ereig­nis, ohne dessen Ein­tritt über den Antrag nach § 717 Abs. 3 ZPO nicht zu befind­en ist. Aus­ge­hend davon han­delt es sich bei diesem Antrag in jedem Fall um einen Even­tu­alantrag (vgl. Krafft JuS 1997, 734, 737).

B. Im Umfang ihrer Zuläs­sigkeit ist die Revi­sion unbe­grün­det. Das Lan­desar­beits­gericht hat zutr­e­f­fend fest­gestellt, dass das Arbeitsver­hält­nis der Parteien nicht durch die Kündi­gung der Beklagten vom 25. August 2008 been­det wor­den ist. Daraus ergeben sich die vom Lan­desar­beits­gericht zuge­sproch­enen Zahlungsansprüche aus Annah­mev­erzug und Schadenser­satz für die unterge­gan­genen Urlaubs- bzw. Urlaub­sabgel­tungsansprüche. Der im Wege der Even­tu­al­widerk­lage erhobene Anspruch aus § 717 Abs. 3 ZPO ist damit nicht zur Entschei­dung angefallen.

I. Die Kündi­gung der Beklagten vom 25. August 2008 ist gemäß § 174 Satz 1 BGB unwirk­sam, weil ihr keine Voll­macht­surkunde beige­fügt war und die Klägerin die Kündi­gung deswe­gen unverzüglich zurück­gewiesen hat. Das Zurück­weisungsrecht war nicht nach § 174 Satz 2 BGB aus­geschlossen. Die Beklagte hat die Klägerin über das Kündi­gungsrecht des Nieder­las­sungsleit­ers C nicht aus­re­ichend in Ken­nt­nis gesetzt.

1. Nach § 174 Satz 1 BGB ist ein ein­seit­iges Rechts­geschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vorn­immt, unwirk­sam, wenn der Bevollmächtigte eine Voll­macht­surkunde nicht vor­legt und der andere das Rechts­geschäft aus diesem Grund unverzüglich zurück­weist. Das Zurück­weisungsrecht ist nach § 174 Satz 2 BGB nur dann aus­geschlossen, wenn der Voll­macht­ge­ber dem Erk­lärungsempfänger die Bevollmäch­ti­gung vorher mit­geteilt hat. Folge der Zurück­weisung nach § 174 Satz 1 BGB ist — unab­hängig vom Beste­hen der Voll­macht — die Unwirk­samkeit des Rechts­geschäfts. Eine Heilung oder Genehmi­gung nach § 177 BGB schei­det aus (Sen­at 20. Sep­tem­ber 2006 — 6 AZR 82/06 — Rn. 33, BAGE 119, 311).

2. Der Kündi­gungserk­lärung des Nieder­las­sungsleit­ers C im Schreiben vom 25. August 2008 war keine auf ihn lau­t­ende Voll­macht­surkunde beige­fügt. Die Klägerin hat die ihr am Mon­tag, dem 25. August 2008, zuge­gan­gene Kündi­gung aus diesem Grunde mit einem bei der Beklagten am Fre­itag, dem 29. August 2008, einge­gan­genen Schreiben und damit noch unverzüglich iSd. § 174 Satz 1 BGB zurück­gewiesen. Die Zeit zwis­chen dem 25. und dem 29. August 2008 hat das Lan­desar­beits­gericht rechts­fehler­frei als angemessene Über­legungs­frist und Frist zur Ein­hol­ung von Recht­srat ange­se­hen. Es sind keine Umstände des Einzelfalls ersichtlich, die auf ein schuld­haftes Zögern der Klägerin schließen lassen (vgl. BAG 30. Mai 1978 — 2 AZR 633/76 — AP BGB § 174 Nr. 2 = EzA BGB § 174 Nr. 2).

3. Das Zurück­weisungsrecht war nicht gemäß § 174 Satz 2 BGB aus­geschlossen. Die bloße Kundgabe der dem jew­eili­gen Nieder­las­sungsleit­er zur Erk­lärung von Kündi­gun­gen erteil­ten Innen­voll­macht in den Schluss­bes­tim­mungen des Arbeitsver­trags reichte nicht aus, um die Klägerin von dessen Bevollmäch­ti­gung in Ken­nt­nis zu set­zen. Dafür hätte es eines weit­eren Han­delns der Beklagten bedurft, durch das der Klägerin zumin­d­est aufgezeigt wor­den wäre, auf welche Weise sie den Namen des aktuellen Nieder­las­sungsleit­ers erfahren könne. Das ergibt sich aus dem Zweck des § 174 BGB.

a) § 174 BGB ste­ht im Zusam­men­hang mit dem Ver­bot voll­macht­losen Han­delns bei ein­seit­i­gen Rechts­geschäften (§ 180 Satz 1 BGB). Hat der Vertreter wie im vor­liegen­den Fall Vertre­tungs­macht, ist die Vertre­tung zwar zuläs­sig. Ohne Nach­weis dieser Voll­macht weiß der Empfänger aber nicht, ob das ihm gegenüber vorgenommene ein­seit­ige Rechts­geschäft wirk­sam ist. § 174 BGB dient dazu, klare Ver­hält­nisse zu schaf­fen (MünchKommBGB/Schramm 5. Aufl. § 174 Rn. 1; Soergel/Leptien BGB 13. Aufl. § 174 Rn. 1). Der Erk­lärungsempfänger ist zur Zurück­weisung der Kündi­gung berechtigt, wenn er keine Gewis­sheit hat, dass der Erk­lärende wirk­lich bevollmächtigt ist und sich der Arbeit­ge­ber dessen Erk­lärung tat­säch­lich zurech­nen lassen muss (BAG 29. Okto­ber 1992 — 2 AZR 460/92 — zu II 2 a der Gründe, AP BGB § 174 Nr. 10 = EzA BGB § 174 Nr. 10). Der Empfänger ein­er ein­seit­i­gen Wil­lenserk­lärung soll nicht nach­forschen müssen, welche Stel­lung der Erk­lärende hat und ob damit das Recht zur Kündi­gung ver­bun­den ist oder üblicher­weise ver­bun­den zu sein pflegt. Er soll vor der Ungewis­sheit geschützt wer­den, ob eine bes­timmte Per­son bevollmächtigt ist, das Rechts­geschäft vorzunehmen (Sen­at 20. Sep­tem­ber 2006 — 6 AZR 82/06 — Rn. 46, 52, BAGE 119, 311). Das Inken­nt­nis­set­zen nach § 174 Satz 2 BGB muss darum ein gle­ich­w­er­tiger Ersatz für die fehlende Vor­lage der Voll­macht­surkunde sein (vgl. BAG 20. August 1997 — 2 AZR 518/96 — zu II 3 b bb der Gründe, AP BGB § 620 Kündi­gungserk­lärung Nr. 11 = EzA BGB § 174 Nr. 12).

b) Aus­ge­hend von diesem Zweck des § 174 BGB reicht für ein Inken­nt­nis­set­zen iSd. § 174 Satz 2 BGB die bloße Mit­teilung im Arbeitsver­trag, dass der jew­eilige Inhab­er ein­er bes­timmten Stelle kündi­gen dürfe, nicht aus. Erforder­lich ist vielmehr ein zusät­zlich­es Han­deln des Voll­macht­ge­bers, auf­grund dessen es dem Empfänger der Kündi­gungserk­lärung möglich ist, der ihm genan­nten Funk­tion, mit der das Kündi­gungsrecht ver­bun­den ist, die Per­son des jew­eili­gen Stel­len­in­hab­ers zuzuordnen.

aa) Nach ständi­ger Recht­sprechung des Bun­de­sar­beits­gerichts liegt ein Inken­nt­nis­set­zen iSd. § 174 Satz 2 BGB vor, wenn der Arbeit­ge­ber bes­timmte Mitar­beit­er — zB durch die Bestel­lung zum Prokuris­ten, Gen­er­al­bevollmächtigten oder Leit­er der Per­son­al­abteilung — in eine Stelle berufen hat, die üblicher­weise mit dem Kündi­gungsrecht ver­bun­den ist (seit 30. Mai 1972 — 2 AZR 298/71 — BAGE 24, 273). Dabei reicht allerd­ings die bloße Über­tra­gung ein­er solchen Funk­tion nicht aus, wenn diese Funk­tion­süber­tra­gung auf­grund der Stel­lung des Bevollmächtigten im Betrieb nicht ersichtlich ist und auch keine son­stige Bekan­nt­machung erfol­gt (BAG 20. August 1997 — 2 AZR 518/96 — zu II 3 b bb der Gründe, AP BGB § 620 Kündi­gungserk­lärung Nr. 11 = EzA BGB § 174 Nr. 12). Vielmehr ist es erforder­lich, dass der Erk­lärungsempfänger davon in Ken­nt­nis geset­zt wird, dass der Erk­lärende diese Stel­lung tat­säch­lich innehat (Sen­at 20. Sep­tem­ber 2006 — 6 AZR 82/06 — Rn. 49, BAGE 119, 311; BAG 29. Okto­ber 1992 — 2 AZR 460/92 — zu II 2 a der Gründe, AP BGB § 174 Nr. 10 = EzA BGB § 174 Nr. 10; vgl. auch 9. Mai 1985 — 2 AZR 355/84 — zu III 5 b aa der Gründe; BGH 20. Okto­ber 2008 — II ZR 107/07 — Rn. 11, 14, NJW 2009, 293). Diese Notwendigkeit ergibt sich daraus, dass die Beru­fung eines Mitar­beit­ers auf die Stelle eines Per­son­alleit­ers oder eine ähn­liche Stelle zunächst ein rein intern­er Vor­gang ist. Ein Inken­nt­nis­set­zen iSd. § 174 Satz 2 BGB ver­langt aber begriff­s­notwendig auch einen äußeren Vor­gang, der diesen inneren Vor­gang öffentlich macht und auch die Arbeit­nehmer erfasst, die erst nach ein­er eventuell im Betrieb bekan­nt gemacht­en Beru­fung des kündi­gen­den Mitar­beit­ers in eine mit dem Kündi­gungsrecht ver­bun­dene Funk­tion eingestellt wor­den sind (vgl. Lux NZA-?RR 2008, 393, 395 f.).

bb) Ist nach ein­er öffentlich bekan­nt gemacht­en Satzung oder einem öffentlich bekan­nt gemacht­en Erlass mit dem Bek­lei­den ein­er bes­timmten Funk­tion die Kündi­gungs­befug­nis ver­bun­den, muss sich der Erk­lärungsempfänger zwar die Ken­nt­nis der Satzung oder des Erlass­es, aus dem sich das Beste­hen der Vertre­tungs­macht als solch­er, dh. das Kündi­gungsrecht des jew­eili­gen Inhab­ers der in der Satzung oder im Erlass genan­nten Stelle, zurech­nen lassen (Sen­at 20. Sep­tem­ber 2006 — 6 AZR 82/06 — Rn. 50, BAGE 119, 311; BAG 18. Okto­ber 2000 — 2 AZR 627/99 — BAGE 96, 65, 69). Den Anforderun­gen des § 174 Satz 2 BGB ist aber auch in dieser Kon­stel­la­tion erst dann genügt, wenn der Erk­lärungsempfänger von der Per­son des Stel­len­in­hab­ers in Ken­nt­nis geset­zt ist. Dabei genügt es nicht, dass sich die Zuord­nung der Per­son zur Funk­tion aus öffentlich zugänglichen Quellen ergibt. Erforder­lich ist vielmehr ein zusät­zlich­es Han­deln des Vertrete­nen zur Infor­ma­tion des Arbeit­nehmers. Dafür reicht es aus, den Arbeit­nehmer aufzu­fordern, sich über die Organ­i­sa­tion­sstruk­tur aus den ihm übergebe­nen Unter­la­gen oder dem ihm zugänglichen Intranet zu informieren, sofern sich aus diesen Quellen ergibt, wer die mit der Vertre­tungs­macht ver­bun­dene Funk­tion konkret bek­lei­det (Sen­at 20. Sep­tem­ber 2006 — 6 AZR 82/06 — aaO).

cc) Kündigt ein Prokurist, ist die Zurück­weisung der Kündi­gung nach § 174 BGB zwar auch dann aus­geschlossen, wenn der Erk­lärungsempfänger keine Ken­nt­nis von der Erteilung der Proku­ra bzw. der Prokuris­ten­stel­lung hat und der Vertreter ohne Hin­weis auf seine Proku­ra han­delt. In dieser Kon­stel­la­tion wird jedoch die nach § 174 Satz 2 BGB erforder­liche Ken­nt­nis des Erk­lärungsempfängers von der Bevollmäch­ti­gung im Inter­esse der Sicher­heit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs nach der Ein­tra­gung der Proku­ra in das Han­del­sreg­is­ter durch § 15 Abs. 2 HGB fin­giert. Auf­grund der Regelung in § 15 Abs. 2 Satz 1 HGB muss sich der Dritte so behan­deln lassen, als ob er die länger als 15 Tage einge­tra­gene Tat­sache ken­nt (BAG 11. Juli 1991 — 2 AZR 107/91 — AP BGB § 174 Nr. 9 = EzA BGB § 174 Nr. 9; kri­tisch Lux NZA-?RR 2008, 393; Boeck­en Anm. EzA BGB § 174 Nr. 9).

Eine direk­te Kundgabe der Bevollmäch­ti­gung und der Per­son des Bevollmächtigten durch den Voll­macht­ge­ber selb­st ist also in diesen Fällen nur auf­grund der Pub­liz­ität des Han­del­sreg­is­ters entbehrlich.

dd) Teilt der Arbeit­ge­ber dem Arbeit­nehmer bere­its im Arbeitsver­trag mit, dass der (jew­eilige) Inhab­er ein­er bes­timmten Funk­tion kündi­gungs­befugt ist, liegt darin die Kundgabe der Erteilung ein­er Innen­voll­macht. Diese Kundgabe bedarf kein­er Form und unter­liegt auch kein­er Inhalt­skon­trolle nach Maß­gabe der §§ 305 ff. BGB, ins­beson­dere kein­er Kon­trolle auf Trans­parenz und Ein­hal­tung des Über­raschungsver­bots. Anders als vom Ver­wen­der vor­for­mulierte ein­seit­ige Erk­lärun­gen des Arbeit­nehmers sind ein­seit­ige Rechts­geschäfte und rechts­geschäft­sähn­liche Hand­lun­gen des Ver­wen­ders selb­st keine All­ge­meinen Geschäfts­be­din­gun­gen iSd. § 305 BGB (Däubler/Bonin/Deinert/Deinert AGB-?Kontrolle im Arbeit­srecht 3. Aufl. § 305 Rn. 7).

Die bloße Kundgabe der Erteilung der Innen­voll­macht genügt aber den Anforderun­gen an ein Inken­nt­nis­set­zen iSd. § 174 Satz 2 BGB allein noch nicht. Auch der Hin­weis des Kündi­gen­den auf seine Vertreter­stel­lung im Kündi­gungss­chreiben schließt das Zurück­weisungsrecht des Arbeit­nehmers nicht aus (vgl. Sen­at 20. Sep­tem­ber 2006 — 6 AZR 82/06 — Rn. 50, BAGE 119, 311; BAG 12. Jan­u­ar 2006 — 2 AZR 179/05 — Rn. 38, AP KSchG 1969 § 1 Ver­hal­tens­be­d­ingte Kündi­gung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Ver­hal­tens­be­d­ingte Kündi­gung Nr. 68). Erforder­lich ist vielmehr ein zusät­zlich­es Han­deln des Voll­macht­ge­bers selb­st, das es vor Zugang der Kündi­gungserk­lärung dem Erk­lärungsempfänger ermöglicht, die Per­son des Kündi­gen­den der kündi­gungs­berechtigten Funk­tion zuzuord­nen. Dabei muss nicht zwin­gend der Kündi­gungs­berechtigte im Arbeitsver­trag namentlich beze­ich­net wer­den. Aus­re­ichend für ein Inken­nt­nis­set­zen ist es auch, wenn der Arbeit­ge­ber im Ver­trag oder während des Arbeitsver­hält­niss­es dem Arbeit­nehmer einen Weg aufzeigt, auf dem dieser vor Zugang der Kündi­gung immer unschw­er erfahren kann, welche Per­son die Posi­tion innehat, mit der nach dem Arbeitsver­trag das Kündi­gungsrecht ver­bun­den ist. Dabei muss der aufgezeigte Weg dem Arbeit­nehmer nach den konkreten Umstän­den des Arbeitsver­hält­niss­es zumut­bar sein und den Zugang zu der Infor­ma­tion über die bevollmächtigte Per­son auch tat­säch­lich gewährleis­ten, etwa durch einen Aushang an der Arbeitsstelle, durch das dem Arbeit­nehmer zugängliche Intranet oder durch die Möglichkeit der Auskun­ft­sein­hol­ung bei einem anwe­senden oder zumin­d­est jed­erzeit leicht erre­ich­baren Vorge­set­zten. Nicht erforder­lich ist, dass der Arbeit­nehmer von der ihm aufgezeigten Möglichkeit zur Infor­ma­tion vor Zugang der Kündi­gung tat­säch­lich Gebrauch macht. Den Anforderun­gen des § 174 Satz 2 BGB ist auch dann genügt, wenn dies nicht oder erst nach Erhalt des Kündi­gungss­chreibens geschieht.

c) Diese Ausle­gung des § 174 Satz 2 BGB wird den Erfordernissen des Arbeit­slebens, von denen sich das Bun­de­sar­beits­gericht bei den an ein Inken­nt­nis­set­zen zu stel­len­den Anforderun­gen stets hat leit­en lassen (vgl. BAG 30. Mai 1972 — 2 AZR 298/71 — BAGE 24, 273, 277), gerecht. In Branchen, die von ein­er hohen Fluk­tu­a­tion geprägt sind, würde es einen erhe­blichen Ver­wal­tungsaufwand bedeuten, wenn jedem Kündi­gungss­chreiben eine Voll­macht beige­fügt wer­den müsste. Dabei wäre in jedem Fall eine Urschrift oder eine diese erset­zende Aus­fer­ti­gung erforder­lich, Abschriften oder Fotokopi­en sowie Faxkopi­en reicht­en nicht (vgl. BGH 4. Feb­ru­ar 1981 — VIII ZR 313/79 — AP BGB § 174 Nr. 5). Die Mit­teilung, auf welche Weise der Arbeit­nehmer die Per­son des Kündi­gungs­berechtigten immer unschw­er erfahren kann, ist dage­gen ohne beson­deren Aufwand möglich. Sie schafft klare Ver­hält­nisse und stellt unter den genan­nten Voraus­set­zun­gen für den Erk­lärungsempfänger hin­re­ichend sich­er, dass der Kündi­gende tat­säch­lich kündi­gungs­befugt ist.

d) Die Beklagte hat die Klägerin nicht aus­re­ichend von der Bevollmäch­ti­gung des Nieder­las­sungsleit­ers C in Ken­nt­nis geset­zt. Sie hat der Klägerin wed­er im Arbeitsver­trag selb­st noch später bis zur Erk­lärung der Kündi­gung mit­geteilt, wer der für sie zuständi­ge Nieder­las­sungsleit­er ist. Sie hat ihr auch bis zur Kündi­gung keinen Weg aufgezeigt, auf dem sie immer unschw­er erfahren kon­nte, wer diese Funk­tion bekleidete.

4. Der Klägerin ist es nicht unter dem Gesicht­spunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ver­wehrt, sich auf ihre Unken­nt­nis von der Voll­macht des Nieder­las­sungsleit­ers C zu berufen.

a) Die Zurück­weisung ist nach § 242 BGB unzuläs­sig, wenn der Kündi­gungsempfänger den Vertreter in der beste­hen­den Geschäftsverbindung auch ohne Vor­lage der Voll­macht­surkunde bere­its wieder­holt als solchen anerkan­nt hat, solange kein begrün­de­ter Zweifel am Beste­hen der Voll­macht aufge­treten ist (BGH 20. Okto­ber 2008 — II ZR 107/07 — Rn. 15, NJW 2009, 293; Soergel/Leptien BGB 13. Aufl. § 174 Rn. 5).

b) Im vor­liegen­den Fall hat die Klägerin keinen Ver­trauen­statbe­stand bei der Beklagten geschaf­fen. Sie hat unstre­it­ig kein­er­lei Kon­takt mit dem Nieder­las­sungsleit­er C gehabt. Das Arbeitsver­hält­nis wurde auss­chließlich über die Objek­tlei­t­erin abgewick­elt. Herr C hat auch den Arbeitsver­trag nicht unterze­ich­net. Ohne­hin ergäbe sich selb­st aus einem solchen Umstand nicht mit hin­re­ichen­der Sicher­heit, dass ein Kündi­gungsrecht bestand. Es gibt keinen Erfahrungssatz, nach dem die Befug­nis zur Ein­stel­lung stets mit der zu ein­er Ent­las­sung ver­bun­den ist (vgl. BAG 29. Juni 1989 — 2 AZR 482/88 — AP BGB § 174 Nr. 7 = EzA BGB § 174 Nr. 6).

II. Die Revi­sion ist auch unbe­grün­det, soweit sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 1.515,90 Euro brut­to unter dem Gesicht­spunkt des Annah­mev­erzugs für Dezem­ber 2008 bis ein­schließlich März 2009 sowie zur Zahlung von Schadenser­satz von 309,70 Euro brut­to für die unterge­gan­genen Urlaubs- bzw. Urlaub­sabgel­tungsansprüche wen­det. Diese Ansprüche ergeben sich aus dem Fortbe­stand des Arbeitsver­hält­niss­es bis zum 31. März 2009. Ihre Höhe hat das Lan­desar­beits­gericht zutr­e­f­fend errech­net. Konkrete Rügen erhebt die Beklagte dies­bezüglich nicht.

C. Die Koste­nentschei­dung fol­gt aus § 97 Abs. 1 ZPO.