26. Januar 2016
Fremdpersonal in Matrixstrukturen II
Der ganze Beitrag ist in der Zeitschrift Arbeit und Arbeitsrecht 11/2015 erschienen. Verfasser ist RA Jörg Hennig, AMETHYST Rechtsanwälte, Berlin.
3. Erlaubnispflicht
Arbeitnehmerüberlassung ist gem. § 1 Abs. 1 AÜG erlaubnispflichtig – der Einsatz in der Matrix dagegen häufig erlaubnisfrei. Erfüllt der Arbeitnehmer bei seiner Tätigkeit durch Direktionsrechtsübertragung allerdings nur noch Betriebszwecke der steuernden Einheit, führt dies zu einer erlaubnispflichtigen Arbeitnehmerüberlassung.
Zwar gilt in Konzernen die Erlaubnisfreiheit der konzerninternen Überlassung gem. § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG, sofern der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt oder beschäftigt wird. Für Personalführungsgesellschaften gilt das Privileg der Erlaubnisfreiheit jedoch nicht (Meyer, a. a. O.). Inwieweit die Rechtsprechung das Merkmal „nicht zum Zweck der Überlassung“ zukünftig konkretisiert, bleibt abzuwarten. Auch eine Einstellung des Arbeitnehmers in Einheiten, die zwar operativ tätig sind, jedoch nicht beabsichtigen, ihn operativ einzusetzen, führt definitiv zu einer Erlaubnispflicht – auch im Konzern. Hier ist Vorsicht geboten und man sollte in Zweifelsfällen eine Erlaubnis beantragen.
Wichtig
Erfüllt der Arbeitnehmer ausschließlich Betriebszwecke der steuernden Einheit und trägt die aufnehmende Einheit die Kosten des Einsatzes, liegt Arbeitnehmerüberlassung vor. Diese ist in Konzernen grundsätzlich erlaubnisfrei, nicht jedoch in reinen Personalführungsgesellschaften oder wenn die Einstellung sonst ausschließlich zum Zweck der Überlassung erfolgt.
Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten besteht unabhängig vom Einsatzort des Mitarbeiters oftmals eine Erlaubnispflicht, wenn er Weisungen aus dem Ausland empfängt.
Beispiel
Ein englisches Unternehmen benötigt einen Vertriebsmitarbeiter, der allein für den Deutschen Raum hierzulande tätig ist. Es möchte den Arbeitnehmer jedoch nicht selbst anstellen, sondern die Anstellung soll bei der Deutschen Konzerntochter erfolgen. Der Kandidat soll dennoch ausschließlich für das englische Unternehmen tätig sein, das auch die Personalkosten übernimmt. Die Personalabteilung in Deutschland schließt mit dem Vertriebler einen Arbeitsvertrag.
Die Ausübung seiner Tätigkeit wie auch die Klärung von Statusfragen (Urlaubsanträge, Arbeitszeiten etc.) erfolgt über die englische Muttergesellschaft, fachliches und disziplinarisches Weisungsrecht liegen also in England.
Erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung liegt hier vor. Das Konzernprivileg greift nicht, da die Einstellung – wenn auch nicht bei einer Personalführungsgesellschaft – ausschließlich zum Zweck der Überlassung erfolgt und ein Einsatz für den deutschen Arbeitgeber zu keinem Zeitpunkt geplant ist.
Grenzüberschreitende Matrixeinsätze erfordern zusätzlich die Beachtung der Anforderungen ausländischer Rechtsordnungen an eine Arbeitnehmerüberlassung. Das liegt bei Einsätzen, die tatsächlich im Ausland stattfinden, nah, kann jedoch genauso gelten, wenn eine im Inland tätige Person Weisungen ausschließlich aus dem Ausland empfängt. Der umgekehrte Fall, dass eine in Deutschland ansässige Konzernmutter einen Arbeitnehmer, der seinen Arbeitsvertrag mit einer ausländischen Konzerntochter geschlossen hat, ebenfalls wie einen eigenen Arbeitnehmer beschäftigt, führt zwar nie zu einer Erlaubnispflicht in Deutschland, so lange die Tätigkeit ausschließlich im Ausland erfolgt (Geschäftsanweisung zum AÜG § 1.1.1. Abs. 2). Schon gelegentliche Tätigkeiten in Deutschland würden dagegen zur Erlaubnispflicht in Deutschland führen, d. h. die ausländische Gesellschaft müsste hier eine Überlassungserlaubnis beantragen.
4. Kettenverleih
Der Verleiher benötigt bei der Überlassung eines Zeitarbeitnehmers „in die Matrix“, sofern er nicht im Konzernverbund tätig ist, eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Für die übernehmende Einheit, die den Beschäftigten in der Matrix einsetzt, ist dies erlaubnisrechtlich so lange unproblematisch, wie sie ihn nicht voll an die steuernde Einheit überlässt, sondern der Arbeitnehmer noch Zwecke der übernehmenden Einheit erfüllt.
Bei einer vollständigen Überlassung im obigen Sinne käme es dagegen zu einem Kettenverleih.
Wichtig
Kettenverleih liegt nach der Definition der Bundesagentur für Arbeit (BA) vor, wenn ein Entleiher die ihm von einem Verleiher überlassenen Arbeitnehmer wiederum anderen Entleihern zur Arbeitsleistung zur Verfügung stellt. Das ist nach Auffassung der BA aber unzulässig!
Rechtsfolgen des Kettenverleihs können bei fehlender Überlassungserlaubnis einer Partei der Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die steuernde Einheit oder eine Haftung für Lohnzahlung sein, während bei vorhandener Erlaubnis (z. B. der Personalführungsgesellschaft) die Erlaubnis widerrufen werden kann (Geschäftsanweisung zum AÜG § 1.12 Nr. 11). Das sehen Stimmen in der Literatur zwar anders (Boemke/Lembke, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, § 1 Rdnr. 14;
Schüren/Hamann/Hamann, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, § 1 Rdnr. 57), für die Praxis sollte man jedoch die Auffassung der BA beachten, um einen Übergang des Arbeitsverhältnisses und schlimmstenfalls einen Entzug der Erlaubnis zu vermeiden.
5. Vertragsgestaltung
Aufgrund der Regelung des § 613 Satz 2 BGB, wonach das fachliche Weisungsrecht im Zweifel nicht übertragbar ist, empfiehlt die Literatur überwiegend die Vereinbarung besonderer Versetzungsklauseln, um in der Matrix auch Teile dieses Weisungsrechts übertragen zu können (vgl. Neufeld, a. a. O.). Dies ist bei Zeitarbeitnehmern mit entsprechenden Verträgen nicht erforderlich, denn schon § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 AÜG definieren Zeitarbeitnehmer dadurch, dass sie bei wechselnden Arbeitgebern (vorübergehend) durch Übertragung des Weisungsrechts eingesetzt werden. Der Hinweis im Arbeitsvertrag darauf, dass jemand als Zeitarbeitnehmer beschäftigt wird, genügt also.