Versagung der Arbeitnehmerüberlassungs-Erlaubnis: LSG Hamburg mit wegweisenden Aussagen

Das Lan­dessozial­gericht Ham­burg hat in einem Beschluss vom 30. August 2019 (Az. L 2 AL 36/19 B ER) die Ver­sa­gung ein­er Erlaub­nis zur Arbeit­nehmerüber­las­sung durch die Bun­de­sagen­tur für Arbeit aufge­hoben und die Arbeit­sagen­tur verpflichtet, die Erlaub­nis antrags­gemäß um ein Jahr zu ver­längern. Die Antrag­stel­lerin wurde durch AMETHYST Recht­san­wälte vertreten.

Der Beschluss ist recht kurz ger­at­en, nimmt jedoch zu zwei in der Prax­is häu­figer auftre­tenden Fra­gen erfreulich klar Stellung:

Amtsermittlung

So betont das Gericht zum einen den „Amt­ser­mit­tlungs­grund­satz“, wonach die Erlaub­nis­be­hörde Ver­stöße nicht ein­fach behaupten, son­dern auch nach­weisen muss. Konkret ging es um den Vorhalt, die Antrag­stel­lerin hätte Fehler aus ver­gan­genen Jahren trotz entsprechen­der Hin­weise wieder­holt, obwohl seit­ens der Antrag­stel­lerin einge­wandt wor­den ist, dass sie diese Hin­weise niemals erhal­ten hat­te. Während das Gericht erster Instanz hier noch pauschal annahm, durch die wieder­holten Ver­stöße fehle es an der erforder­lichen Zuver­läs­sigkeit, stellte das Lan­dessozial­gericht nun fest, dass die Erlaub­nis­be­hörde dieser Dar­legung hätte nachge­hen müssen. Dass dies nicht geschehen sei, wirke sich let­ztlich zugun­sten der Erlaub­nis­in­hab­erin aus:

 

Soweit das Sozial­gericht aus­führt, es bestün­den keine ern­sthaften Zweifel an der Recht­mäßigkeit des Ver­sa­gungs­beschei­des, unter­stellt es, dass der Antrag­stel­lerin die im Rah­men der Prü­fung im Jahr 2019 durch die Antrags­geg­ner­in vorge­hal­te­nen Bean­stan­dun­gen in ähn­lich­er Form bere­its im Rah­men der früheren Prü­fun­gen in den Jahren 2016 und 2018 vorge­hal­ten wur­den, so dass auf­grund behar­rlich­er erhe­blich­er Ver­stöße trotz der Ankündi­gung der Antrag­stel­lerin, die bean­stande­ten Sachver­halte abgestellt zu haben, keine pos­i­tive Prog­nose hin­sichtlich der Zuver­läs­sigkeit gestellt wer­den könne. Hier­bei über­sieht das Sozial­gericht, dass die Antrag­stel­lerin mehrfach angegeben hat, die Beschei­de vom 03. Mai 2016 und 07. Mai 2018, die nach Angaben der Antrags­geg­ner­in jew­eils mit den Erlaub­nisurkun­den ver­sandt wor­den sein sollen, gar nicht erhal­ten zu haben. Dem wäre im Rah­men der Amt­ser­mit­tlung nachzuge­hen.

Unzumutbare Härte trotz Abwicklungsfrist

Zum anderen kon­nte das Gericht sich bere­its mit den erst am 1. August 2019 aktu­al­isierten fach­lichen Weisun­gen  im Hin­blick auf die Abwick­lungs­frist gemäß § 2 Abs. 4 S. 4 AÜG auseinan­der­set­zen, wonach die Fort­set­zung von Über­las­sungsver­hält­nis­sen für ein Jahr ab der Nichtver­längerung der Erlaub­nis zuläs­sig ist. Die fach­lichen Weisun­gen enthal­ten hier nun jedoch den Pas­sus, dass diese Abwick­lungs­frist nicht für Rah­me­nar­beit­nehmerüber­las­sungsverträge gilt, auf­grund der­er dann stets neu Einzelvere­in­barun­gen abgeschlossen wer­den (vgl.  Ziff. 2.4. S. 49):

 

(8) Nach dem Sinn der Abwick­lungs­frist kann diese nicht für Rah­menüber­las­sungsverträge gel­ten. Die Abwick­lungs­frist erstreckt sich nur auf die konkreten zum Zeit­punkt der Abwick­lung gülti­gen Verträge, die zumin­d­est die Dauer der Über­las­sung und die Zahl der Lei­har­beit­nehmer bein­hal­ten. Entsprechende Über­las­sun­gen müssen auch tat­säch­lich erfolgen.

 

Während das Gericht erster Instanz noch annahm, dass auf­grund dieser Abwick­lungs­frist keine unzu­mut­bare Härte für die Erlaub­nis­in­hab­erin beste­he, lies sich das Lan­dessozial­gericht von der tat­säch­lichen Sit­u­a­tion der Erlaub­nis­in­hab­erin überzeu­gen. Diese arbeit­ete näm­lich mit solchen Rah­menüber­las­sungsverträ­gen und vere­in­barte Ein­sätze dann regelmäßig im Monat­srhyth­mus. Mit Ablauf eines Monats hätte die Antrag­stel­lerin also keine Arbeit­nehmer mehr über­lassen kön­nen. Unter aus­drück­lich­er Bezug­nahme auf die fach­lichen Weisun­gen stellte das Lan­dessozial­gericht deshalb fest:

 

Eine unbil­lige Härte in diesem Sinne liegt vor, wenn dem Betrof­fe­nen Nachteile entste­hen, die über die eigentliche Regelung hin­aus­ge­hen und die – ins­beson­dere bei Gefährdung der wirtschaftlichen Exis­tenz – im Nach­hinein nicht oder nur schw­er wieder gutzu­machen sind (Wahren­dorf in Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl. 2014, § 86a Rn. 120). Ger­ade im Lichte der Grun­drechte der Antrag­stel­lerin aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 des Grundge­set­zes ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Antrags­geg­ner­in sehr wohl das beson­dere Geschäftsmod­ell der Antrag­stel­lerin zu berück­sichti­gen, das auf­grund der auss­chließlichen Prak­tizierung von Rah­menüber­las­sungsverträ­gen mit der Notwendigkeit der Konkretisierung durch Abschluss von Einzelüber­las­sungsverträ­gen dazu führt, dass sie prak­tisch mit Beginn der Abwick­lungs­frist nach § 2 Abs. 4 Satz 4 AÜG ihre Betrieb­stätigkeit voll­ständig ein­stellen muss, weil die Antrags­geg­ner­in ihren fach­lichen Weisun­gen entsprechend der Antrag­stel­lerin während der Abwick­lungs­frist jeglichen Abschluss neuer Leih- und Über­las­sungsverträge ein­schließlich Einzelüber­las­sungsverträge unter­sagt hat.

Nach den unwider­sproch­enen und glaub­haft gemacht­en Angaben der Antrag­stel­lerin hat sie tat­säch­lich zum 31. Mai 2019 ihre Betrieb­stätigkeit voll­ständig eingestellt, so dass ihr durch die sofor­tige Vol­lziehung der zeit­na­he und unwider­ru­fliche Unter­gang ihrer wirtschaftlichen Exis­tenz droht.

AMETHYST-Kommentar

Der Beschluss rei­ht sich ein in eine wach­sende Zahl von Entschei­dun­gen, mit denen das derzeit­ige Über­maß der Bun­de­sagen­tur für Arbeit bei der Ver­sa­gung von Erlaub­nis­sen zur Arbeit­nehmerüber­las­sung eingedämmt wer­den soll.