4. April 2015

Praktikanten und der gesetzliche Mindestlohn

Auch Prak­tikan­ten haben einen Anspruch auf Min­dest­lohn (§ 22 Abs. 1 S.1 MiLoG). Wann ein Prak­tikum vor­liegt, regelt § 22 Abs. 1 S.3 MiLoG:

„Prak­tikant ist unab­hängig von der Beze­ich­nung des Rechtsver­hält­niss­es, wer sich nach der tat­säch­lichen Aus­gestal­tung und Durch­führung des Ver­tragsver­hält­niss­es für eine begren­zte Dauer zum Erwerb prak­tis­ch­er Ken­nt­nisse und Erfahrun­gen ein­er bes­timmten betrieblichen Tätigkeit zur Vor­bere­itung auf eine beru­fliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Beruf­saus­bil­dung im Sinne des Berufs­bil­dungs­ge­set­zes oder um eine damit ver­gle­ich­bare prak­tis­che Aus­bil­dung handelt.“

Abgrenzung zu anderen Rechtsverhältnissen

Die Abgren­zung des Prak­tikums von anderen Rechtsver­hält­nis­sen entschei­det im Einzelfall über das Beste­hen oder Nichtbeste­hen eines Min­dest­lohnanspruchs. Bei der Einord­nung kommt es nicht auf die Beze­ich­nung, son­dern den tat­säch­liche Inhalt des Rechtsver­hält­niss­es an.

Bei einem Prak­tikum ste­ht der Aus­bil­dungszweck im Vorder­grund. Damit unter­schei­det sich ein Prak­tikant von einem Arbeit­nehmer, bei dem die Arbeit­sleis­tung entschei­den­der Inhalt des Rechtsver­hält­niss­es ist. Nur schein­bar um ein Prak­tikum han­delt es sich also, wenn eine anson­sten erforder­liche Arbeit­skraft erset­zt wird und der Lernzweck in den Hin­ter­grund tritt.

Trotz der Beze­ich­nung „Prak­tikant“, „Volon­tär“ oder „Trainee“ liegt ein min­dest­lohnpflichtiges Arbeitsver­hält­nis i.S.v. § 1 Abs. 1, 22 Abs.1 S.1 MiLoG vor, wenn die Erbringung von Arbeit­sleis­tung im Inter­esse des Betriebs und nicht der Aus­bil­dungscharak­ter im Inter­esse des Beschäftigten über­wiegt. Auch Stu­den­ten, die im Unternehmen eine Bach­e­lor- oder Mas­ter­ar­beit­en schreiben, haben einen Anspruch auf Min­dest­lohn, wenn gle­ichzeit­ig ein Arbeitsver­hält­nis begrün­det wird. Dies gilt nicht, wenn sich der Stu­dent nur im Betrieb aufhält, ohne eigene Arbeit­sleis­tung zu erbringen.

Abzu­gren­zen ist das Prak­tikum außer­dem von ein­er Beruf­saus­bil­dung im Sinne des Beruf­saus­bil­dungs­ge­set­zes, für die der Min­dest­lohn nicht gilt. Zwar zielt auch die Beruf­saus­bil­dung auf den Erwerb prak­tis­ch­er Ken­nt­nisse. Dies erfol­gt aber ganzheitlich, wohinge­gen das Prak­tikum nur einen Teil ein­er ander­weit­i­gen Gesam­taus­bil­dung darstellt.

Schließlich ist das Prak­tikum von ein­er mit der Beruf­saus­bil­dung ver­gle­ich­baren prak­tis­chen Aus­bil­dung zu unter­schei­den, da auch auf diese gem. § 26 BBiG bes­timmte Vorschriften des Beruf­saus­bil­dungs­ge­set­zes Anwen­dung find­en und kein Min­dest­lohn zu zahlen ist. Gemeint sind in der Regel nicht nach § 4 Abs.1 BBiG anerkan­nte, den­noch zu einem Beruf aus­bildende Ver­hält­nisse. Daraus ergibt sich: Je „beruf­saus­bil­dungsähn­lich­er“ ein Beschäf­ti­gungsver­hält­nis ist, d.h. je umfassender, struk­turi­ert­er und länger ein für einen bes­timmten Beruf aus­bildet wird, desto eher ent­fällt die Verpflich­tung zur Zahlung des Mindestlohns.

Keinen Anspruch auf Mindestlohn

Ein Anspruch auf Min­dest­lohn beste­ht nicht in den Fällen des § 22 Abs. 1 S.2 MiLoG.

Praktikanten Ausnahmen

Prob­leme ergeben sich bei der Frage, inwiefern bei ein­er Kom­bi­na­tion der ver­schiede­nen Prak­tikum­sarten der Min­dest­lohn zu zahlen ist.

Sieht eine Stu­dienord­nung beispiel­sweise ein Pflicht­prak­tikum von 3 Monat­en vor, greift § 22 Abs.1 Nr. 1 MiLoG und für diesen Zeitraum muss kein Min­dest­lohn gezahlt wer­den. Wird das Prak­tikum jedoch über die Pflicht­dauer hin­aus um beispiel­sweise weit­ere 3 Monate im sel­ben Betrieb ver­längert, ist fraglich, ob eine der anderen Aus­nah­men noch greift. Da bere­its im Rah­men des Pflicht­prak­tikums ein Prak­tikumsver­hält­nis mit dem­sel­ben Aus­bilder bestand, schei­det eine Befreiung auf­grund § 22 Abs. 1 Nr. 3 MiLoG aus. Es han­delt sich auch um keine Ein­stiegsqual­i­fizierung nach § 54a SGB III oder Beruf­saus­bil­dungsvor­bere­itung nach §§ 68 bis 70 des BBiG (§ 22 Abs. 1 Nr. 4 MiLoG). Auch ein Prak­tikum zur Ori­en­tierung für eine Beruf­saus­bil­dung oder für die Auf­nahme eines Studi­ums (§ 22 Abs. 1 Nr.2 MiLoG) liegt nicht vor, da sich die Per­son im vor­liegen­den Beispiel bere­its in der Ausbildung/Studium befind­et (und deshalb die Befreiung für die ersten drei Monate nach § 22 Abs.1 Nr. 1 MiLoG über­haupt nur möglich ist). Im Ergeb­nis unter­liegt das Prak­tikumsver­hält­nis somit für den Zeitraum, der die von der Aus­bil­dung­sor­d­nung vorge­se­hene Pflicht­dauer über­schre­it­et, dem Mindestlohn.

Auch einen Anspruch auf Min­dest­lohn haben kün­ftig diejeni­gen Prak­tikan­ten, die noch nach Abschluss eines Hochschul­studi­ums oder ein­er Beruf­saus­bil­dung in der Hoff­nung auf ein anschließen­des Arbeitsver­hält­nis lang­wierige Prak­ti­ka absolvieren – die sog. „Gen­er­a­tion Prak­tikum“. Dieser beste­ht jeden­falls bei Prak­ti­ka, die die Dauer von 3 Monat­en über­schre­it­en; bei kürz­eren Zeiträu­men greift je nach Einzelfall noch die aus­nahm­sweise Befreiung auf­grund der Ori­en­tierungs­funk­tion des Prak­tikums für eine Beruf­saus­bil­dung oder ein Studi­um gem. § 22 Abs.1 Nr. 1 MiLoG.