12. Mai 2016

Abschließender Entwurf zur Reform des AÜG

Am 09. Mai 2016 hat sich die Koali­tion auf einen Geset­ze­sen­twurf zur Änderung des AÜG geeinigt. Im Wesentlichen gab es noch fol­gende Änderungen:

  • Stich­tagsregelung: Auch Über­las­sungszeit­en, die für den Beginn des Equal Treat­ment-Anspruchs wichtig sind, zählen erst ab dem 1. Jan­u­ar 2017. Damit ist auch in diesem Punkt jeden­falls zunächst etwas Entspan­nung eingetreten.
  • Die Unter­brechungszeit­en zur Berech­nung des Equal Treat­ment-Anspruchs und der Höch­stüber­las­sungs­dauer wer­den von sechs auf drei Monate verkürzt.
  • Tar­i­fliche Öff­nungsklauseln zur Höch­stüber­las­sungs­dauer: Nicht-tar­ifge­bun­dene Kun­de­nun­ternehmen kön­nen nun  von den tar­i­flichen Öff­nungsklauseln Gebrauch machen, wenn der in Bezug genommene Tar­ifver­trag selb­st eine Höch­stüber­las­sungs­dauer fes­tlegt und auch tat­säch­lich ein­schlägig ist. Anderen­falls bleibt es bei der Höch­st­frist von 24 Monat­en. Hier wird sich in Zukun­ft zeigen, ob noch neue Tar­ifverträge mit geän­derten Höch­stüber­las­sungszeiträu­men abgschlossen werden.
  • Eingeschränkt wer­den soll schließlich das Streikver­bot. Arbeit­nehmer sollen noch in bestreik­ten Betrieben einge­set­zt wer­den kön­nen, wenn Sie dort nicht die Arbeit von Streik­enden erledigen.

Diese Änderun­gen bauen auf den Ergeb­nis­sen vom 17. Feb­ru­ar 2016 auf, die wir nach­fol­gend noch ein­mal wieder geben:

a) Ausnahmen zur 18-Monatsfrist der Überlassungshöchstdauer

Der über­ar­beit­ete Geset­ze­sen­twurf des AÜG sieht nach wie vor eine Über­las­sung­shöch­st­dauer von 18 Monat­en an densel­ben Entlei­her vor. Das entspricht der Regelung in der Koali­tionsvere­in­barung und war auch so erwartet worden.

Ver­längerungsmöglichkeit­en zu dieser Frist sollte es geben. Der ursprüngliche Geset­ze­sen­twurf hat­te hierzu jedoch eine ver­fas­sungsrechtlich äußerst beden­kliche Aus­nah­meregelung parat, wonach eine Ver­längerung der Höch­stüber­las­sungs­dauer nur für tar­ifge­bun­dene Kun­de­nun­ternehmen möglich sei. Das hätte Arbeit­ge­ber in eine Ver­bandsmit­glied­schaft gezwun­gen und somit indi­rekt auch die Gew­erkschaf­s­seite gestärkt, was dem Grund­satz der „neg­a­tiv­en Koali­tions­frei­heit“ wider­sprochen hätte.

Die Aus­nah­meregelung für tar­ifge­bun­dene Kun­de­nun­ternehmen gilt nach wie vor unbe­gren­zt, so kön­nten also z.B. IG Met­all und die Arbeit­ge­berver­bände der Met­allindus­trie einen Tar­ifver­trag ver­ab­schieden, der eine Höch­stüber­las­sungs­dauer auch von 36 Monat­en vor­sieht. Diese Höch­st­frist würde dann für alle Ein­satz­be­triebe gel­ten, die Mit­glied des Arbeit­ge­berver­ban­des sind. Das her­auszufind­en und zudem einen Überblick über die gel­tenden Regelun­gen zu behal­ten, dürfte nicht ein­fach werden.

Der neue Geset­ze­sen­twurf verbessert die Aus­nah­meregelung jeden­falls dahinge­hend, dass nicht tar­ifge­bun­dene Unternehmen, die dem Gel­tungs­bere­ich eines Tar­ifver­trags unter­fall­en, die abwe­ichen­den Regelun­gen zur Über­las­sung­shöch­st­dauer nun inhalts­gle­ich in Betrieb­svere­in­barun­gen übernehmen dür­fen. Diese Ver­längerungsmöglichkeit gilt allerd­ings nach wie vor nur bis zu ein­er Über­las­sung­shöch­st­dauer von läng­stens 24 Monat­en. Wer als Kun­den­be­trieb keinen Betrieb­srat hat, schaut nach wie vor in die Röhre und ist an die Höch­st­frist von 18 Monat­en gebunden.

Für mehrere Ein­sätze sieht der Geset­ze­sen­twurf eine Unter­brechungs­frist von 6 Monat­en vor, ab der ein Ein­satz bei einem Entlei­her als “Neuein­satz” wird. Entlei­her ist das Kun­de­nun­ternehmen, nicht der ‑betrieb. Ein Arbeit­splatzwech­sel hil­ft für die Frist­berech­nung also nicht, so lange die Tätigkeit im sel­ben Unternehmen fort­ge­set­zt wird.

Immer­hin beste­ht für die Umset­zung eine geräu­mige Frist, denn die Berech­nung des 18-Monat­szeitraums soll erst am 1. Jan­u­ar 2017 begin­nen, so dass die Höch­stüber­las­sungs­dauern erst am 30. Juni 2018 enden wer­den. Zeit genug, sich hier­auf einzustellen.

b) Verbot des Kettenverleihs

Nach dem Entwurf soll der Ket­ten­ver­leih zukün­ftig ver­boten wer­den. Das war schon bish­er die Auf­fas­sung der Bun­de­sagen­tur für Arbeit und wurde in der Prax­is auch weit­ge­hend befol­gt – let­ztlich also keine wesentliche Änderung.

c) Equal Treatment bereits nach 9 Monaten Einsatzdauer

Nach neun Ein­satz­monat­en in dem­sel­ben Kun­de­nun­ternehmen beste­ht die Verpflich­tung zum Equal Treat­ment. Neben dem Stun­de­nent­gelt sind den Arbeit­nehmern also auch diesel­ben son­sti­gen Arbeits­be­din­gun­gen ver­gle­ich­bar­er Arbeit­nehmer im Kun­den­be­trieb zu gewähren (z.B. Prämien, betreib­liche Altersvor­sorge etc.). Diese kön­nen zwar kap­i­tal­isiert wer­den, sind aber gle­ich­wohl nur schw­er zu ermitteln.

d) Ausnahme vom Equal Pay nur bei Zahlung von Branchenzuschlägen

Eine Umge­hung der Equal Pay-Verpflich­tung ist nur bei Anwen­dung von Branchen­zuschlagstar­ifverträ­gen möglich. Diese waren nach dem ersten Entwurf schw­er angeschla­gen, obwohl sie sich mit­tl­w­er­weile in der Prax­is sehr bewährt hat­ten. Sie wer­den nun wieder aufgew­ertet und müssen zur Ver­mei­dung eines Equal Pay-Anspruchs nach mehr als neun Monat­en zwin­gend ange­wandt wer­den. Zudem müssen sie eine neue Ent­gelt­stufe enthal­ten, mit der das Ent­gelt im Kun­den­be­trieb nach spätestens 15 Monat­en Ein­satz­dauer erre­icht wird; schließlich muss die erste Erhöhung bere­its nach sechs Wochen ein­treten, was bei den bish­eri­gen Zuschlagstar­ifverträ­gen der Fall ist.

Es ist daher zu erwarten, dass vor allem die Dien­stleis­tungs­branchen zukün­ftig neue Branchen­zuschlagstar­ifverträge abschließen wer­den, um die Equal Pay-Verpflich­tung her­auszögern zu können.

e) Der neue § 611a BGB

Der bish­erige Geset­ze­sen­twurf zu § 611a BGB – Stich­wort “Werkverträge” enthielt einen Tatbe­stand­skat­a­log, der fes­tle­gen sollte, wann ein Werkver­trag miss­bräuch­lich ver­wen­det werde. Dieser war wenig aus­gereift und wurde deshalb auch stark kri­tisiert. Das hat der Geset­zge­ber zum Anlass genom­men, nun eine äußerst weich gespülte Vari­ante vorzuschla­gen, nach der, kurz gesagt, alles bleibt, wie es ist. Denn es wurde nun lediglich eine Def­i­n­i­tion des Arbeit­nehmers in das Gesetz einge­fügt, die der jahre­al­ten Def­i­n­i­tion des Bun­de­sar­beits­gericht wort­gle­ich entspricht. Immer­hin: harmlos!

f) Streikarbeit

Streikar­beit durch Zeitar­beit­nehmer ist zukün­ftig ver­boten. Was wie eine Selb­stver­ständlichkeit klingt, ist im Hin­blick auf die Kampf­par­ität bei Arbeit­skämpfen höchst prob­lema­tisch. Denn nun kön­nen auch plöt­zlich in Kun­de­nun­ternehmen kaum vertretene Gew­erkschaft dort ein­fach zum Streik aufrufen und müssen selb­st gar nicht streiken, denn bere­its durch den Aufruf dür­fen in dem Unternehmen keine Zeitar­beit­nehmer mehr tätig wer­den. Eine gut gemeinte und auch nachvol­lziehbare Regelung, die jedoch weniger gut gemacht ist.

g) Keine Fallschirmlösung mehr bei Werkverträgen

Ver­boten wird nun auch die “Fallschirm­lö­sung”, mit der sich sehr viele Din­stleis­ter gegen eine mögliche unzuläs­sige Arbeitnhmerüber­las­sung abgesichert hat­ten. Sie schlossen ihre Verträge als Dienst- oder Werkverträge und kön­nten dann, wenn sich eine Tätigkeit im Nach­hinein als Arbeit­nehmerüber­las­sung her­ausstellte, noch immer ihre auf Vor­rat beantragte Erlaub­nis vorweisen.

Das geht zukün­ftig nicht mehr, denn das Gesetz ver­langt eine Fes­tle­gung im Vorhinein auf Dienst / Werkver­trag oder Arbeit­nehmerüber­las­sung. Liegt Arbeit­nehmerüber­las­sung ohne entsprechende Beze­ich­nung vor, dro­hen Bußgelder selb­st dann, wenn der Dien­stleis­ter eine ANÜ-Erlaub­nis besitzten sollte. Ger­ade Dien­stleis­ter im IT‑, Engi­neer­ing und Auto­mo­tivesek­tor wer­den ihre Verträge deshalb zukün­ftig sehr häu­fig auf Arbeit­nehmerüber­las­sung umstellen müssen.