10. Dezember 2014

Der Mindestlohn in der Zeitarbeit

Der Min­dest­lohn wirft auch in der Zeitar­beit zahlre­iche Prob­leme auf. Zwar ist die reine Lohn­höhe, die dort gezahlt wird, rechtlich unprob­lema­tisch (im West­en mit 8,50 € ohne­hin, aber auch in den neuen Bun­deslän­dern auf­grund der Über­gangsvorschrift des § 24 Abs. 1 MiLoG, der eine Unter­schre­itung des Min­dest­lohns durch die Min­dest­lohn­vorschriften für die Zeitar­beit mit derzeit noch 7,86 € aus­drück­lich zulässt). AMETHYST Recht­san­wälte emp­fiehlt den­noch, dass alle Unternehmen kri­tisch über­prüfen soll­ten, ob eine der fol­gen­den Kon­stel­la­tio­nen auf sie zutrifft:

  • Schon der absolute Nor­mal­fall, dass bei exter­nen Mitar­beit­ern mit Zeitkon­ten bis 150 Stun­den gear­beit­et wird, kön­nte gegen § 2 Abs. 2 MiLoG ver­stoßen. Dieser Para­graf regelt, dass die auf ein Arbeit­szeitkon­to eingestell­ten Stun­den monatlich max­i­mal 50 % der vere­in­barten Arbeit­szeit betra­gen dür­fen. Ob diese Regelung auf die Zeitar­beit zutrifft und was damit gemeint ist (entwed­er jeden Monat 50 % der vere­in­barten Arbeit­szeit oder ins­ge­samt nur 50 %), lässt sich dem Geset­zes­text nicht klar entnehmen.
  • Nach § 24 Abs. 1 MiLoG gehen die Lohn­regelun­gen aus der Zeitar­beit zwar auch im Jahr 2015 dem Min­dest­lohn vor, doch die Frage, ob zu dieser Lohn­regelung auch die Zeit(konto)regelung oder bloß die Lohn­höhe gehört, lässt der Geset­zge­ber lei­der unbeant­wortet. Wir meinen, dass die besseren Argu­mente für eine weit­ere Anwend­barkeit der bish­eri­gen Zeitkon­tenregelung sprechen. Diese war dem Geset­zge­ber ja bei Ver­ab­schiedung des Geset­zes als Bestandteil der Min­dest­lohn­regelung in der Zeitar­beit bekan­nt und er hat­te diese Zeitkon­toregelung den­noch nicht aus­drück­lich von der Min­dest­lohn­regelung ausgenom­men. Die Rechtssicher­heit in dieser Frage ist jedoch vage, Vor­sicht und genaue Beobach­tung der Recht­sauf­fas­sung von der Bun­de­sagen­tur für Arbeit und dem Zoll sind hier deshalb auch zukün­ftig unbe­d­ingt geboten.
  • Bei inter­nen Mitar­beit­ern dürfte die genan­nte Ober­gren­ze aber defin­i­tiv zu beacht­en sein. Falls hier mit Zeitkon­ten gear­beit­et wird, ist also Vor­sicht geboten und es ist zu empfehlen, sich auf die Höch­st­gren­ze des hal­ben Monatsvol­u­mens festzulegen.
  • In Mis­ch­be­trieben stellt sich die Frage, ob Arbeit­nehmer in Werkver­trag­sein­sätzen (Ost) auch von dem Tar­if­priv­i­leg der Zeitar­beit mit einem Stun­den­lohn von nur 7,86 € prof­i­tieren oder ab dem 1. Jan­u­ar 2015 schon in Höhe von 8,50 € pro Stunde vergütet wer­den müssen. Hier wird man wohl mit den bekan­nten Regeln des „Über­wiegen­sprinzips“ arbeit­en kön­nen, die besagen, dass ein Tar­ifver­trag der Zeitar­beit so lange ange­wandt wer­den darf, wie die Mehrzahl der Arbeit­nehmer des Per­sonal­dien­stleis­ters als Zeitar­beit­nehmer einge­set­zt wer­den – selb­st wenn dies für einzelne Arbeit­nehmer nicht gel­ten sollte.
  • Schließlich ist rechtlich unklar, was alles zum Min­dest­lohn zählt. Der EuGH hat­te hierzu bis­lang die Auf­fas­sung vertreten, dass solche Ent­gelte nicht in die Berech­nung ein­be­zo­gen wer­den dür­fen, die beson­dere Arbeits­be­din­gun­gen abgel­ten (also Zula­gen für die Lage der Arbeit­szeit (Mehrar­beit, Feiertage etc.), für bes­timmte Erschw­ernisse oder Zahlun­gen von Aufwen­dungser­satz. Eine Anrech­nung von Grat­i­fika­tio­nen dürfte so lange zuläs­sig sein, wie dem Arbeit­nehmer unab­hängig vom Zeit­punkt eines möglichen Auss­chei­dens aus dem Unternehmen eine sichere Anwartschaft hier­auf erwach­sen ist.
  • In diesem Zusam­men­hang auch wichtig: Die Min­dest­lohn­regelun­gen tre­f­fen alle Arbeit­nehmer – unab­hängig von ihrer Ver­di­en­sthöhe, denn der Min­dest­lohn ist in jedem Ent­gelt enthal­ten. Das gilt für die Vere­in­barung von Auss­chlussfris­ten (der Min­dest­lohnan­teil im Gesamt­lohn ver­fällt zukün­ftig nicht mehr nach drei Monat­en – tar­ifver­tragliche Auss­chlussfris­ten hin oder her). Auch Zeitkon­ten außer­halb der Zeitar­beit dür­fen, von der engen geset­zlichen Regelung abge­se­hen, nicht zu ein­er fak­tis­chen Min­dest­loh­nun­ter­schre­itung führen. Wer bei Besserver­di­enern mit Zeitkon­ten arbeit­en möchte, um ein großes Maß an Flex­i­bil­isierung zu erre­ichen, ist daher gut berat­en, zukün­ftig je nach Einzelfall bis zu drei Kon­ten getren­nt zu führen: . 
    • eines, mit dem der Zeitar­beit­star­i­flohn abge­bildet wird
    • ggf. ein weit­eres zur Abbil­dung des Min­dest­lohnes (vor allem, um den geset­zlichen Auszahlungs­fris­ten und ggf. auch den gerin­geren Höch­st­gren­zen zu genügen)
    • und ein drittes, mit dem über­tar­i­fliche Lohnbe­standteile, die auch über dem Min­dest­lohn liegen, weit­ge­hend frei ver­rech­net wer­den können.

Schließlich hat der Geset­zge­ber die Branche mit dem bere­its seit Sep­tem­ber 2014 in § 8 geän­derten Arbeit­nehmer­entsendege­setz „beglückt“: Min­destlöhne sind schon dann zu zahlen, wenn nur der per­sön­liche Anwen­dungs­bere­ich und nicht zusät­zlich der betriebliche Gel­tungs­bere­ich eines Tar­ifver­trages eröffnet ist. Das hat zur Folge, dass die Reini­gungskraft nun auch ihren Min­dest­lohn bekommt, wenn sie z. B. an eine Ver­sicherung über­lassen wird.
Daran schließen sich natür­lich Fol­geprob­leme an: Nun kön­nen erst­mals die Min­dest­lohn­tar­ifverträge mit Branchen­zuschlagstar­ifverträ­gen konkur­ri­eren. Ein Maler, der z. B. in einem Met­all­be­trieb Aus­besserungsar­beit­en vorn­immt, hat nun also sowohl Anspruch auf den Min­dest­lohn als auch auf Branchen­zuschläge. Das ist knif­flig, denn Arbeit­nehmer kön­nen nun auch in der Zeitar­beit z. B. Ansprüche auf Bau­min­destlöhne besitzen, wenn sie in ein­er Gärt­nerei eine Mauer bauen. In so einem Fall wäre schon der per­sön­liche Gel­tungs­bere­ich des Bau­min­dest­lohn­tar­ifver­trages eröffnet. Und das, obwohl die Über­las­sung in das Baugewerbe bekan­ntlich ver­boten ist …

Man muss also nicht erst die Jahresmitte und das Geset­zge­bungsvorhaben rund um Equal Pay und Werkverträge abwarten, um vorher­sagen zu kön­nen, dass das neue Jahr rechtlich einiges an neuen Her­aus­forderun­gen bere­i­thal­ten wird.

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